UN warnt angesichts „humanitärer Katastrophe in Gaza“, Israel will Angriffe fortsetzen

Palästinenser bei der Bestattung von Menschen, die durch israelische Bombardements getötet und aus dem Shifa-Krankenhaus gebracht wurden, in einem Massengrab in der Stadt Khan Younis im südlichen Gazastreifen, 22. November 2023 (AP Photo/Mohammed Dahman) [AP Photo/Mohammed Dahman]

„Die humanitäre Katastrophe in Gaza wird von Tag zu Tag schlimmer“, sagte UN-Generalsekretär António Guterres am Montag. Die belagerte Enklave mit 2,2 Millionen Einwohnern ist weiterhin von Strom, Lebensmitteln und Wasser abgeschnitten. Israel nutzt eine viertägige Feuerpause - die Berichten zufolge um zwei weitere Tage verlängert wird - um einen noch rücksichtsloseren Angriff auf den südlichen Gazastreifen vorzubereiten.

„Sie haben ein paar Tage Zeit. Wenn wir den Kampf wieder aufnehmen, werden wir die gleiche Kraft und mehr einsetzen ... und wir werden im gesamten Gebiet [des Gazastreifens] kämpfen', sagte der israelische Verteidigungsminister Yoav Gallant laut CNN am Montag vor Soldaten.

Am Montag meldete das Medienbüro der Regierung von Gaza, dass die Zahl der Todesopfer auf 15.000 angestiegen ist. Während der Angriffspause konnte viele Leichen geborgen werden, die unter Trümmern begraben lagen. Unter den Todesopfern sind 6.160 Kinder und 4.000 Frauen. Weitere 33.000 Menschen sind verletzt. Darüber hinaus werden noch immer 7.000 Menschen vermisst, die höchstwahrscheinlich in eingestürzten Gebäuden begraben sind, darunter 4.700 Kinder. Rechnet man zu den Toten noch die Vermissten hinzu, steigt die Zahl der Todesopfer auf 22.000, darunter 10.860 Kinder.

Das Medienbüro der Regierung von Gaza berichtete, dass seit Beginn der israelischen Offensive 207 Ärzte, Pflegekräfte und anderes medizinisches Personal getötet wurden. In der gleichen Zeit wurden siebzig Journalisten getötet und 266 Schulen zerstört, von denen nun 67 vollständig außer Betrieb sind.

Obstverkauf in Gaza-Stadt am vierten Tag der vorübergehenden Waffenruhe zwischen der Hamas und Israel, 27. November 2023 [AP Photo/Mohammed Hajjar]

Die Vereinten Nationen stellen fest, dass nach Schätzungen mehr als 1,8 Millionen Menschen im Gazastreifen, d. h. fast 80 Prozent der Bevölkerung, Binnenflüchtlinge sind. In einem Bericht von der Hilfsorganisation Shelter Cluster heißt es, dass im gesamten Gazastreifen über 234.000 Wohneinheiten beschädigt und mehr als 46.000 Häuser vollständig zerstört wurden, was über 60 Prozent des gesamten Wohnungsbestands entspricht. Und weiter: „Eine Waffenruhe von ein paar Tagen reicht nicht aus, um die katastrophalen Auswirkungen der Angriffe auf Wohnhäuser und die zivile Infrastruktur in Gaza zu bewältigen. Der Verlust von Menschenleben und die Zerstörung von Eigentum sind verheerend. Wohnviertel, Wohnungen und die zivile Infrastruktur müssen geschützt werden.“

Der Bericht stellt fest: „In Gaza-Stadt und im nördlichen Gazastreifen wurden durch die umfangreichen Bombardierungen mehr als 50 Prozent aller Gebäude beschädigt, außerdem wurden Straßen und wichtige Infrastrukturen wie Strom- und Verteilungsnetze sowie Wasserspeicher, Leitungen, Versorgungsnetze und Abwasserkanäle stark beschädigt. Die kumulative Wirkung der Streiks verhindert den Zugang zu funktionalen Diensten und Infrastrukturen, was die Fähigkeit, die Grundbedürfnisse des Lebens zu erfüllen, stark beeinträchtigt.“

Die israelische Regierung verschärft jedoch ihre Rhetorik zur Rechtfertigung des Völkermords noch. Am Montag empfing der israelische Premierminister Benjamin Netanjahu Elon Musk, den reichsten Mann der Welt und notorischen Verfechter von Rassismus und Antisemitismus. Musk unterstützt den Angriff auf die Palästinenser.

„Wir haben keine andere Wahl als diejenigen zu töten, die darauf bestehen, Zivilisten zu ermorden. Wir haben keine andere Wahl. Sie werden ihre Meinung nicht ändern“, sagte Musk während seines Besuchs.

Der Besuch von Musk wurde auch in Israel auf breiter Front verurteilt. „Elon Musk sollte in Israel eine Persona non grata sein“, schreibt Esther Solomon, Chefredakteurin der israelischen Zeitung Haaretz. „Stattdessen schenkt ihm Netanjahu - der neue Tiefen amoralischer Kriecherei auslotet - einen PR-Besuch in den von der Hamas verwüsteten Kibbuzim. Profan, käuflich, gallig, alle beide.“

Im Vorfeld des Besuchs unterstützte Musk öffentlich einen Beitrag auf Twitter/X, in dem die These vom „großen Austausch“ vertreten wurde. In dem Tweet heißt es, dass die „jüdische Gemeinschaft genau die Art von dialektischem Hass gegen Weiße schüren, von dem sie angeblich selbst nicht länger betroffen sein wollen“.

Die „Waffenruhe“ gilt nur für Gaza. Im Westjordanland setzen das israelische Militär und rechtsextreme Siedler ihre Angriffe auf Palästinenser fort. Seit dem 7. Oktober wurden im Westjordanland rund 231 Palästinenser, darunter 59 Kinder, getötet. Der Sprecher des palästinensischen Gesundheitsministeriums, Ashraf Al-Qudra, erklärt in einem Interview mit Al Jazeera, dass bei den israelischen Angriffen auf den Gazastreifen mehr als 60 Krankenwagen und 160 Gesundheitseinrichtungen zerstört wurden. „Wir wurden von den israelischen Streitkräften direkt ins Visier genommen. Sie haben am ersten Tag der Aggression das Gesundheitssystem lahmgelegt, indem sie die medizinische Versorgung, den Treibstoff und den Strom abgestellt haben“, sagte er.

Die US-Regierung von Präsident Biden bereitet sich unterdessen auf die politischen Folgen eines forgesetzten israelischen Angriffs auf den Gazastreifen vor. In einem Artikel mit der Überschrift „White House Grapples with Internal Divisions on Israel-Gaza“ (Weißes Haus kämpft mit internen Meinungsverschiedenheiten über Israel-Gaza) schließt die Washington Post mit dem folgenden unverblümten Eingeständnis: „Dennoch befinden sich Bidens Vertreter in einer zunehmend ärgerlichen Zwickmühle. ‚Das Problem, das sie haben und das sie vom ersten Tag an hatten, ist, dass die Israelis keine Strategie haben, um nämlich das zu tun, was sie tun wollen, ohne gleichzeitig viele Palästinenser zu verletzen, zu töten und aus dem Gazastreifen zu vertreiben‘, sagte ein externer Berater. ‚Sie müssen in den Süden gehen und das Gleiche tun. Ich weiß nicht, wie man das mit mehr als 2 Millionen Menschen im Süden machen kann‘.“

Natürlich ist dies nur unter dem Gesichtspunkt der Öffentlichkeitsarbeit ein „Problem“. Israelische Offizielle haben deutlich gemacht, dass sie die Bevölkerung des Gazastreifens töten oder aus ihrem Land vertreiben wollen. Das Weiße Haus hat dabei wiederholt klar zu erkennen gegeben, dass es keine „roten Linien“ gibt in Bezug auf die Zahl der Zivilisten, die das israelische Militär massakrieren darf.

Loading