Rauswurf der Unipräsidentin Liz Magill in Pennsylvania: Ein neues Stadium der Hexenjagd

Liz Magill, Präsidentin der Universität Pennsylvania (UPenn), soll „freiwillig ihren Rücktritt angeboten“ haben. Das gab am Samstag Scott L. Bok, der Vorsitzende des Kuratoriums, in einem offiziellen Beitrag bekannt. Kurze Zeit später kündigte Bok an, er selbst werde in ähnlicher Weise aus der Verwaltung der UPenn zurücktreten.

Diesen Rücktritten ging eine Anhörung vor dem Ausschuss für Bildung und Arbeitskräfte des US-Repräsentantenhauses am letzten Dienstag voraus, an dem drei Universitäts-Präsidentinnen teilnahmen. Neben Magill waren es die Präsidentin der Universität Harvard, Claudine Gay, und die Präsidentin des Massachusetts Institute of Technology (MIT), Sally Kornbluth.

Vorgeblich ging es bei der Anhörung um eine laufende Untersuchung der Biden-Regierung auf Bundesebene in über 70 amerikanischen Universitäten wegen angeblicher Verstöße gegen Titel VI des Civil Rights Act von 1964, der Diskriminierung aufgrund „gemeinsamer Abstammung“ verhindert. Nach Angaben des US-Bildungsministeriums (DOE) zielte die Untersuchung darauf ab, „durch aggressive Maßnahmen den alarmierenden landesweiten Anstieg von Berichten über Antisemitismus, Antiislamismus, Araberfeindlichkeit und andere Formen von Diskriminierung und Belästigung an Colleges und Schulen seit Beginn des Konflikts zwischen Israel und der Hamas am 7. Oktober zu bekämpfen“.

In Wirklichkeit ging es bei der Anhörung des Ausschusses nur um eine Hexenjagd auf die Universitätspräsidenen, die jüdische Studenten nicht ausreichend gegen den angeblich allgegenwärtigen Antisemitismus geschützt haben sollen.

Die Präsidentin von Harvard, Claudine Gay (links), und die Präsidentin der University of Pennsylvania, Liz Magill, bei der Anhörung vor dem Bildungsausschuss des Repräsentantenhauses auf dem Capitol Hill, Washington, 5. Dezember 2023 [AP Photo/Mark Schiefelbein]

Schon im Herbst hatten wichtige Sponsoren der Universität Magill attackiert, weil sie ihrer Meinung nach nicht aggressiv genug gegen pro-palästinensische Äußerungen und Versammlungen vorgegangen war. Mitte Oktober hatte der Milliardär Marc Rowan, der im Vorstand der Wharton Business School der UPenn sitzt, Magill vorgeworfen, sie habe eine Konferenz über palästinensische Literatur nicht abgesagt, und er forderte die Spender der Universität auf, ihre Geldmittel zurückzuziehen. Auch der Milliardär Ronald S. Lauder und der milliardenschwere Hedgefonds-Manager Ross L. Stevens haben solche Aufrufe unterstützt.

Am Dienstag fand dann die Anhörung mit dem Titel „Holding Campus Leaders Accountable and Confronting Antisemitism” (Hochschulleiter zur Rechenschaft ziehen und Antisemitismus entgegentreten) statt. Dabei wurde massiv politischer Druck auf Magill auf einer Grundlage ausgeübt, die nur als Travestie bezeichnet werden kann.

Die republikanische Kongressabgeordneten Elise Stefanik, die die Anhörung leitete, ist eine faschistische Trump-Anhängerin aus dem 21. Kongressbezirk von New York. Während der Anhörung konzentrierte sie ihre Argumente auf die falsche Gleichsetzung des Begriffs „Intifada“ mit einem „Aufruf zum Völkermord an den Juden“. Sie forderte die Universitätspräsidentinnen mehrfach auf, sie sollten klar sagen, ob Aufrufe zum Völkermord gegen die Richtlinien ihrer Institutionen verstießen, oder nicht.

Die Behauptung, die Verwendung des Worts „Intifada“ käme einem Aufruf zur Ausrottung der Juden gleich, ist ebenso unsinnig, wie die Gleichsetzung von Widerstand gegen den Zionismus mit Antisemitismus. Das arabische Wort „Intifada“ lässt sich wörtlich als „Aufstand“ oder „Abschütteln“ übersetzen. Es wird mit dem Widerstand der Bevölkerung gegen die Vorherrschaft Israels, des wichtigsten strategischen Verbündeten der USA im Nahen Osten, über Palästina assoziiert.

Die Behauptungen der kapitalistischen Politiker in Washington und der Mainstream-Medien, die amerikanischen Hochschulen würden von einer Welle des Antisemitismus überrollt, sind völlig falsch. Es handelt sich um eine Verleumdung, die aus der Angst und dem Schock der herrschenden Elite heraus entstanden ist, dass sie nun mit einer massiven Opposition konfrontiert ist, die den Völkermord ablehnt, den Israel mit Unterstützung und Beteiligung der USA verübt.

Die Palästinenser in Amerika sind diejenigen, die in den zwei Monaten seit Beginn des Kriegs im Gazastreifen Opfer von Gewalt wurden. Letzten Monat wurden in Burlington (Vermont) drei palästinensische Studenten auf der Straße niedergeschossen. Der Täter vertrat rechtsextreme Ansichten und war in den sozialen Netzwerken als Impfgegner und durch LGBTQ-feindliche Äußerungen aufgefallen, die allgemein von der faschistischen Rechten propagiert werden. Mitte Oktober wurde ein sechsjähriger palästinensischer Junge in einem Vorort von Chicago von seinem Vermieter bei einem rassistisch motivierten Mordfall erstochen.

Die unwahre Behauptung, dass hunderttausende Demonstranten in den USA, Großbritannien und der ganzen Welt antisemitisch seien, weil sie den israelischen Völkermord ablehnen, war der wichtigste Mechanismus, mit dem die herrschende Kapitalistenklasse versucht hat, jeglichen Widerstand gegen den Angriff auf die palästinensische Bevölkerung in Gaza zu ersticken. In den letzten zwei Monaten wurden fast 20.000 Palästinenser getötet.

Nach Magills Rücktritt am Samstag forcierten die Republikaner und ihre demokratischen Verbündeten im Repräsentantenhaus die Hexenjagd. Elise Stefanik höhnte: „Eine ist weg. Jetzt noch zwei. Das ist erst der Anfang der Auseinandersetzung mit der allgegenwärtigen Fäulnis des Antisemitismus, welche die ,renommiertesten‘ Hochschuleinrichtungen in Amerika zerstört hat. Dieser erzwungene Rücktritt der Präsidentin [der UPenn] ist das absolute Minimum dessen, was erforderlich ist.“

Ein Brief, der von 74 republikanischen Kongressabgeordneten verfasst und unterzeichnet und an die Vorstände von Harvard, UPenn und MIT adressiert war, schloss sich Stefaniks Linie an: „Die Präsidentinnen Gay (Harvard), Kornbluth (MIT) und Magill (UPenn) wichen der Frage aus, ob ein Aufruf zum Völkermord an den Juden gegen die Richtlinien der Universität zum Thema Mobbing oder Belästigung verstößt, reagierten ablehnend und verurteilten derartige Aktionen nicht einfach. Es hätte leicht sein müssen, darauf mit einem klaren ,Ja‘ zu antworten.“ Gay und Kornbluth wurden kritisiert und ihre Absetzung gefordert.

Mächtige Teile des Establishments der Demokraten haben sich hinter die von den Republikanern angeführte Hexenjagd auf die Universitätspräsidentinnen gestellt. Am Samstag unterstützte die demokratische Gouverneurin von New York, Kathy Hochul, in ihrer veröffentlichten Stellungnahme zur Anhörung am Dienstag faktisch die Rücktritte. In ihrem Brief drohte Hochul allen akademischen Institutionen im Bundesstaat mit „aggressiver Durchsetzung“ sowie mit Entzug der Finanzierung, wenn sie sich nicht an die Title VI-Gesetze hielten.

Der demokratische Abgeordnete von New Jersey, Donald Norcross, ein Mitglied des Ausschusses für Bildung und Arbeitskräfte des Repräsentantenhauses, postete auf X/Twitter über Magills Rücktritt: „Nach unserer jüngsten Anhörung im Ausschuss für Bildung und Arbeitskräfte war klar, dass ein Führungswechsel notwendig war.“

Elise Stefaniks, die die Anhörung am Dienstag leitete, inszenierte sich als Tribun gegen Antisemitismus, doch ihr eigener politischer Werdegang zeigt, wie absurd das alles ist. In ihrer jüngeren Vergangenheit hatte sie sich bösartig über Immigranten geäußert und Bidens Wahlsieg 2020 heftig geleugnet. In ihrer Wiederwahlkampagne 2022 nahm sie Themen der rassistischen, fremdenfeindlichen und antisemitischen „Great Replacement“-Theorie (Großer Austausch) auf. Nur sechs Monate zuvor hatte der Neonazi Peyton Gendron in Buffalo (New York) zehn Menschen in einem Supermarkt in einem überwiegend afroamerikanischen Stadtviertel erschossen. Gendron hatte vor seinem Amoklauf ein umfangreiches Dokument veröffentlicht, das auf der Theorie des „Great Replacement“ basiert.

Der Brief vom 8. Dezember, der von 74 Republikanern unterzeichnet wurde, bezieht sich auf den Bericht der Anti-Defamation League (ADL), wonach es in den letzten zwölf Monaten 1.481 antisemitische Vorfälle gegeben habe, was einem Anstieg von 300 Prozent entspricht. 292 davon hätten sich an Universitäten ereignet. Der Brief erwähnt jedoch nicht, dass der Bericht der ADL von Angang des Jahres feststellte, dass alle extremistischen Gewalttaten im Jahr 2022 auf rechtsextreme, immigrantenfeindliche, rassistische und neonazistische Ideologien zurückgegangen sind. Während die ADL über diesen Zusammenhang diskret schweigt, wurden und werden solche Stimmungen direkt von den Republikanern, und vor allem ihrem faschistischen Führer Donald Trump, geschürt.

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