Nach dem Mord an George Floyd

Proteste gegen Polizeigewalt in vielen deutschen Städten

Der brutale Mord an George Floyd hat auch in Deutschland tausende Menschen auf die Straße gebracht. In Bremen, Berlin, Leipzig und München demonstrierten Tausende gegen Rassismus und Polizeigewalt und in den sozialen Medien dominierte die Solidarität mit den Protesten in den Vereinigten Staaten.

Allein in Bremen demonstrierten am Dienstag über 2500 Menschen unter dem Motto „Justice for George Floyd“ – zehnmal so viele wie von den Veranstaltern „Together we are Bremen“ erwartet worden waren. Die Polizei ließ wegen der hohen Teilnehmerzahl sowohl die Laufstrecke als auch den Ort der Abschlusskundgebung kurzfristig ändern.

Protest vor dem Brandenburger Tor in Berlin am 1. Juni 2020 (AP-Foto/Markus Schreiber)

Auch in Leipzig fanden sich am Pfingstmontag nahezu 700 Menschen zusammen. Die Gruppe „fight for your future“ hatte zu einer Kundgebung aufgerufen, um gegen Polizeigewalt und staatliche Repression zu demonstrieren.

In der bayrischen Hauptstadt München haben sich am Samstagabend 400 Menschen zu einer Spontandemonstration zusammengefunden, die unter anderem vor das US-Generalkonsulat zog. In Berlin fanden am Wochenende gleich mehrere Proteste statt, an denen ebenfalls sehr viel mehr Menschen teilnahmen, als von den Organisatoren erwartet worden waren.

Am Sonntag kamen zu einem Protestmarsch durch den Stadtteil Kreuzberg statt der erwarteten hundert 1500 vornehmlich junge Menschen zusammen. Sie demonstrierten unter dem Motto „Justice for George Floyd“. Kurz zuvor war schon ein „Gedenkmarsch gegen rassistische Polizeigewalt in den USA“ ans Brandenburger Tor gezogen.

Am Samstag fand eine Demonstration vor der US-amerikanischen Botschaft in Berlin statt. Mehr als 2000 Menschen mit unterschiedlichstem ethnischem Hintergrund gaben ihrer Wut über die brutale Polizeigewalt Ausdruck. Unter dem Motto „Gerechtigkeit für George Floyd! Gegen rassistische Polizeigewalt“ hatten antirassistische Initiativen wie „Kein Generalverdacht“ und „Initiative Schwarze Menschen in Deutschland“ (ISD) zum Protest aufgerufen.

Die Demonstranten sprachen nicht nur über Minneapolis, sondern auch über die Zustände in Deutschland. „Neonazistrukturen in der Polizei müssen aufgedeckt werden“, sagte eine der Sprecherinnen. Ein Teilnehmer erklärte: „Die Entnazifizierung, die nach dem Zweiten Weltkrieg angeblich stattgefunden hat, hat nie wirklich stattgefunden. Wir haben immer noch Nazis in verschiedenen strukturellen Bereichen.“

Eine andere Teilnehmerin nahm direkt auf Polizeigewalt in Deutschland Bezug: „Es ist auf keinen Fall ein Einzelfall. Das passiert in Deutschland fast täglich“, erklärte sie und erinnerte an den Fall von Oury Jalloh, der in einer Gefängniszelle verbrannte. „Es sind Strukturen, die dafür sorgen, dass das immer wieder passiert.“

Olivia (22), eine Berufsschülerin aus Nordrhein-Westfalen, schrieb als Reaktion auf die eskalierende Gewalt der Staatsmacht in den USA und in Sorge um ihre Verwandten an die WSWS: „Ich will nicht, dass meine Cousins in New York City ermordet werden, wenn sie rausgehen – oder mein kleiner Bruder. Wir kämpfen für Gerechtigkeit und die ganze Welt kämpft mit uns. In den sozialen Medien sieht man, dass wir alle zusammenhalten.“

Im Zuge der Proteste entstand im Berliner Mauerpark ein riesiges Graffiti mit einem Bild von George Floyd und dem Schriftzug „I can’t breathe“. Dieser geht auf die Videos von Floyds Ermordung zurück. Darin flehte er um sein Leben und schreit: „Ich kann nicht atmen“ und „Sie werden mich umbringen!“ Der dazugehörige Hashtag #ICantBreathe steht ebenso für die Situation vieler Arbeiter in den USA, denen durch die reaktionäre Politik der Finanz- und Unternehmenselite die Luft zum Atmen genommen wird.

Wandbild "Portrait George Floyd"von Eme Street Art im Mauerpark in Berlin

In Bremen wurden ebenfalls insgesamt 19 ähnliche Graffiti gesprüht, die des Todes von Floyd gedachten. Die Polizei reagierte aggressiv und gab sofort eine Suche nach Zeugen heraus. Der Staatsschutz übernahm unverzüglich die Ermittlungen.

Auch in den sozialen Medien fanden zahlreiche Proteste statt. Unter dem Hashtag #blackouttuesday wurden zahlreiche Profilbilder durch komplett schwarze Bilder ersetzt. Allein auf Instagram wurden über 28 Millionen Beiträge unter diesem Hashtag gepostet.

In Deutschland stehen elf der Top 15 Hashtags auf Twitter im Zusammenhang mit dem Polizeimord an George Floyd, wie z.B. #JusticeForGeorgeFloyd, #GeorgeFloyd, #BlackLivesMatter oder #protests2020.

Die Entwicklungen in den USA werden von vielen Usern in Zusammenhang mit den sozialen und politischen Spannungen gebracht, die auch in Deutschland und Europa das Leben vieler Menschen bestimmen.

Der Historiker Patrick Bormann schreibt auf Twitter: „Während wir entsetzt in die USA schauen, sollten wir nie vergessen, dass die gleichen Konfliktlinien in Deutschland nicht unbekannt sind und ein ähnliches Konfliktpotential beherbergen. Das beunruhigt mich.“

Joshua, der bei Nürnberg ein Gymnasium besucht und sich bei den IYSSE engagiert, bringt die Reaktion der herrschenden Klasse auf die Massenproteste in den USA mit der Machteroberung der Nazis 1933 in Verbindung: „Genauso wie in den Dreißigerjahren vor dem Aufstieg Nazideutschlands schlägt der Staatsapparat gemeinsam mit den faschistischen Schlägertrupps die Arbeiterdemonstrationen nieder. Der bürgerliche Staat kooperiert mit Faschisten, es ist sogar ein Faschist an der Macht, und deren Ziel ist es, die Arbeiter zu unterdrücken.“

Clemens, ein 17-jähriger Hauptschüler aus Bayern, der ebenfalls bei den IYSSE organisiert ist, sieht die Entwicklungen in den USA im Zusammenhang mit den Entwicklungen, die zur russischen Revolution 1917 geführt haben: „Die Ursache für diese Massenbewegung ist ganz klar die enorme soziale Ungleichheit in den USA. Die Ermordung von George Floyd war quasi nur der Tropfen der das Fass zum Überlaufen brachte, der spontane Auslöser.“

Das erinnere ihn „an die Geschichte der Februarrevolution 1917, wo sich die Frauen der Arbeiter anlässlich des 8.März einfach nur zum Frauenkampftag versammelten und sich dann diese Proteste auf die ganze Klasse ausgeweiteten. Ein paar Stunden später war der Zar gestürzt.“ Trump mobilisiere „vor allem die Armee und die Nationalgarde, weil er und seine Freunde in der Oligarchie wahnsinnige Angst haben vor einer sozialistischen Revolution.“

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