Gaza-Proteste in den USA: University of California geht gegen Solidaritätsstreik akademischer Beschäftigter vor

Protestcamp gegen den Völkermord Israels in Gaza an der UC Irvine am 15. Mai 2024

Die University of California (UC) hat eine einstweilige Verfügung beantragt, um einen Streik der akademischen Mitarbeiter zu verbieten. Die Beschäftigten haben die Arbeit niedergelegt, um gegen die polizeiliche Unterdrückung der Campus-Proteste gegen den Völkermord in Gaza zu protestieren. Am Montag traten 2.000 Beschäftigte der University of California in Santa Cruz in den Streik, doch die Gewerkschaft United Auto Workers (UAW) hat ihre 46.000 Mitglieder an den anderen neun Universitäten, die dem Netzwerk der UC angegliedert sind, weiterarbeiten lassen.

In einer Pressemitteilung erklärte die UC in extrem autoritärer Wortwahl, der Streik sei illegal, weil „sein Ziel darin besteht, die Universität dahingehend unter Druck zu setzen, dass sie einer Reihe von politisch motivierten Forderungen nachgibt, die eng mit den Protesten in ganz Kalifornien und dem Rest des Landes verbunden sind“.

Wie zum Hohn heißt es am Schluss der Pressemitteilung: „Die Universität hat rechtmäßige Proteste im Zusammenhang mit dem Nahostkonflikt zugelassen – und wird sie auch weiterhin zulassen.“ Tatsächlich wurden in ganz Kalifornien und den USA Studierende verprügelt und verhaftet. Erst letzte Woche hat die Polizei ein Protestcamp am Standort der UC in Irvine nahe Los Angeles gewaltsam geräumt, als die Urabstimmung der akademischen Beschäftigten gerade zu Ende ging.

Das Vorgehen der Universität bedeutet eine enorme Verschärfung der Angriffe auf die Meinungsfreiheit, einschließlich des Rechts, gegen einen Völkermord zu protestieren. Dieses Recht wurde de facto bereits durch die wochenlangen Polizeirazzien, bei denen in den USA mehr als 3.000 Personen verhaftet wurden, mit Füßen getreten. Die jetzt beantragte Verfügung läuft jedoch auf die Forderung hinaus, dass alle Streiks mit politischem Charakter in den USA verboten werden sollen.

Tatsächlich hat die herrschende Klasse in den USA mit dem Taft Hartley Act von 1947, der allgemein als „Sklavenarbeitsgesetz“ verurteilt wurde, schon vor langer Zeit ein gesetzliches Verbot von politischen Streiks erlassen. Doch die Behauptung, dass der Streik an der UC illegal sei, ist faktisch absurd.

Eine Beschwerde wegen unangemessener Arbeitskampfmaßnahmen, die am Freitag beim State Labor Relations Board, das als Schlichtungsstelle agiert, eingereicht wurde, bediente sich einer ähnlichen Ausdrucksweise. In der Beschwerde wird gewarnt: „Würde man [der] UAW erlauben, sich über Streikverbotsklauseln hinwegzusetzen, wären die Universität sowie allen anderen öffentlichen Einrichtungen in Kalifornien – gerade im gegenwärtigen Klima – ständig mit Streiks für politische und/oder soziale Fragen konfrontiert.“

Mit anderen Worten: es soll ein Präzedenzfall geschaffen werden, um Arbeiter und Jugendliche nicht nur daran zu hindern, von ihrem Recht auf freie Meinungsäußerung Gebrauch zu machen, sondern ihnen auch aktiven Widerstand zu verbieten, wenn ihre Rechte verletzt werden. Die einzige Art von politischer Betätigung, die für die herrschende Klasse akzeptabel ist, besteht darin, dass Arbeiter bei den nächsten Wahlen einer der beiden offiziellen Parteien, die beide für Kriege trommeln, ihre Stimme geben. Und sogar dieses Recht ist in Gefahr, wie der versuchte Putsch von Ex-Präsident Trump vom 6. Januar 2021 gezeigt hat.

Jene politischen Kräfte, die die Opposition kriminalisieren wollen, sind selbst Kriminelle. Während die UC ihren Antrag auf einstweilige Verfügung einreichte, beantragten Anwälte des Internationalen Strafgerichtshofs gleichzeitig Haftbefehle gegen den israelischen Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu und andere Vertreter seiner Regierung wegen Völkermords.

Dies würde die Biden-Regierung, das gesamte politische Establishment und die Universitätsverwaltungen zu Mitverschwörern machen, die selbst nicht auf der Anklagebank sitzen. Die unwiderlegbare juristische Anklage gegen die israelische Regierung entlarvt auch die absurde Verleumdung, die Proteste seien antisemitisch motiviert.

Das politische Establishment der USA reagierte auf die drohenden Haftbefehle des Internationalen Strafgerichtshofs mit hysterischen Angriffen. Zudem weigern sich die USA seit langem, die Autorität des Gerichtshofs anzuerkennen. Im Jahr 2002 verabschiedete der Kongress sogar ein Gesetz, das es dem Präsidenten erlaubt, amerikanische Kriegsverbrecher vor juristischer Verfolgung in Den Haag zu schützen. Während der US-Imperialismus jede Einschränkung seiner eigenen kriminellen Aktivitäten zurückweist, fordert er von den Arbeitern, dass sie das „Recht“ kapitalistischer Gerichte, Streiks zu verbieten, als unantastbar akzeptieren.

Gewerkschaftsbürokraten als Polizisten

Die Isolierung des Streiks durch die UAW-Bürokratie sorgt für Bedingungen, die der herrschenden Klasse bei dem Versuch, den Streik zu verbieten, nützlich sind. Sollten sich die Herrschenden damit durchsetzen, wäre dies ein Ergebnis, dass die Gewerkschaftsbürokraten begrüßen würden. Sie stehen voll hinter Biden und haben dieses Jahr bereits Demonstranten von ihrer eigenen Konferenz zum Thema „politische Aktionen“ ausgeschlossen.

Der begrenzte Streik an der UC folgt dem Muster des so genannten „Stand-up“-Streiks, mit dem letztes Jahr den Autoarbeitern ein Ausverkauf aufgezwungen wurde, der seitdem benutzt wurde, um in der Autoindustrie Tausende zu entlassen. Letzte Woche beendete die UAW auch einen Streik von akademischen Mitarbeitern der University of Washington (UW) bereits nach wenigen Stunden. Ganz eindeutig wollten sie verhindern, dass Arbeiter der Western Washington University und der UW gemeinsam auf Streikposten stehen, während die Bürokraten bemüht sind, eine Ausbreitung des politischen Streiks an der UC zu verhindern.

Der UAW-Ortsverband 4811, der für die Beschäftigten an der UC zuständig ist, reagierte auf die einstweilige Verfügung mit einer Erklärung, in die UAW behauptete: „Weitere Universitäten bereiten Streiks vor.“ Statt jedoch eine Ausweitung des Streiks auf weitere Universitäten anzukündigen, richtet die Erklärung die Bitte an die Verwaltung, dass diese „in gutem Glauben“ verhandeln möge. Der Präsident des Ortsverbands 4811, Rafael Jaime, erklärte: „Wir sind offen dafür, mit der UC über eine Lösung in Bezug auf diese unangemessenen Arbeitskampfpraktiken zu verhandeln... Wir sind enttäuscht, dass sich die UC geweigert hat, sich am Schlichtungsprozess [des California Public Employment Relations Board] zu beteiligen.“

Am Ende der Erklärung heißt es, wenn die Universität auf die „Bereitschaft [der UAW] zu Verhandlungen über eine Lösung dieser Situation“ nicht eingehe, werde „der Vorstand unserer Gewerkschaft die nächsten Stand-up-Streiks an Universitäten spätestens am Freitag ankündigen.“ Bis dahin könnte ein Gericht den Streik jedoch bereits für illegal erklärt haben.

Gleichzeitig käme jeder Deal, durch den der Streik im Rahmen irgendeiner Form von Einigung mit der Verwaltung der UC beendet würde, praktisch einer einstweiligen Verfügung gleich, durchgesetzt von einer Bürokratie, die als verlängerter Arm der Regierung und der Polizei agiert. Im Rahmen der angestrebten Vereinbarung wurde nicht einmal die Forderung nach dem Abzug der Polizei von den Universitäten erhoben. Mit anderen Worten: nicht nur der Völkermord, sondern auch die Besetzung der Universitäten durch die Polizei würden weitergehen.

Es ist dringend notwendig, dass die Arbeiterklasse in den USA und der ganzen Welt zur Verteidigung des Streiks mobilisiert wird. Der Streik muss sofort auf alle Standorte der UC sowie die gesamte UAW-Mitgliedschaft ausgeweitet werden.

Auch Beschäftigte der Logistikbranche und anderer Schlüsselbranchen müssen Aktionen zur Unterstützung des Streiks vorbereiten. Eine einstweilige Verfügung gegen den Streik der UC würde sich an das Streikverbot des Kongresses gegen die Eisenbahner im Jahr 2022 anschließen. Diese hatten einen Deal mit enormen Zugeständnissen abgelehnt, der zwischen dem Weißen Haus und den Eisenbahngewerkschaften ausgehandelt worden war.

Die akademischen Beschäftigten dürfen jedoch nicht erst eine offizielle „Erlaubnis“ abwarten. Sie müssen den Streik, für den sie bereits letzte Woche mit überwältigender Mehrheit abgestimmt haben, schon jetzt massiv auszuweiten. Die Bürokraten werden das niemals tun. Die Beschäftigten müssen jetzt handeln und Streikkomitees gründen, um ihren demokratischen Willen durchzusetzen.

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