Viele Arbeiterfamilien verbrachten die Weihnachtsfeiertage in Sorge und blicken mit finsteren Vorahnungen ins neue Jahr. Hunderttausende haben im Laufe des zu Ende gehenden Jahres ihren Arbeitsplatz verloren oder erfahren, dass sie ihn im kommenden Jahr verlieren werden. Sie sind die Leidtragenden von Krieg und Sozialabbau, Handelskrieg und Wirtschaftskrise.
Der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) rechnet für das gesamte Jahr 2025 mit einem Produktionsrückgang von rund zwei Prozent. Die Industrie schrumpft somit das vierte Jahr in Folge. BDI-Präsident Peter Leibinger sprach zuletzt von der „historisch tiefsten Krise seit Bestehen der Bundesrepublik“. Der Standort Deutschland befinde sich „im freien Fall“.
Auch der häufigen Behauptung, dass es sich lediglich um einen vorübergehenden, konjunkturellen Einbruch handele, wie sie nicht zuletzt auch von den Gewerkschaften zur Beschwichtigung der Arbeiter vorgebracht werden, erteilte Leibinger eine explizite Absage. „Das ist keine konjunkturelle Delle, sondern ein struktureller Abstieg.“ Die deutsche Industrie verliere kontinuierlich an Substanz.
Laut Hochrechnungen der Wirtschaftsauskunftei Creditreform haben in diesem Jahr 23.900 Unternehmen Insolvenz angemeldet. Das seien so viele Firmenpleiten wie seit 2014 nicht mehr.
Die Zahl der Arbeitslosen stieg in 2025 um rund 160.000 auf knapp 2,95 Millionen. Weitere werden hinzukommen. Vier von zehn Industriebetrieben planen laut einer Umfrage des Instituts der deutschen Wirtschaft für das kommende Jahr Entlassungen. Vor allem in der Auto- und Zulieferindustrie, aber auch in der Chemieindustrie, wird sich die Lage weiter verschärfen.
Eine umfassende Studie zur wirtschaftlichen Entwicklung veröffentlichten die Wirtschaftsprüfer von EY Anfang Dezember mit Zahlen nach dem dritten Jahresquartal. Danach schrumpfte der Umsatz der deutschen Industrieunternehmen allein im dritten Quartal 2025 um 0,5 Prozent – das mittlerweile neunte Quartalsminus in Folge. Bis zum 30. September 2025 wurden im Zeitraum eines Jahres120.000 Industrie-Jobs in Deutschland vernichtet, davon allein 49.000 Jobs bzw. 6,3 Prozent der Arbeitsplätze in der Autoindustrie. Seit dem Jahr 2019 waren es sogar fast 272.000 bzw. 4,8 Prozent der Stellen in der gesamten Industrie, die vernichtet wurden. In keiner einzigen Industriebranche, die von EY untersucht wurde, stieg die Beschäftigung im genannten Zeitraum.
Am Samstag sagte der Hauptgeschäftsführer des Arbeitgeberverbandes Gesamtmetall, Oliver Zander, der Bild-Zeitung: „Aktuell verlieren wir pro Monat fast 10.000 Arbeitsplätze.“ Die Beschäftigung in der Branche, zu der auch die Autoindustrie zählt, sinke bereits seit 21 Monaten ununterbrochen. Auch in 2026 würden Zehntausende ihren Arbeitsplatz verlieren.
Allein der Volkswagen-Konzern, der letztes Jahr kurz vor Weihnachten mit der IG Metall vereinbart hatte, mindestens 35.000 Arbeitsplätze bei seiner Kernmarke VW abzubauen, hat mittlerweile 15.000 davon vernichtet, weitere 10.000 Beschäftigte sollen den Verzicht ihres Jobs bereits unterschrieben haben.
Alle Autohersteller bauen ab. Zuletzt hatte Porsche den Abbau von fast 6.000 Stellen angekündigt, so wie zahlreiche andere Firmen und Betriebe. Hier nur einige Beispiele aus dem letzten Monat:
- Der japanische Autozulieferer Musashi will sein Werk in Hannoversch Münden mit rund 400 Arbeitsplätzen schließen.
- Die Teknia Stuttgart GmbH, Hersteller von Fahrwerks- und Lenkungskomponenten, ist insolvent, 100 Arbeiter sind betroffen.
- Der Autozulieferer Gestamp baut in Bielefeld 150 Arbeitsplätze ab.
- Der Batteriehersteller Varta streicht bis zum ersten Quartal kommenden Jahres 150 Stellen in Verwaltung und Produktion im süddeutschen Nördlingen.
- Der finnische Edelstahlkonzern Outokumpu baut in Deutschland, hauptsächlich am Standort Krefeld, aber auch in Dillenburg und Sachsenheim, 120 Stellen ab.
- Der Thyssenkrupp-Konzern, der kommende Woche damit beginnt, 11.000 von 27.000 Stellen in seiner Stahltochter zu vernichten, hat zwei Elektro-Stahl-Werke in Gelsenkirchen sowie im französischen Isbergues zunächst vorübergehend geschlossen. Rund 1.200 Arbeitsplätze sind in Gefahr.
- Die Sturm-Gruppe im bayerischen Salching hat Insolvenz angemeldet. Der Maschinenbauer beschäftigt 340 Arbeiter.
- Die Firma Wanzl, die neben Supermarkt-Einkaufswagen auch Transport- und Gepäckwagen für Flughäfen und Hotels baut, schließt zwei Werke mit 900 Beschäftigten.
- Der Maschinen- und Anlagenbauer Voith will weltweit mehr als jede zehnte Stelle abbauen, rund 2.500. Der Abbau werde Deutschland, wo insgesamt knapp 7.000 Menschen bei Voith beschäftigt sind, „überproportional treffen“, so eine Sprecherin.
- Die Schwäbische Werkzeugmaschinen Gesellschaft (SW) wird 150 Arbeitsplätze kürzen.
- Der französische Chemie-Konzern Dow will Werksteile in Schkopau (Sachsen-Anhalt) und das gesamte Werk in Böhlen (Sachsen) schließen, 600 Beschäftigte wären betroffen.
- Der Autovermieter Starcar hat nach seiner Insolvenz im Oktober keinen Investor gefunden und wird nun schließen, das trifft 1.100 Beschäftigte.
- Bei der IT-Sparte des Discounters Aldi Süd werden gerade „mehrere hundert“ Stellen gestrichen, Beschäftigte sprechen von „Massenentlassungen“.
- 100 von 650 Sicherheitskräften der Firma Securitas sollen am Flughafen Köln/Bonn ihren Arbeitsplatz verlieren.
- Kurz vor Weihnachten hat die WISAG Aviation, die auf dem Frankfurter Flughafen Flugzeuge be- und entlädt, angekündigt, 230 von rund 1100 Beschäftigten zu kündigen.
Die Gewerkschaften und ihre betrieblichen Vertreter unternehmen nichts, um dieses laufende Arbeitsplatzmassaker zu stoppen. Im Gegenteil, sie sind es, die es mit ihren Sozialplänen und Vereinbarungen zum „Erhalt der Wettbewerbsfähigkeit“ vollstrecken.
Die Mitteilung der Entlassungen der WISAG am Frankfurter Flughafen ist deshalb besonders brisant. Denn vor genau fünf Jahren – ebenfalls zu Weihnachten – führten die damals angekündigten Massenentlassungen zur Gründung des Komitees der WISAG-Arbeiter. Diese hatten monatelang – unabhängig von der zuständigen Gewerkschaft Verdi – gegen ihre Entlassungen gekämpft, auch mit einem Hungerstreik.
Diese Initiative muss nun auf einer höheren Stufe wieder aufgenommen werden. Die Notwendigkeit eines gemeinsamen Kampfs der von Entlassungen und Lohnkürzungen bedrohten Arbeiter drängt sich geradezu auf. Doch die Gewerkschaften und Betriebsräte, die sich weigern über den eigenen Tellerrand zu schauen, spalten die betroffenen Arbeiterinnen und Arbeiter nach Standort, Land und Branche.
Die Apparatschiks in den Gewerkschaften stehen im eskalierenden Handelskrieg an der Seite der Konzerneigner und der Bundesregierung. Sie sind die vehementesten Befürworter von Handelskriegsmaßnahmen. Insbesondere die Auto- und Maschinenbauindustrie treffen die Zölle, die die US-Regierung unter Donald Trump erhoben hat. Nachdem die deutschen Exporte in die USA im zweiten Quartal noch um zehn Prozent gesunken waren, schreibt EY, weitete sich das Minus im dritten Quartal weiter aus: auf 16 Prozent.
Gleichzeitig kommen die Unternehmen im Wettbewerb mit den chinesischen Konkurrenten kaum mit. Der Wert der Ausfuhren nach China lag im dritten Quartal um acht Prozent niedriger als im Vorjahr. Während China im Jahr 2020 noch der zweitwichtigste Exportmarkt für die deutsche Wirtschaft war, belegt das Land aktuell nur noch den achten Rang.
Deshalb fordern Gewerkschaften wie die IG Metall Gegenzölle auf chinesischen Stahl und Milliardenentlastungen für die Industriekonzerne. Gegenüber der Wirtschaftswoche erklärte die IG-Metall-Chefin Christiane Benner, dass die Verlagerung von Standorten nach Osteuropa oder Asien verhindert werden müsse. Außerdem müssten Unternehmen verpflichtet werden, deutsche Produkte zu kaufen. „Wir brauchen klare Vorgaben für local content, damit beispielsweise die massiv mit öffentlichen Milliarden gestützte Deutsche Bahn nicht bei BYD Busse bestellt“, fordert sie.
Diese Standortlogik unterscheidet sich in keiner Weise von der Position der Unternehmen, die immer mehr Arbeitsplätze vernichten und Löhne kürzen, um den Standort Deutschland handelskriegstüchtig zu machen. In der Bild-Zeitung erklärte der Hauptgeschäftsführer des Arbeitgeberverbandes Gesamtmetall Zander, die Steuern, die Energiekosten und die Arbeitskosten seien am Standort Deutschland so hoch, „dass sich für viele Unternehmen die Produktion hier schlicht nicht mehr rechnet“.
Auch IW-Direktor Michael Hüther benannte neben starker internationaler Konkurrenz und US-Zöllen vor allem zu hohe Standortkosten, eine hohe Steuerlast und hohe Arbeitskosten, inklusive steigender Lohnnebenkosten und Sozialversicherungsbeiträge als Hauptprobleme.
Gegenüber der Frankfurter Allgemeinen Zeitung verkündete Benner dann auch, dass die Gewerkschaft aufs engste mit Unternehmern und Regierung zusammenarbeiten werde, um eben diese Politik durchzusetzen: „Sozialpartnerschaft gibt es nicht nur an sonnigen Tagen, sondern auch im Gewitter. Wir müssen da zusammen durch, und wir wollen das auch“, erklärte sie.
Arbeiter können bei dieser nationalistischen Standortpolitik von Regierung, Gewerkschaften und Unternehmen nur verlieren. Denn sie sind es, die mit Sozialabbau die Steuererleichterungen für die Konzerne zahlen werden. Mit sinkenden Löhnen, niedrigeren Renten, weniger Gesundheitsversorgung und Jobverlust sollen sie dazu beitragen, die Arbeitskosten zu senken. Und sie sollen durch Aufhebung von „Bürokratie“ wie Arbeitszeitregulierungen, Sicherheitsbestimmungen, Umweltvorgaben usw. verstärkter Ausbeutung unterworfen werden.
Die Ereignisse dieses Jahres zeigen, dass es sich nicht um eine vorübergehende Krise handelt, sondern um eine strukturelle Offensive des Kapitals, die durch Handelskrieg, Aufrüstung und eine Politik zugunsten der Konzerne vorangetrieben wird.
Wenn Arbeiter ihre Arbeitsplätze, ihre Löhne und Sozialleistungen verteidigen wollen, müssen sie sich gerade gegen Handelskrieg und Krieg richten und dem wachsenden Nationalismus die internationale Einheit der Arbeiter entgegensetzen. Die Kapitalisten führen ihren Handelskrieg auf Kosten der Arbeiter und folgen der Logik eines neuen Weltkriegs.
Diesen Wahnsinn können nur die Arbeiter beenden, indem sie sich über alle Grenzen hinweg zusammenschließen und der Profitlogik den Vorrang ihrer eigenen Bedürfnisse entgegenstellen. Die technologischen Entwicklungen ermöglichen einen nie dagewesenen Wohlstand für alle, aber unter kapitalistischen Voraussetzungen führen sie zu Entlassungen, Lohnkürzungen und Krieg.
Ein wirklicher Kampf zur Verteidigung aller Arbeitsplätze erfordert deshalb einen Bruch mit der Gewerkschaftsbürokratie und ihrem Nationalismus. Arbeiter müssen unabhängige Aktionskomitees bilden, die sich in der Internationalen Arbeiterallianz der Aktionskomitees (IWA-RFC) zusammenschließen und die Verteidigung der Arbeitsplätze selbst in die Hand nehmen. Statt Sozialpartnerschaft müssen sie den Klassenkampf organisieren und die Bedürfnisse der Arbeiter vor die Profitinteressen stellen.
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