Wie weiter im Kampf gegen die AfD?

Über 700.000 Menschen sind seit Freitag in über hundert deutschen Städten auf die Straße gegangen, um gegen die Zusammenarbeit der Union mit der rechtsextremen AfD im Bundestag zu protestieren. Allein in Berlin beteiligten sich am Sonntag 250.000 an einer Demonstration.

Teilnehmer der Berliner Großdemonstration am 2. Februar 2025

Die hohe Beteiligung, die die Erwartungen der Organisatoren in vielen Fällen um das Zehnfache übertraf, ist Ausdruck des weitverbreiteten Widerstands gegen die braune Pest, die in Deutschland und zahlreichen anderen Ländern um sich greift. Die Empörung richtet sich nicht nur gegen das Einreißen der sogenannten „Brandmauer“ durch die CDU, sondern vor allem gegen die rassistische Hetze, mit der Millionen Migranten und ihre Familienmitglieder ausgegrenzt, die Arbeiterklasse gespalten und das gesellschaftliche Klima vergiftet werden.

Doch so eindrucksvoll die Demonstrationen waren, sie haben den politischen Rechtsruck nicht aufgehalten, sondern diese Aufgabe nur in aller Schärfe gestellt.

Die CDU hat am Montag anschaulich demonstriert, dass sie sich weder von Massenprotesten noch durch vereinzelte kritische Stimmen in den eigenen Reihen davon abbringen lässt, die AfD zu umarmen. Auf einem Bundesparteitag in Berlin feierten die 1001 Delegierten Friedrich Merz mit frenetischem Applaus. In dem „Sofortprogramm“, das der Parteitag beschloss, finden sich auch die fünf Punkte zur Abschottungs- und Abschiebepolitik wieder, die Union und AfD am 29. Januar im Bundestag gemeinsam verabschiedet hatten.

Auch das Zustrombegrenzungsgesetz, das am Freitag im Bundestag trotz Unterstützung durch CDU, FDP, AfD und Bündnis Sahra Wagenknecht gescheitert war, weil sich zahlreiche Abgeordnete abwesend meldeten, will Merz erneut zur Abstimmung bringen.

Der Rechtsruck beschränkt sich aber nicht auf die Union, die fest entschlossen ist, auch weiterhin mit den Rechtsextremen zu kooperieren. Ein viel größeres Hindernis, die Rechtsextremen in die Schranken zu verweisen, bilden die SPD und die Grünen.

Führende Vertreter beider Parteien sind auf den Demonstrationen aufgetaucht und haben ihr Festhalten an der „Brandmauer“ gegen die AfD bekräftigt. Doch inhaltlich stimmen sie weitgehend mit den Rechtsextremen überein. Auch sie schüren Stimmung gegen Migranten und treten für eine schärfere Abschottungs- und Abschiebepolitik ein. Sie werfen der Union lediglich vor, dass sie mit der AfD zusammenarbeitet, obwohl sie dasselbe auch mit ihnen erreichen könnte.

Die Grünen haben auf die Massendemonstrationen vom Wochenende reagiert, indem sie ihren eigenen Zehn-Punkte-Plan zur Abwehr von Flüchtlingen und zur Stärkung der Sicherheitsbehörden präsentierten.

Der Kanzlerkandidat der Grünen, Robert Habeck, erklärte dazu der Bild-Zeitung: „In Deutschland ist eine breite Sicherheitsoffensive nötig. Das zeigen spätestens die furchtbaren Mordtaten von Aschaffenburg, Magdeburg, Solingen, Mannheim, aber auch andere Gewalttaten. Wir müssen die Sicherheit im Land für alle – ob mit oder ohne Migrationsgeschichte – erhöhen.“

Zu den Maßnahmen, die die Grünen vorschlagen, zählen eine „Vollstreckungsoffensive“ mit „Schwerpunkt auf Islamisten und anderen Extremisten“. „Wir dürfen nicht hinnehmen, dass in Deutschland über 170.000 Haftbefehle nicht vollstreckt wurden – davon über 14.000 wegen Gewaltdelikten,“ begründete dies Habeck.

Bundespolizei und Bundeskriminalamt sollen personell gestärkt werden und „mehr können und dürfen“. „Gefährdungspotenziale“ sollen durch medizinische Erstuntersuchungen und die Vernetzung von Bundes- und Landesbehörden früher erkannt werden. „Alle Daten zu Gefährdern müssen auf einen Klick vorliegen,“ heißt es im Grünen-Papier.

Es folgen Forderungen nach engmaschiger Überwachung und konsequenter Abschiebung „nichtdeutscher Gefährder“, „wirksamer Eindämmung irregulärer Migration an den EU-Außengrenzen“ und „drastischer Beschleunigung von Asylverfahren“. All das könnte auch die AfD unterzeichnen.

Habeck machte zudem deutlich, dass er auch nach den Massenprotesten gegen Merz zu einer Zusammenarbeit mit diesem bereit sei: „Eine solch breite Sicherheitsoffensive muss unter Demokraten verhandelt werden… Meine Hand für Gespräche war und ist ausgestreckt.“

SPD-Generalsekretär Matthias Miersch erklärte gestern, seine Partei sei bis zum Schluss bereit gewesen, noch vor der Bundestagswahl gemeinsam mit der Union ein Gesetzespaket zur Migrationsbegrenzung zu beschließen. „Wir hätten ein Paket schnüren können,“ sagte er, allerdings hätte man über massive verfassungsrechtliche Probleme in einzelnen Punkten des Pakets reden müssen.

Die SPD spielt seit Jahrzehnten eine Vorreiterrolle dabei, das Asylrecht abzuschaffen. Im Oktober 2023 hatte sich Bundeskanzler Olaf Scholz sogar mit der AfD-Parole „Wir müssen endlich in großem Stil abschieben“ auf dem Titelblatt des Spiegel abbilden lassen. Scholz‘ Ampelkoalition trug entscheidend zur Reform des „Gemeinsamen Europäischen Asylsystems“ (GEAS) bei, die ProAsyl als „historischen Tiefpunkt für den Flüchtlingsschutz in Europa“ bezeichnet.

Damit – und durch ihren systematischen Sozialabbau, der viele Verzweifelte in die Arme der Rechtsextremen trieb – hat die SPD maßgeblich zur Stärkung der AfD beigetragen, die drei Wochen vor der Bundestagswahl in den Umfragen mit gut 20 Prozent an zweiter Stelle hinter der Union legt.

Der Aufstieg der AfD, das ist offensichtlich, kann nicht durch die Unterstützung oder die Stimmabgabe für SPD oder Grüne gestoppt werden. Selbst wenn es nach der Bundestagswahl zu einer Regierungsmehrheit ohne AfD kommen sollte, würde diese deren Flüchtlings- und Sicherheitspolitik im Wesentlichen umsetzen und die Rechtsextremen damit weiter stärken.

Auch Die Linke ändert daran nichts. Der Wagenknecht-Flügel der Partei, der sich im Januar abspaltete, arbeitet inzwischen offen mit der AfD zusammen. Am Freitag stimmten sieben der zehn BSW-Abgeordneten im Bundestag gemeinsam mit AfD, CDU und FDP für das umstrittene Zustromsbegrenzungsgesetz.

Die verbliebene Linke setzt zwar seit Wagenknechts Abgang in der Flüchtlingsfrage eine etwas linkere Maske auf. Die Partei ist darauf spezialisiert, soziale und politische Opposition aufzufangen und in eine Sackgasse zu lenken. Wann immer sie Regierungsverantwortung übernimmt, erweist sie sich als treue Erfüllungsgehilfin reaktionärster Klasseninteressen. Das gilt insbesondere für die drei Parteiveteranen, die jetzt im Zentrum ihres Wahlkampfs stehen – Gregor Gysi, Dietmar Bartsch und Bodo Ramelow.

Der Faschismus kann nicht durch Proteste gegen seine Symptome gestoppt werden. Man muss ihn an der Wurzel ausrotten, und diese Wurzel ist das kapitalistische Gesellschaftssystem.

„Zu hohe Spannung des internationalen Klassenkampfes führt zum Kurzschluss der Diktatur, die Sicherungen der Demokratie schlagen eine nach der anderen durch,“ schrieb Leo Trotzki 1929 und erklärte Diktatur und Faschismus damit aus der kapitalistischen Krise.

In mehreren europäischen Ländern – Ungarn, Italien, Niederlande – und auch in den USA befinden sich rechtsextreme Regierungen bereits an der Macht. In Österreich laufen entsprechende Verhandlungen. In Belgien wurde am Montag Bart De Wever von der ultrarechten flämisch-nationalistischen N-VA als Regierungschef vereidigt. Seine Regierung, der auch flämische Christ- und Sozialdemokraten angehören, hat sich zum Ziel gesetzt, den Haushalt aufzuräumen, die strengste Migrationspolitik aller Zeiten umzusetzen und in Sicherheit zu investieren.

Deutschland bildet hier keine Ausnahme. Die Konzentration des gesellschaftlichen Reichtums in den Händen weniger Milliardäre und weitverbreitete Armut, explodierende Rüstungs- und sinkende Sozialausgaben, sowie eskalierende Handelskriege und Kriege sind nicht mit Demokratie zu vereinbaren. Die Hetze gegen Migranten und die damit verbundene innere Aufrüstung richten sich gegen die gesamte Arbeiterklasse.

Die nächste Regierung wird – ganz unabhängig von ihrer Zusammensetzung – die Militärausgaben drastisch erhöhen. So rief Nato-Generalsekretär Mark Rutte Deutschland am Wochenende in der Welt am Sonntag erneut dazu auf, sowohl seine Militärausgaben als auch seine Rüstungsproduktion massiv zu erhöhen. „Ich sage es Ihnen ganz deutlich: Wir müssen uns auf Krieg vorbereiten,“ sagte er. „Ich kann Ihnen eins versichern: Es wird viel, viel, viel mehr sein als 2 Prozent.“

Das ist der Grund, weshalb sich alle etablierten Parteien der AfD annähern und ihre Politik übernehmen.

„Der Widerstand gegen die Faschisten kann nur von der Arbeiterklasse kommen,“ heißt es im Aufruf, den sie Sozialistische Gleichheitspartei auf den Kundgebungen vom Wochenende verteilte.

Sie wird nicht zulassen, dass Kollegen und Nachbarn abgeschoben, ihre Löhne dezimiert, ihre Arbeitsplätze zerstört, Bildung und Gesundheit privatisiert und Renten und Sozialleistungen zerschlagen werden. Explosive Klassenkämpfe sind unvermeidlich.

Diese Kämpfe müssen vorbereitet werden. Sie benötigen eine politische Perspektive und eine Führung. Dafür kämpft die Sozialistische Gleichheitspartei. Sie tritt in der Bundestagswahl als einzige Partei gegen Krieg, Aufrüstung und Sozialabbau ein und verteidigt alle demokratischen Rechte, einschließlich derjenigen von Migranten.

Als deutsche Sektion des Internationalen Komitees der Vierten Internationale tritt sie für die Einheit der internationalen Arbeiterklasse ein, um den Kapitalismus zu stürzen, die Milliardäre zu enteignen und eine sozialistische Gesellschaft aufzubauen, in der die gesellschaftlichen Bedürfnisse über den Profitinteressen stehen.

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