Donald Trumps Rede zur Amtseinführung und seine anschließende Unterzeichnung von mehr als 100 Executive Orders haben alle Illusionen zerstört, er werde sich als Präsident gegenüber dem Wahlkampf mäßigen.
Trumps Amtseinführung war, wie die WSWS schrieb, „ein obszönes faschistisches Spektakel“, in dem der neue „Führer“ der Welt und der Arbeiterklasse den Krieg erklärte: „Die Rede lehnte sich in Ton und Inhalt ausdrücklich an die erste Rundfunkansprache an, die Hitler am 1. Februar 1933, zwei Tage nach seiner Ernennung zum Reichskanzler, gehalten hatte.“
Selbst einige bürgerliche Medien müssen anerkennen, dass Trumps zweite Präsidentschaft einen historischen Wendepunkt darstellt. So heißt es in einem Leitartikel des Spiegel: „Nach dieser Rede kann es keinen Zweifel geben: Wir leben in einer neuen Welt. Die internationale Ordnung, das Völkerrecht, alte Allianzen und Partnerschaften – all das zählt nicht mehr.“
Trump werde „die Stärke Amerikas dafür nutzen, anderen Ländern seinen Willen aufzuzwingen. Wer nach dieser Rede noch immer darauf hofft, Trump könnte von den moderaten Kräften innerhalb der Republikanischen Partei eingehegt werden, glaubt an den Weihnachtsmann.“
Doch welche Schlussfolgerungen ziehen die deutschen und europäischen Eliten aus dem Bankrott der amerikanischen Demokratie? Nach einem Vorschlag, die Demokratie wieder zu beleben, sucht man bei ihnen vergeblich. Dazu müssten sie an die soziale Opposition der Arbeiterklasse appellieren, und das fürchten sie, wie ihre Freunde bei den US-Demokraten, mehr als alles andere.
Stattdessen bewegen sich die europäischen Reaktionen zwischen Anpassen, Nacheifern und Vergeltung. Europa zusammenschließen, militärisch auf eigenen Beinen stehen und auf Kosten der Arbeiterklasse profitabler und wettbewerbsfähiger werden, lauten die Antworten auf Trump.
Die deutsche Außenministerin Annalena Bearbock von den Grünen erklärt: „Unsere Antwort auf ‚America first again‘ ist ‚Europa united‘.“ Ihr Parteifreund, Vizekanzler Robert Habeck, will die deutschen Rüstungsausgaben verdreifachen.
Der CDU-Vorsitzende und mögliche nächste Bundeskanzler Friedrich Merz schlägt vor, dass sich die Europäer „jetzt schnell zusammensetzen“ und über zwei Themen diskutieren: Gemeinsame militärische Aufrüstung und Stärkung Europas im Handel mit den USA. Dazu müsse Deutschland bereit sein, „für Europa eine Führungsverantwortung zu übernehmen“.
Merz betrachtet Trump sogar als „Chance“, Europa militärisch zu stärken. Trumps Amtsübernahme werde „unsere Bemühungen beschleunigen, unsere Kräfte zu bündeln und gemeinsam zu handeln“, sagt er. Es gebe keine Veranlassung, angstvoll nach Washington zu blicken. Die EU habe 450 Millionen Einwohner, mehr als die USA und Kanada zusammen. „Wenn wir geschlossen sind, wenn wir uns einig sind, dann haben wir hier etwas zu sagen.“
Ähnlich argumentiert Bundeskanzler Olaf Scholz, der auf dem Weltwirtschaftsforum in Davos erklärte: „Wir Europäer müssen aus uns selbst heraus stark sein. Wir müssen zusammenhalten, untereinander und mit Partnern weltweit. Wir müssen wettbewerbsfähiger und widerstandsfähiger werden.“ Gleichzeitig versuchte Scholz, Trump zu besänftigen: „Die Vereinigten Staaten sind unser engster Verbündeter außerhalb Europas, und ich werde alles daransetzen, dass es dabei bleibt.“
Das Ziel, Europa auf kapitalistischer Grundlage – und unter deutscher Führung – zu vereinen und zu einer mit den USA ebenbürtigen Weltmacht aufzubauen, ist reaktionär und utopisch zugleich. Die wachsenden Spannungen mit den USA lassen auch die nationalen Konflikte innerhalb Europas wieder aufbrechen, die den Kontinent zwischen 1870 und 1945 zum Schauplatz verheerender Kriege machten.
Schon jetzt sind rechtsextreme Regierungschefs, wie Ungarns Viktor Orbán und Italiens Giorgia Meloni, zur Amtseinführung nach Washington gepilgert, um Trump ihre Aufwartung zu machen, während sich Deutschland und Frankreich nur durch Botschafter vertreten ließen. Polen, die baltischen und andere osteuropäische Staaten stellen sich regelmäßig auf die Seite der USA, wenn es zu Spannungen zwischen Berlin und Washington kommt. Und Frankreich befürwortet zwar ein starkes, selbständiges Europa, aber nicht unter deutscher Führung.
Auch in Deutschland gewinnen Anhänger Trumps an Einfluss. Die rechtsextreme AfD war mit zwei Führungsmitgliedern – Tino Chrupalla und Beatrix von Storch – bei seiner Amtseinführung zugegen. Und der Herausgeber der Welt, Ulf Poschardt, behauptete am Dienstag in einem Jubelartikel auf Trump, sein „beeindruckender Wahlsieg“ bringe „den Souverän, den Bürger und seinen Wählerwillen zurück ins Weiße Haus“.
Die Europäische Kommission versucht die Gegensätze – in den Worten der Frankfurter Allgemeinen Zeitung – mit einer „Appeasement-Politik“ zu lösen. Trump solle „beschwichtigt und mit Aussicht auf vorteilhafte Deals geködert werden“. „Europa muss dem Dealmaker einen Deal anbieten, den er im Interesse der USA nicht ablehnen kann,“ fasst der EVP-Parteivorsitzende Manfred Weber diese Strategie zusammen.
Doch Deals mit Trump werden weder die Konflikte mit den USA noch die Gegensätze innerhalb Europas lösen. Diese sind ein Ergebnis des erbitterten Kampfs um die Neuaufteilung der Welt zwischen den kapitalistischen Monopolen, die die Weltwirtschaft beherrschen.
Trump kehrte nicht ins Weiße Haus zurück, weil seine „Thesen und seine Politik breite Unterstützung finden“, wie der bereits zitierte Spiegel-Leitartikel behauptet und Poschardt in der Welt unterstellt. Er ist an der Macht, weil er die Interessen der Oligarchen mit faschistischen Methoden verfolgt. Nicht weniger als fünf der zehn reichsten Männer der Welt – Elon Musk, Jeff Bezos, Mark Zuckerberg, Bernard Arnault aus Frankreich und Sergey Brin – saßen während der Amtseinführung hinter ihm.
Der Widerstand gegen Trump, der Kampf gegen Krieg und die Einigung Europas sind revolutionäre Aufgaben, die die Einheit der internationalen Arbeiterklasse und die Enteignung der Oligarchen erfordern.