Kommandant der Nationalgarde in Washington sagt aus

Pentagon hat die Mobilisierung von Truppen zum Schutz des Kapitols am 6. Januar verzögert

Am Mittwoch fand die zweite gemeinsame Anhörung der Ausschüsse für Regeln und Heimatschutz des US-Senats zu dem Sturm von Trump-Anhängern auf das Kapitol am 6. Januar statt. Der Kommandant der Nationalgarde von Washington D.C., William Walker, bestätigte in seiner Aussage, dass sich die damalige Führung des Verteidigungsministeriums stundenlang geweigert hatte, dringliche Gesuche Walkers und der Polizei nach einer Mobilisierung der Nationalgarde zum Schutz des Kongresses vor dem Mob zu genehmigen.

In seiner einleitenden Aussage erklärte Walker, er habe den amtierenden Verteidigungsminister Christopher Miller und den Army Secretary Ryan McCarthy um 13:49 Uhr um Erlaubnis gebeten, Nationalgardisten zu mobilisieren, diese jedoch erst um 17:08 Uhr erhalten. Walker erklärte weiter, diese Verzögerung um drei Stunden und neunzehn Minuten habe ihn „erschüttert und frustriert“.

Armeegeneral William Walker spricht bei der Anhörung der Senatsausschüsse am 3. März 2021 in Washington (Greg Nash/Pool via AP)

Er erklärte gegenüber dem Gremium, „etwa 155“ Soldaten seien voll ausgerüstet und einsatzbereit gewesen. Ihre Entsendung nach Washington hätte „das Gelände sichern“ können und „einen Unterschied gemacht“.

Walkers Aussage ergänzt sich mit den Aussagen des Chefs der Washingtoner Metro Police Robert Contee und des ehemaligen Chefs der Capitol Police Steven Sund. Beide Polizeichefs erklärten, sie seien „erschüttert“ gewesen über die ausbleibende Reaktion der Beamten des Pentagon auf ihre Bitten um Verstärkung, obwohl das Kapitol von rechtsextremen Kräften überrannt wurde. Der Mob hatte auf Trumps Hetze hin versucht, die Bestätigung der Abstimmung des Wahlmännerkollegiums durch den Kongress aufzuhalten.

Nur wenige Stunden nach der Anhörung im Senat, bei der auch Vertreter des FBI, des Heimatschutzministeriums (DHS) und des Verteidigungsministeriums angehört wurden, veröffentlichten das FBI und das DHS eine Mitteilung. Darin warnten sie davor, dass in den sozialen Medien über mögliche Angriffe faschistischer Gruppen auf das Kapitol am 4. März diskutiert werde. Diese Gruppen glauben an die Lügen der Republikaner über eine „gestohlene Wahl“ und weigern sich, Bidens Regierung als rechtmäßig anzuerkennen.

Laut der offiziellen Warnung wollten Leute aus dem Umfeld der faschistischen Verschwörungstheoretiker QAnon das Kapitol stürmen und Abgeordnete der Demokraten „beseitigen“. Als Reaktion darauf sagte der Mehrheitsführer im Repräsentantenhaus, der Demokrat Steny Hoyer, alle Sitzungen für den Rest der Woche ab.

Die Entscheidung, das Repräsentantenhaus zu schließen, obwohl weiterhin 5.200 Nationalgardisten das Kapitol sichern, zeigt die scharfe politische Krise des amerikanischen Staats in Folge des Putschversuchs vom 6. Januar.

Einige der wichtigsten Enthüllungen aus Walkers Aussage waren:

  • Nach einem „hektischen“ Telefonat mit dem Leiter der Capitol Police Sund um 13:49 Uhr, bei dem er die Unterstützung der Nationalgarde angefordert hatte, telefonierte Walker mit führenden Armeevertretern, u.a. mit den Generalleutnants Walter Piatt und Charles Flynn. Sie weigerten sich, Walkers Antrag auf Entsendung seiner Truppen zu bewilligen, angeblich weil die Stationierung von uniformierten Soldaten im Kapitol ein „negatives Bild“ vermitteln und die Menge noch weiter „aufhetzen“ könnte.

    Charles Flynn ist der Bruder des Generals a.D. Michael Flynn, einem von Trumps ehemaligen nationalen Sicherheitsberatern. Er wurde zwar für schuldig befunden, vor Robert Muellers Ausschuss gelogen zu haben, danach aber von Trump begnadigt. Im Vorfeld der Ereignisse am 6. Januar hatte Michael Flynn Trump mehrfach öffentlich dazu aufgerufen, in den wichtigen Swing States, die Biden gewonnen hat, das Kriegsrecht zu verhängen und die Wahl mit vorgehaltenen Waffen zu wiederholen.

  • Am Abend vor der Veranstaltung „Save America“, die Trump am 6. Januar organisiert hatte, um das Wahlergebnis von 2020 zu kippen, hatten der amtierende Verteidigungsminister Miller und Army Secretary McCarthy, die beide von Trump eingesetzt worden waren, Walker die sonst übliche unilaterale Befugnis zur Mobilisierung der Truppen unter seinem Befehl aberkannt. Walker schilderte den Inhalt von zwei Memoranden, die seine Befugnis zum Einsatz der 340-köpfigen Truppe, die die Polizei in Washington am 5. und 6. Januar bei Verkehrskontrollen unterstützte, deutlich verringerten.

    Walker bezeugte, er habe am 4. Januar ein „ungewöhnliches“ Memorandum erhalten, das mit keinem anderen vergleichbar gewesen sei, das er im Laufe seiner Militärkarriere erhalten habe. Er erklärte vor den Senatoren: „Es sah vor, dass ich die Genehmigung des Army Secretary und des Verteidigungsministers brauche, um meine Nationalgardisten auch nur schützen zu können.“

    Einen Tag später habe Miller ein zweites Memorandum verfasst, das weitere Einschränkungen für Walkers Soldaten festlegte. Miller warnte Walker, er würde ihm „die Autorität zum Einsatz der schnellen Eingreiftruppe entziehen“, wenn er nicht vorher ein „Operationskonzept vorlegt“.

  • Walker sprach in seiner Aussage auch über den deutlichen Unterschied zwischen der Reaktion des Pentagons auf die friedlichen Proteste gegen Polizeigewalt im letzten Juni und dem gewaltsamen Angriff auf das Kapitol am 6. Januar. Er erklärte, während der Proteste im Sommer sei McCarthy „direkt an meiner Seite“ gewesen, sodass die Nationalgarde von Washington „innerhalb von Minuten“ am Kapitol stationiert werden konnte. Als Walker am 6. Januar eine Genehmigung brauchte, war McCarthy jedoch „unerreichbar“.

  • Der Vorsitzende der Joint Chiefs of Staff, General Mark Milley, hatte am Tag davor noch behauptet, das Pentagon habe die Anforderungen der Polizei nach Unterstützung durch die Nationalgarde am 6. Januar in „Sprintgeschwindigkeit“ beantwortet. Walker hingegen erklärte, seine Soldaten hätten „in Bussen gewartet“, nur 20 Fahrtminuten vom Kapitol entfernt, und wären bereits kurz nach 14 Uhr einsatzbereit gewesen.

  • Bei der Anhörung kam auch heraus, dass das Heimatschutzministerium die gemeinsame Sitzung am 6. Januar, bei der das Abstimmungsergebnis des Wahlmännerkollegiums bestätigt werden sollte, nicht zum „Nationalen Ereignis mit besonderem Sicherheitsaufwand“ (NSSE) erklärt hat. Dabei seien das FBI, das DHS und andere staatliche Behörden auf zahlreiche Drohungen gegen die Abgeordneten und gegen Vizepräsident Mike Pence gestoßen, die an diesem Tag alle im gleichen Gebäude versammelt waren. Zuvor hatte FBI-Direktor Christopher Wray am Dienstag erklärt, das FBI habe vor der gemeinsamen Sitzung des Kongresses keine Bedrohungsanalyse erstellt.

Wenn eine Veranstaltung als NSSE eingestuft wird, ist der Secret Service für die Koordination, Planung und Umsetzung eines Sicherheitsplans verantwortlich, das FBI muss Geheimdienstdaten sammeln und Antiterrormaßnahmen umsetzen. Frühere Beispiele für NSSE-Ereignisse waren die Parteitage der beiden großen Parteien, Reden zur Lage der Nation und sogar der 36. Super Bowl.

Die demokratische Senatorin Maggie Hassan (New Hampshire) befragte die Zeugin Melissa Smislova, eine hohe Vertreterin des DHS, warum trotz der Drohungen und der politischen Bedeutung der Vorfälle am 6. Januar kein NSSE ausgerufen wurde. Smislova gab zu, dass niemand im DHS auch nur in Erwägung gezogen habe, den 6. Januar zum NSSE zu erklären.

Bisher haben die Anhörungen des Repräsentantenhauses und des Senats über die fehlenden Sicherheitsmaßnahmen am 6. Januar ein erschütterndes Fehlverhalten ans Licht gebracht, für das keine unschuldige Erklärung plausibel erscheint. Doch die Demokraten, die beide Kammern des Kongresses kontrollieren, haben nicht einmal die Vertreter der Trump-Regierung vorgeladen, die zum damaligen Zeitpunkt das Pentagon und das DHS geleitet haben.

Dazu gehören General Miller, der von Trump im November 2020 nach einer Säuberungsaktion im Pentagon ins Amt gebracht wurde. Damals wurden Pentagon-Vertreter entlassen, die sich im Juni Trumps Versuchen widersetzt hatten, den Insurrection Act anzuwenden und aktive Soldaten gegen die landesweiten Proteste gegen Polizeigewalt zu mobilisieren.

Auch Chad Wolf wurde nicht vorgeladen, der als amtierender Leiter des DHS für die Masseninhaftierung von Immigranten an der Grenze sowie den brutalen Einsatz von Bundespolizisten gegen linke Demonstranten in Seattle und Portland verantwortlich war.

Stattdessen betonten die Demokraten bei den Anhörungen am Mittwoch erneut die Notwendigkeit der „Einigkeit“ mit ihren „republikanischen Kollegen“, die weiterhin die Legitimität der Wahl von 2020 in Frage stellen und in großer Mehrheit hinter Trump stehen.

Dies wird auch in einer Kolumne des ehemaligen Vizepräsidenten Mike Pence deutlich, die am Mittwoch erschien. Darin bekräftigt er die Lüge von „beträchtlichen Unregelmäßigkeiten“ bei der Wahl und bezeichnet einen von den Demokraten unterstützten Gesetzentwurf zum Schutz von Briefwahlstimmen als „verfassungswidrigen Versuch, die Macht an sich zu reißen“. Pence hatte noch vor wenigen Wochen Trumps Behauptungen über Wahlbetrug unterstützt. Aber jetzt wird er von Biden und der demokratischen Parteiführung als Vorbild des Patriotismus und der Treue zu demokratischen Prinzipien dargestellt, weil er sich am 6. Januar geweigert hatte, die Abstimmung des Wahlmännerkollegiums abzulehnen.

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