Opel/Stellantis: Arbeitsplatzabbau und verschärfter Arbeitsdruck

Am heutigen Mittwochmittag demonstrieren Opel-Arbeiter in Rüsselsheim gegen den anhaltenden Arbeitsplatzabbau und massiv gesteigerten Arbeitsdruck. Die IG Metall hat zu einer Kundgebung nach Schichtende aufgerufen, offensichtlich um „Dampf abzulassen“. Momentan schuftet ein Teil der Belegschaft unter großem Druck, während ein anderer Teil weiter Corona-Kurzarbeit fährt.

Seit Januar gehören die Opelwerke zum neuen Autogiganten Stellantis. Er ist aus der Fusion des PSA-Konzerns, zu dem Opel gehört, mit Fiat-Chrysler (FCA) entstanden, was mit massiven Angriffen auf die Beschäftigten einhergeht.

Opel-Werk in Rüsselsheim

Der neue Riesenkonzern ist dabei, die Autoproduktion auf E-Mobilität und digitales Fahren umzustellen und die Kosten zu senken, um auf dem umkämpften Weltmarkt die Position des nach Umsätzen drittstärksten Autokonzerns zu behaupten. Dies geht mit der Vernichtung von tausenden Arbeitsplätzen einher. Bei der Fusion im Januar kündigte PSA-Chef Carlos Tavares an: „Wir werden uns von Tag eins an auf die Nutzung von Synergien und auf die Steigerung der Konkurrenzfähigkeit konzentrieren.“

Als eine der ersten Schritte hat Stellantis das gesamte Netz der Vertragshändler aufgelöst und sämtliche europäischen Händlerverträge zum 31. Mai gekündigt. Nur Opel-, Fiat-, Peugeot- oder Vauxhall-Händler, die bis Mitte Juli einen sogenannten Letter of Intent (LoI) erhalten, sollen – zu verschärften Bedingungen – künftig weiter beliefert werden.

Pro Jahr sollen fünf Milliarden an Kosten eingespart werden, und kein Arbeitsplatz ist mehr sicher. Bei Opel hat die IG Metall mit dem Management vereinbart, bis zum Ende des Jahres 2100 Stellen und bis Ende des Jahrzehnts weitere 2000 Arbeitsplätze zu vernichten. Damit werden von 19.000 Beschäftigten, die bei der Übernahme durch PSA im Jahr 2017 noch in Opelwerken arbeiteten, nur noch 8100, also nicht einmal mehr die Hälfte, übrigbleiben.

Ein großes Tamtam wurde daraus gemacht, dass die 2100 Stellenstreichungen „freiwillig“, über Abfindungen und Vorruhestandsregelung, erfolgen sollten. Aber unter Pandemiebedingungen ließen sich gerade einmal 500 Kollegen breitschlagen, die Arbeit „freiwillig“ aufzugeben. Deshalb haben der Vorstand und die IG Metall eine Transfergesellschaft ins Leben gerufen, was nur als Auftakt für betriebsbedingte Kündigungen verstanden werden kann.

Zwar soll der Opel-Blitz als Marke weiter bestehen, aber feststeht, dass der Standort Rüsselsheim deutlich verkleinert wird. „Schrumpft Rüsselsheim zum ‚Alibi‘-Standort?“ fragt sich die lokale Zeitung Main-Spitze.

In der Produktion steigt der Druck auf die Autoarbeiter stark an. Seit Beginn der Pandemie gibt es immer wieder lange Kurzarbeitsperioden. Derzeit läuft nur eine Schicht, und die Wiedereinführung der zweiten Schicht, die für den Herbst angekündigt ist, ist noch keineswegs sicher.

Nun wird auch in Rüsselsheim vollzogen, was in amerikanischen Autowerken bereits üblich ist: eine starke „Flexibilisierung“ der Arbeitszeit, die den Achtstundentag – eine wichtige Errungenschaft im letzten Jahrhundert – zur Disposition stellt. Im Stammwerk soll je nach Auslastung auch wieder Sechstagewoche gefahren werden.

Im Stellantis-Werk Sterling Heights bei Detroit wurde schon Anfang April ein neues Arbeitszeitsystem eingeführt, das sogar Zwölf-Stunden-Schichten und eine Sieben-Tage-Woche ermöglicht. Diesem mörderischen System hat die amerikanische Gewerkschaft United Auto Workers (UAW) zugestimmt.

In den Opel-Bereichen Werkzeug- und Prototypenbau, Teilelager und Designwerkstätten soll voraussichtlich jeder zweite Arbeitsplatz wegfallen. In diesen Bereichen werden Kollegen von den Vorgesetzten aufgefordert, sich intern auf offene Stellen zu bewerben, obwohl sie noch gar nicht gekündigt sind.

Besonders vom Arbeitsplatz betroffen ist das Entwicklerzentrum, wo einst über 7000 Menschen beschäftigt waren. Dort wurden in den letzten drei Jahren schon 2000 Stellen vernichtet, und 750 Beschäftigte wurden gezwungen, zum französischen Entwicklungsdienstleister Segula zu wechseln. Opel will dort mindestens weitere 600 bis 800 Arbeitsplätze abbauen.

Immer offener wird vom Management Druck ausgeübt, und immer öfter wird dabei auch geltendes Recht missachtet. So sollten mehrere Angestellte entlassen werden, weil sie sich geweigert hatten, zum Entwicklungsdienstleister Segula überzuwechseln. Nun hat das Landesarbeitsgericht Hessen acht gekündigten Beschäftigten gegen Opel in zweiter Instanz Recht gegeben. Sie hatten gegen ihre Kündigung geklagt, die damit unwirksam geworden ist, es sei denn, Opel legt noch eine Nichtzulassungsklage beim Bundesarbeitsgericht ein.

Wie Recht sie hatten, zeigt sich derzeit bei Segula. Das Entwicklerunternehmen, das die 750 ex-Opelaner mit Jobgarantie bis 2023 übernommen hatte, will jetzt 100 von ihnen wieder loswerden und schreckt auch vor betriebsbedingten Kündigungen nicht zurück. Der Betriebsrat hatte daran mitgewirkt, dass über 1300 Beschäftigte, die nicht zu Segula wechseln wollten, über Abfindungen ihre Arbeitsplätze bei Opel verloren haben.

Der Umbau zur Elektromobilität und digitalem Fahren wird in keiner Weise vom Standpunkt betrieben, Arbeitsplätze zu sichern. Es geht nicht um Wohl und Sicherheit der Beschäftigten oder darum, was für Gesellschaft oder Klima notwendig wäre. Was allein zählt, ist das kapitalistische Interesse von Aktionären und Banken, und das richtet sich ausschließlich auf die Profitabilität.

Um Arbeitsplätze und Gesundheit zu verteidigen und vernünftige Bedingungen für alle zu schaffen, müssen Arbeiter selbst aktiv werden und sich dem Netzwerk der Aktionskomitees für sichere Arbeitsplätze anschließen. Die World Socialist Web Site tritt dafür ein, dass Arbeiter unabhängige Aktionskomitees aufbauen und Kontakt mit Kollegen in anderen Werken und Ländern aufnehmen. Stellantis unterhält allein in Europa 25 Produktionsstätten und zählt weltweit rund 400.000 Beschäftigte, die alle vor ähnlichen Bedrohungen stehen.

Die Verbindungen reichen auch nach Asien. Um die Autos digital auszurüsten, hat Stellantis nicht nur einen Vertrag mit Google abgeschlossen, sondern außerdem mit dem taiwanesischen Techkonzern und Handybauer Foxconn ein neues Unternehmen („Mobile Drive“) gegründet. Autobauer und –Entwickler haben also immer bessere Möglichkeiten, mit Kollegen in den USA, in Asien und auf der ganzen Welt Kontakt aufzunehmen. Entscheidend ist die politische Grundlage: Sie muss sich auf ein sozialistisches und internationales Programm stützen und jede gewerkschaftliche Standortrivalität entschieden zurückweisen.

Die IG Metall steht mit beiden Beinen im Lager des Konzernmanagements und der Aktionäre. Das hat Opel-Personalchef Ralph Wangemann erneut bestätigt. Gegenüber der Main-Spitze sagte er zum heutigen Protesttag, Opel könne den Sinn und Zweck der Kundgebung nicht nachvollziehen. Der Vorstand habe „die zwingend erforderlichen Restrukturierungsmaßnahmen der vergangenen Jahre im Einklang mit den geltenden Tarifverträgen auf freiwilliger Basis umgesetzt und den Abbau von 2100 Stellen mit der IG Metall vereinbart“. (Hervorhebung hinzugefügt)

Die IG Metall ist für Opel/Stellantis unverzichtbar, um die Angriffe auf die Arbeiter durchzusetzen. Mit Hilfe der Gewerkschaft ist es bereits gelungen, die Opel-Werke in Antwerpen und Bochum zu schließen und viele tausende Stellen zu streichen, ohne einen sozialen Aufstand auszulösen. Immer wieder schürten die IG Metall und ihre Betriebsräte Nationalismus und Standortpolitik, um die Arbeiter zu spalten und gegeneinander auszuspielen.

Ein Werk, das möglicherweise derzeit vor dem Aus steht, und das die IG Metall völlig ignoriert, ist das Opel-Werk in Aspern, östlich von Wien. Dort waren in den 1990er Jahren 3000 Menschen beschäftigt, und heute sind es noch 800. Vor einem halben Jahr wurde die Motorenproduktion eingestellt. Es ist wie ein Symbol, dass die große, fast ein Kilometer lange Opel-Halle zum Verkauf steht, die als eine der größten zusammenhängenden Produktionshallen Europas gilt.

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