Neonazi-Waffennetzwerke breiten sich in ganz Europa aus

In den Wochen vor und nach Donald Trumps faschistischem Putschversuch in Washington am 6. Januar haben Neonazi-Kreise große Mengen von Waffen durch ganz Europa verschoben. Von der Polizei beschlagnahmte Waffenlager vermitteln einen Eindruck von den intensiven paramilitärischen Aktivitäten, die rechtsextreme Kräfte in ganz Europa an den Tag legen. Einige dieser Netzwerke unterhalten direkte Beziehungen zu hohen politischen Amtsträgern.

Am Mittwoch, dem 13. Januar meldete die Pariser Polizei-Spezialeinheit Brigade de Répression du Banditisme, die u.a. für bewaffnete Raubüberfälle und Autodiebstähle zuständig ist, eine der größten Beschlagnahmen von Waffen in der Geschichte Frankreichs. In den Fall sind aktive und ehemalige Angehörige des Militärs verwickelt. Man vermutet, dass sie Waffen an faschistische oder Neonazi-Gruppen geliefert haben. Bei der Durchsuchung wurde ein Waffenarsenal sichergestellt, das als „außergewöhnlich“ bezeichnet wurde und Pistolen, Revolver, Sturmgewehre, Automatikpistolen, Munition und Schießpulver umfasste. Die Ermittlungen dauern noch an, doch Quellen aus dem Umfeld der Untersuchung sprechen von mehr als einer Tonne Material.

Laut der Zeitung Le Figaro soll mit ballistischen Untersuchungen festgestellt werden, ob die Waffen bei Auseinandersetzungen im Drogenmilieu benutzt wurden. Weiter hieß es: „Laut Quellen aus dem Umfeld der Untersuchung steht das Netzwerk unter dem Verdacht, Waffen an Drogenschmuggler sowie an Sympathisanten ultrarechter Gruppen verkauft zu haben.“

(Quelle: Bezirksstaatsanwaltschaft St. Louis/Wikipedia)

Die Pariser Kriminalpolizei hat zehn Menschen in der Pariser Region Île-de-France und im Süden sowie im Osten Frankreichs verhaftet, darunter zwei Soldaten. Einer davon ist ein Angestellter des Verteidigungsministeriums, der andere ist derzeit auf einem Stützpunkt im Osten Frankreichs stationiert. Ebenfalls unter den Verhafteten war ein Waffennarr, der mit der extremen Rechten sympathisiert, und ein weiterer stand wegen Beziehungen zu Faschisten unter staatlicher Beobachtung. Drei weitere sind ehemalige Soldaten, die mittlerweile in der Privatwirtschaft arbeiten, darunter ein hoher Offizier und ein ehemaliger Sicherheitsbeamter.

Allerdings nimmt die Zahl der Beschlagnahmen von „außergewöhnlichen“ Waffen dieser Art in Neonazi-Kreisen in ganz Europa zu.

In Österreich wurden Mitte Dezember 100.000 Patronen, 100 Schusswaffen, Sprengstoffe wie Handgranaten, Drogen, Geld und Wehrmacht-Devotionalien beschlagnahmt. Wie der österreichische Innenminister Karl Nehammer bei einer Pressekonferenz in Wien erklärte, sollte das Arsenal zum Aufbau eines „rechtsextremen Netzwerks in Deutschland“ benutzt werden.

In Spanien hob die Guardia Civil der Provinz Malaga im Rahmen der Operation Nongreta ein internationales Netzwerk aus, das Waffen verschob. Insgesamt wurden 160 Feuerwaffen beschlagnahmt, darunter 121 Kurzwaffen, 22 Sturmgewehre und acht Maschinengewehre. Daneben fand man fast 10.000 Patronen für unterschiedliche Kaliber, acht Schalldämpfer, 273 Magazine und eineinhalb Kilo militärischen Sprengstoff.

Zwei der Verhafteten waren deutscher Herkunft und bekannt für ihre Beziehungen zu Neonazi-Bewegungen; der andere war Brite.

Die Tatsache, dass ein Beschäftigter des französischen Verteidigungsministeriums an Waffenschmuggel beteiligt war, verdeutlicht die engen Beziehungen zwischen den bewaffneten Neonazi-Netzwerken und den Armeen oder paramilitärischen Einheiten der europäischen Staaten.

In Deutschland sind laut einem Bericht der Bundeswehr vom August 2020 seit 2010 mindestens 60.000 Patronen verlorengegangen. Laut dem Verteidigungsministerium ist der Verbleib von 48.000 Patronen und 62 Kilogramm Sprengstoff aus den Beständen der KSK unbekannt. Diese Elite-Spezialeinheit ist bekannt für ihre Verbindungen zu Rechtsextremen, die dort Mitglieder für ein Netzwerk rekrutieren, das von dem ehemaligen KSK-Soldaten André S. angeführt wird. Dieser hat Todeslisten mit den Namen deutscher Politiker erstellt.

Der sicherheitspolitische Sprecher der Grünen, Tobias Lindner, musste im Bundestag auf Nachfrage zugeben: „An sich dürften sich Munitionsverluste gar nicht ereignen, wenn sich jeder in der Bundeswehr an die bestehende Vorschriftenlage halten würde... Vermutlich haben wir es mit einer Mischung aus Schlamperei und teils auch krimineller Energie zu tun.“

Le Monde fragte lahm, wofür die Waffen gedacht waren, die in Frankreich beschlagnahmt wurden: „Die Untersuchung der Polizei muss noch die Fakten klären, doch bei einigen der Vernommenen stellt sich die Frage, ob diese Waffen im Rahmen eines Plans für Gewalttaten benutzt werden sollten, deren Zeitpunkt noch nicht festliegt.“

Es ist nicht glaubwürdig, dass die „außergewöhnlichen“ Funde von Neonazi-Waffenarsenalen in Europa nur wenige Wochen vor dem ersten faschistischen Putschversuch in der Geschichte der USA Zufälle sind. In ganz Europa bauen faschistische Netzwerke mit Beziehungen zu den Spitzen des Staatsapparats Waffenlager auf und verstärken sie. Es ist davon auszugehen, dass zwar ein Teil dieser Waffen von der Polizei beschlagnahmt wurde, andere jedoch nicht. Diese können für Mordanschläge oder politische Provokationen jeder Art benutzt werden.

Angesichts der Krise des Weltkapitalismus spürt der kapitalistische Staatsapparat zunehmend den Widerstand der Bevölkerung gegen Austeritäts- und „Herdenimmunitäts“-Politik. Teile des Staats haben begonnen, faschistische Banden für den Kampf gegen die Arbeiterklasse zu bewaffnen. Die „außergewöhnlichen“ Mengen von Waffen, die der extremen Rechten zur Verfügung stehen, machen deutlich, dass so etwas wie Trumps Putschversuch auch in Europa stattfinden könnte.

An Trumps Putschversuch waren Teile des Militärs, der Polizei, der Republikaner und des Präsidentenamtes beteiligt, die die Auszählung der Stimmen und die Bestätigung von Bidens Sieg im Kapitol verhindern wollten. Die neonazistischen Randalierer waren bewaffnet, einige hatten Kabelbinder dabei, mit denen sie Abgeordnete als Geiseln nehmen wollten. Faschistische Kreise in Europa wie die spanische Partei Vox und deren Unterstützer im Offizierskorps der Armee begrüßten den Putschversuch begeistert.

In Frankreich hat Präsident Macron zu Beginn der „Gelbwesten“-Bewegung im Jahr 2017 den faschistischen Diktator Pétain als „großartigen Soldaten“ bezeichnet, und der ehemalige General Pierre de Villiers hat sich für eine Militärherrschaft ausgesprochen. In Spanien haben ehemalige und aktive Offiziere den König in einem Brief aufgefordert, sie gegen die PSOE/Podemos-Regierung zu unterstützen, und fordern die Ermordung von „26 Millionen Menschen“, ihrer Aussage zufolge ist das die Zahl der linken Wähler in Spanien.

In Deutschland haben Neonazi-Netzwerke Listen von Politikern erstellt, die von Todesschwadronen ermordet werden sollen. Im Jahr 2019 wurde der CDU-Politiker Walter Lübcke von dem fanatischen Neonazi Stephan Ernst ermordet. Zuvor hatten rechtsextreme Netzwerke ihm wegen seiner Unterstützung von Flüchtlingen Morddrohungen geschickt. Der Komplize des Mörders wurde freigelassen.

In den USA wollte ein rechtsextremes Netzwerk mit Kontakten zur Trump-Regierung mehrere Bundesstaatsgouverneure entführen und ermorden. Vom FBI gibt es außerdem Hinweise, laut denen bewaffnete Gruppen in allen 50 Bundesstaaten am Tag von Bidens Amtseinführung Anschläge durchführen könnten.

Genau wie der Putschversuch in Washington sind die Ereignisse in Europa eine Warnung: Die kapitalistische Demokratie ist morsch bis in ihre Wurzeln. Die einzige Möglichkeit, die Demokratie zu verteidigen und die Politik von Austerität und „Herdenimmunität“ zu beenden, führt über den Aufbau einer internationalen Bewegung der Arbeiterklasse für Sozialismus und gegen Kapitalismus, Nationalismus und Faschismus.

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