Die herrschende Klasse treibt die militärische Aufrüstung und Kriegsvorbereitung Deutschlands im Bundestagswahlkampf systematisch voran. Am 11. Januar verkündete die Bundeswehr die Aufstellung einer neuen Heimatschutzdivision. Laut einem Sprecher des Heeres wird sie aus Reservisten und aktiven Soldaten bestehen. Sie soll einer einheitlichen Führung unterstellt und am 1. April 2025 aktiv werden.
Die Aufstellung der neuen Division zielt auf eine massive Vergrößerung der Streitkräfte. Aktuell besteht das Heer aus drei Divisionen mit jeweils rund 20.000 Soldaten. Für den Heimatschutz kommt nun der vierte Großverband hinzu. Er soll zunächst 6.000 Soldaten umfassen, aber schrittweise mindestens auf eine hohe fünfstellige Zahl erhöht werden.
In der Division werden die bereits bestehenden Heimatschutzregimenter und Kompanien zusammengefasst. Bereits 2021 wurde in Bayern das Heimatschutzregiment 1 aufgestellt, 2022 das Heimatschutzregiment 2 in Nordrhein-Westfalen, 2023 das Heimatschutzregiment 3 in Niedersachsen und 2024 das Heimatschutzregiment 4 mit Kompanien aus Hamburg, Mecklenburg-Vorpommern und Schleswig-Holstein und das Heimatschutzregiment 5 in Hessen. Die Aufstellung weiterer Regimenter wird aktuell vorbereitet, darunter das Heimatschutzregiment 6 in Berlin.
Die Schaffung der neuen Division ist Bestandteil der Strukturreform der Bundeswehr, die Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) im vergangenen April auf den Weg brachte. Unter dem Schlagwort „Bundeswehr der Zukunft“ zielt sie darauf ab, Deutschland nach zwei verheerenden Weltkriegsniederlagen wieder mit einer veritablen Kriegsarmee auszustatten, die entsprechend aufgestellt ist und geführt wird.
„Die neue Zielstruktur der Streitkräfte“ sei „gegenüber dem Status quo deutlich weniger kopflastig und klar auf die Operationsplanung und -führung im Ernstfall ausgerichtet“, heißt es in der vor einem Jahr verabschiedeten Reform. Ziel seien „die Etablierung einer kriegstüchtigen Führung aus einer Hand und die Schaffung der Voraussetzungen für eine konsequente Stärkung der Truppe“.
Und über die Neuaufstellung und Restrukturierung der Heimatschutzkräfte heißt es: „Die Heimatschutzkräfte werden nach dem Prinzip ‚organize as you fight‘ nach vollständiger Aufstellung in den Bereich des Heeres verlagert, denn im Ernstfall erfolgt ihr Einsatz in der Dimension Land. Den Heimatschutzkräften folgt die Aufgabe der Koordinierung der Personalgewinnung und Ausbildung von Reservistinnen und Reservisten.“
Das ist unmissverständlich. Im Zuge des von Pistorius und der gesamten herrschenden Klasse angestrebten Ziels, Deutschland wieder „kriegstüchtig“ zu machen, werden alle militärischen und zivilen Organisationsbereiche direkt auf die Maxime „organize as you fight“ (organisiere dich für den Kampf) ausgerichtet und sollen massiv wachsen. Bereits im April 2021 führte die damalige Große Koalition den sogenannten „Freiwilligen Wehrdienst im Heimatschutz“ ein. Aktuell arbeitet das Verteidigungsministerium an der Wiedereinführung der Wehrpflicht.
In einem umfassenden Krieg gegen Russland, den die Nato-Mächte aktiv vorbereiten und durch die ständige Eskalation des Ukrainekriegs provozieren, würde die Heimatschutzdivision eine zentrale Rolle spielen. Laut einem Bericht des Bundeswehrverbands sollen die Heimatschutzkräfte im Kriegsfall „Häfen, Bahnanlagen und Güterumschlagplätze schützen, auch Pipelines, Straßen für den Truppenaufmarsch, Brücken, Verkehrsknotenpunkte und digitale Infrastruktur“. Sie sollen „damit auch die Rolle Deutschlands als Operationsbasis und Drehscheibe der Nato absichern“.
Wie konkret an diesen Plänen gearbeitet wird, unterstreicht der geheime, mehr als 1000 Seiten umfassende „Operationsplan Deutschland“ (OPLAN DEU), der seit März 2023 vom Territorialen Führungskommandos der Bundeswehr ausgearbeitet und laufend aktualisiert wird. Der OPLAN ist eine Blaupause für die totale Kriegsmobilisierung der Gesellschaft. In einer von der Bundeswehr veröffentlichten Überblicksbroschüre heißt es über die Ziele des Plans:
Er führt die zentralen militärischen Anteile der Landes- und Bündnisverteidigung in Deutschland mit den dafür erforderlichen zivilen Unterstützungsleistungen in einem operativ ausführbaren Plan zusammen. Er trifft damit die planerische Vorsorge dafür, dass im Krisen- und Konfliktfall nach erfolgter politischer Entscheidung zielgerichtet ... gehandelt werden kann. In ihm werden Verfahren, Abläufe und Zuständigkeiten festgelegt, um gemeinsam mit anderen staatlichen und zivilen Akteuren Deutschland … zu schützen und zu verteidigen sowie den Aufmarsch der alliierten Streitkräfte über und durch Deutschland an die NATO-Ostflanke sicherzustellen. Das Ziel ist die schnelle Handlungsfähigkeit über alle Ressort- und Ländergrenzen hinweg.
Bereits im vergangenen Jahr wurden die Heimatschutzverbände zum ersten Mal in diesem Kontext in das NATO-Manöver Steadfast Defender eingebunden. Mit etwa 90.000 Soldaten, mehr als 50 Kriegsschiffen, darunter Flugzeugträger und Zerstörer, 80 Kampfflugzeugen, Hubschraubern und Drohnen sowie über 1.000 gepanzerten Fahrzeuge handelte es sich um das größte Militärmanöver der Nato seit Ende des Kalten Krieges. Das Manövergebiet erstreckte sich über Skandinavien und die baltischen Staaten bis nach Polen, Rumänien und Deutschland und simulierte den Kriegsaufmarsch gegen Russland. Die WSWS schrieb dazu in einem Artikel:
Es geht dabei nicht um eine reine Übung, sondern um die Eskalation des Kriegs der Nato mit Russland in der Ukraine zu einem Weltkrieg, der ganz Europa umfasst. Führende Nato-Offiziere nehmen kein Blatt vor den Mund. In Brüssel forderte der Vorsitzende des Nato-Militärausschusses, der niederländische Admiral Rob Bauer, eine „Neugestaltung der Kriegsführung der Nato“. „Es ist nicht selbstverständlich, dass wir in Frieden leben“, sagte Bauer. Im Falle eines Krieges, fügte er hinzu, „wird die gesamte Gesellschaft einbezogen, ob es uns gefällt oder nicht“.
Seitdem wird die Militarisierung der Gesellschaft immer aggressiver vorangetrieben und von der herrschenden Klasse eingefordert. Am 12. Dezember verlangte der neue Nato-Generalsekretär Mark Rutte in einer programmatischen Rede: „Es ist an der Zeit, uns auf eine Kriegsmentalität umzustellen. Und unsere Rüstungsproduktion und Verteidigungsausgaben auf Hochtouren zu bringen.“ Dabei sei klar, dass „viel mehr“ als zwei Prozent des BIP in die Verteidigung fließen müsse, was „weniger Ausgaben für andere Prioritäten“ wie „Renten, Gesundheit und Sozialversicherungssysteme“ bedeute.
Seit dem ersten Golfkrieg 1990–1991 führen die Vereinigten Staaten ununterbrochen Krieg. Gestützt auf ein marxistisches Verständnis der Widersprüche des US- und des Weltimperialismus analysiert David North die Militärinterventionen und geopolitischen Krisen der letzten 30 Jahre.
Auch im Bundestagwahlkampf überbieten sich die Parteien und Politiker mit Forderungen nach immer höheren Militärausgaben. So sprach sie der grüne Kanzlerkandidat Robert Habeck dafür aus, den regulären Militäretat auf 3,5 Prozent des BIP zu anzuheben, was einer Verdreifachung oder Erhöhung auf 150 Milliarden Euro entspricht. Die AfD Kanzlerkandidatin Alice Weidel sprach sich jüngst sogar für eine Erhöhung auf 5 Prozent des BIP aus. Das wären weit über 40 Prozent des derzeitigen Bundeshaushalts.
Pistorius stellt in einem aktuellen Interview mit der Süddeutschen Zeitung klar, dass diese größenwahnsinnigen Pläne auch von der SPD geteilt werden. „Zwei Prozent werden nicht ausreichen. Die reine Quote, ob die Verteidigungsausgaben bei zweieinhalb, dreieinhalb oder fünf Prozent – wie Donald Trump das fordert – liegen,“ sei „dabei nicht allein entscheidend“. Genauso wichtig sei, „dass wir genügend Fähigkeiten haben werden, um die Nato-Anforderungen zu erfüllen“.
Deutschland werde „einen großen Anteil zu tragen haben, und das wird viele Milliarden Euro im Jahr zusätzlich kosten“, so Pistorius weiter. „Wir werden im Zweifel eher über drei Prozent als über zwei Prozent reden müssen. Wir müssen äußere Sicherheit neu denken.“ Er spreche „daher von ‚Security Next Generation‘.“
Passender wäre: „World War Next Generation“. Auch wenn Pistorius behauptet, dass die zusätzlichen Milliarden zumindest „in den ersten Jahren nicht aus dem laufenden Haushalt“ bezahlt werden können, ist klar, dass bei den Kriegs- Aufrüstungsplänen von den demokratischen und sozialen Rechten der Arbeiter nichts übrig bleiben wird. Auch in dieser Hinsicht ist die Aufstellung der Heimatschutzdivision eine Warnung. Laut Bundeswehrverband können die „Heimatschützer“ auch „im Frieden … bei der Amtshilfe – schweren Unglücksfällen, Terrorlagen oder Pandemien – eingesetzt werden“. Das bedeutet nichts weniger als den verfassungswidrigen Einsatz der Bundeswehr im Inneren, auch zur Niederschlagung von Streiks und revolutionären Kämpfen der Arbeiterklasse.