Hessen- und Bayernwahl: Flüchtlingshetze stärkt AfD

Knapp ein Viertel aller Wahlberechtigten Deutschlands sind am kommenden Sonntag aufgerufen, in Bayern und Hessen ein neues Landesparlament zu wählen. Doch ihre Möglichkeit, mit dem Stimmzettel das politische Geschehen zu beeinflussen, liegt nahe null.

Wahlplakate der Grünen und der SPD in Hessen

Alle großen Parteien haben sich verschworen, die rechtesten politischen Kräfte zu stärken, um jede politische Opposition gegen Lohn- und Sozialabbau, Krieg und Aufrüstung einzuschüchtern. Seit Wochen begleitet eine Hetzkampagne gegen Flüchtlinge den Wahlkampf, die von allen Kandidaten geschürt und von den Medien ins Ohrenbetäubende verstärkt wird. Nutznießer ist die faschistische AfD, die als einzige Partei in den Umfragen zulegt.

Den Auftakt machte – wie so oft, wenn es um eine rechte Kampagne geht – Ex-Bundespräsident Joachim Gauck. Er sprach sich am 17. September in der ZDF-Sendung „Berlin direkt“ für eine Begrenzung der Zuwanderung aus.

In der Migrationspolitik müsse man „Spielräume entdecken, die uns zunächst unsympathisch sind, weil sie inhuman klingen“, predigte der gelernte Pastor. Es sei „moralisch überhaupt nicht verwerflich und politisch sogar geboten, eine Begrenzungsstrategie zu fahren“. Gauck forderte mehr Mut und weniger „Furcht vor einer brutal klingenden Politik, etwa der Abschottung oder Eingrenzung“.

Damit waren alle Dämme gebrochen. Der CDU-Vorsitzende Friedrich Merz schwadronierte in AfD-Manier von 300.000 Asylbewerbern, die sich auf Staatskosten die Zähne neu machen ließen, während deutsche Bürger keine Termine kriegten. CSU-Chef Markus Söder, der sich um eine weitere Amtszeit als bayrischer Ministerpräsident bemüht, warnte vor der „völligen Überforderung des Landes“ und forderte eine Obergrenze von maximal 200.000 Migranten pro Jahr.

Die Spitzenkandidatin der hessischen SPD, Nancy Faeser, die weiterhin ihr Amt als Bundesinnenministerin ausübt, profilierte sich auch in der Praxis als Hardlinerin. Sie zählt zu den treibenden Kräften des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems (GEAS) und der damit verbundenen Krisenverordnung, der sie mithilfe eines Machtworts von Bundeskanzler Olaf Scholz zum Durchbruch verhalf. Der „Versorgungsstandard“ von Flüchtlingen kann damit gesenkt und sie können monatelang in gefängnisähnlichen Lagern festgehalten werden.

Auch die Grünen und die Linkspartei schlossen sich der Kampagne an. Selbst die konservative F.A.Z., die nicht unbedingt zu den Freunden der Grünen zählt, freute sich: „Die Grünen sind für beschleunigte Asylverfahren; grüne Kommunalpolitiker wenden sich mittlerweile gegen den Bau neuer Erstaufnahmeeinrichtungen. Vielleicht stehen die Grünen also vor einem Häutungsprozess wie 1999, als es um den Kosovo-Einsatz ging.“

Thüringens Linksparteichef Bodo Ramelow klagte in der Rheinischen Post, dass sein Land und die Kommunen „am Limit“ seien. Sein Innenminister Georg Maier (SPD) erklärte Flüchtende zu einer Waffe Russlands im Ukrainekrieg: „Hinter den wachsenden Migrationszahlen über Osteuropa steht eine gezielte Kampagne von Russland und Belarus“, sagte er den Zeitungen der Funke Mediengruppe. „Die Autokraten in Moskau und Minsk wollen Deutschland destabilisieren – und sie nutzen dafür auch Migration als Druckmittel.“

Die Talkshows des öffentlichen Fernsehens (Maischberger, Lanz, Anne Will, etc.), in denen die immer selben Politiker und Journalisten die öffentliche Meinung weichkneten, konzentrierten sich wochenlang auf das Thema. Der Spiegel widmete der Asylpolitik eine Titelgeschichte mit einem Cover, dass sich an eine antisemitische Karikatur aus dem Wien von 1901 anlehnt.

Die Demagogie und die Lügen, mit denen die Kampagne betrieben wird, lassen sich kaum überbieten. So werden ständig die finanzielle Überlastung der Kommunen und die Toleranzgrenze der Bevölkerung beschworen, die durch den Ansturm von Flüchtlingen überfordert werde. Doch die Finanzprobleme der Kommunen sind keine Folge der Flüchtlingskrise, sondern der Sparpolitik aufeinanderfolgender Bundesregierungen, die die Kommunen weißgeblutet und zum Zerfall von Schulen, Kitas, Kliniken und öffentlicher Infrastruktur geführt hat.

Die Zahl der Asylanträge ist zwar in den ersten acht Monaten dieses Jahres mit 204.000 gegenüber dem Vorjahr gestiegen, liegt aber weit unter den 722.000 Asylanträgen im Jahr 2016. Hinzu kommen rund eine Million Flüchtlinge, die seit Kriegsbeginn aus der Ukraine kamen und ein automatisches Aufenthaltsrecht haben – wobei nicht bekannt ist, wie viele Deutschland inzwischen wieder verlassen haben. Sie sind ein Opfer der Außenpolitik der Bundesregierung, die jeden Verhandlungsfrieden ablehnt und den Krieg trotz hoher Opfer auf beiden Seiten mit dem Ziel weiter eskaliert, der Militärmacht Russland eine verheerende militärische Niederlage beizubringen.

Ein Bruchteil der Milliardensummen, die ausgegeben wurden, um die Banken zu „retten“, die Aktienkurse hochzutreiben und den Ukrainekrieg und die Bundeswehr hochzurüsten, würde ausreichen, die Finanznot der Kommunen zu beheben und den Flüchtlingen eine menschenwürdige Unterkunft und gesellschaftliche Integration zu ermöglichen.

Doch das will keine der großen Parteien. Sie nutzen die Flüchtlingsfrage, um die Arbeiterklasse zu spalten und den rechten Bodensatz der Gesellschaft zu mobilisieren. Solche Kampagnen gegen die Schwächsten der Gesellschaft gehören zum Standardrepertoire jeder faschistischen Bewegung.

Die Stärkung der AfD ist dabei gewollt. Die rechtsextreme Partei, die sich unter anderem aus ehemaligen CDU/CSU-Mitgliedern und Teilen des Sicherheitsapparats rekrutiert, wurde von Anfang an von oben gefördert. Der langjährige Chef des Verfassungsschutzes, Hans-Georg Maaßen, hat sie beraten und vertritt inzwischen offen AfD-Positionen. Sie wurde im Bundestag und den Ländern hofiert und mit der Leitung wichtiger Ausschüsse betraut.

Das beschwören einer „Brandmauer“ gegenüber der AfD ist nichts als Täuschung. Auf internationaler Ebene arbeiten Regierungen und Parteien längst eng mit ihren Gesinnungsgenossen, wie der italienischen Regierungschefin Giorgia Meloni, zusammen. Die Hetzkampagne gegen Flüchtlinge und die systematische Unterdrückung des Klassenkampfs durch die Gewerkschaften schafft die Voraussetzungen, unter denen die Rechtsextremen wachsen können.

In den Umfragen zur Bayern- und Hessenwahl zeichnet sich das deutlich ab. In Bayern liegt die AfD, angeführt von zwei engen Vertrauten des Rechtsaußen Björn Höcke, bei 14 Prozent, etwa gleichauf mit den ebenfalls weit rechtsstehenden Freien Wählern und den Grünen. Das sind vier Prozent mehr als bei der letzten Wahl vor fünf Jahren. Die CSU, die seit 1957 den bayrischen Ministerpräsidenten stellt, liegt an der Spitze und kann voraussichtlich die Koalition mit den Freien Wählern fortsetzen. Die Ampelparteien SPD, Grüne und FDP, die zusammen die Bundesregierung stellen, kommen dagegen zusammen auf weniger als 30 Prozent.

In Hessen ist es ähnlich. Der AfD werden 17 Prozent vorausgesagt, 4 Prozent mehr als vor fünf und 13 Prozent mehr als vor zehn Jahren. CDU-Ministerpräsident Boris Rhein wird voraussichtlich weiter regieren können, wie bisher mit den Grünen oder mit der SPD. Auch eine Koalition mit der AfD wäre möglich.

Dramatisch ist der Zuwachs der AfD in Ostdeutschland, wo 2024 in Thüringen, Sachsen und Brandenburg gewählt wird. In allen drei Ländern ist die AfD in den Umfragen mit rund 33 Prozent stärkste Partei, in Thüringen und Brandenburg mit großem Vorsprung vor allen anderen Parteien, in Sachsen knapp vor der CDU.

Die Gefahr, die vom Anwachsen dieser faschistischen Partei ausgeht, ist in Deutschland mit seiner Nazi-Vergangenheit unleugbar. Sie kann nur durch eine Bewegung der Arbeiterklasse überwunden werden, die mit allen etablierten Parteien bricht und den Kampf gegen Faschismus mit dem Kampf gegen Krieg und Kapitalismus verbindet. Dafür tritt die Sozialistische Gleichheitspartei ein.

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