Opel/Stellantis: Zukunft für Arbeiter nur ohne IG Metall

Die IG Metall hat bei ihrer Kundgebung am Mittwoch unter dem Motto „Zukunft nur mit uns“ zweierlei deutlich gemacht: Die Großfusion Stellantis bedeutet für die Arbeiter massive, bisher beispiellose Angriffe. Und die Gewerkschaft beteiligt sich an ihnen. Weit davon entfernt, einen gemeinsamen Kampf dagegen aufzunehmen, sorgt die IG Metall mit ihrem Netz von Betriebsräten und Vertrauensleuten dafür, dass die Angriffe reibungslos vonstattengehen.

Kundgebung auf dem Parkplatz hinter dem Adam-Opel-Haus in Rüsselsheim (Foto WSWS)

Seit 2017 gehört Opel-Vauxhall zum französischen PSA-Konzern, und dieser hat sich im Januar mit Fiat-Chrysler zum Gigakonzern Stellantis zusammengeschlossen. Damit hat der Arbeitsplatzabbau erneut Fahrt aufgenommen. Bis zum Ende des Jahrzehnts soll im Vergleich zu 2017 jeder zweite Arbeitsplatz gestrichen werden.

Dabei ist der Konzern im letzten Jahr in die schwarzen Zahlen zurückgekehrt. Aber der Betriebsrat hat weitere Zugeständnisse auf Kosten der Arbeiter gemacht, zum Beispiel bei der Kürzung der Pausenzeiten, bei der Arbeitsverdichtung und bei der Reduzierung der Ausbildungsplätze. Für einen Teil der Belegschaft herrscht noch bis Ende des Jahres Kurzarbeit. Wo dagegen gearbeitet wird, steigt gleichzeitig der Arbeitsdruck, denn durch die forcierten „freiwilligen“ Aufhebungsverträge fehlen überall Arbeitskräfte.

Besonders das Rüsselsheimer ITEZ (Internationales Technisches Entwicklungszentrum) ist betroffen. Dort sind schon 2000 Stellen abgebaut worden, und 750 Ingenieure und andere Beschäftigte wurden gezwungen, zum Dienstleister Segula zu wechseln, der nun wieder 100 von ihnen loswerden will. Entgegen geschlossenen Verträgen wird mit betriebsbedingten Kündigungen gedroht.

Auf Radio Rüsselsheim berichteten Arbeiter während der Kundgebung, dass der Arbeitsdruck so stark auf vielen Kollegen laste, dass „mitunter bis zum Burn-out“ gearbeitet werde, während andere Kollegen die ganze Zeit in Corona-Kurzarbeit verbleiben müssten. Ein Arbeiter aus dem Bereich Design sagte: „Fünf bis zehn Prozent der Mitarbeiter arbeiten, der Rest ist in Kurzarbeit, und ein kleiner Teil arbeitet von Zuhause.“ Andere berichteten über Existenzängste. In den Abteilungen gebe es zwar massiv zu tun, aber die Kündigung schwebe „wie ein Damoklesschwert“ über den Köpfen der Beschäftigten.

Auf der Kundgebung räumte Ulrike Obermayr, Erste Bevollmächtigte der IG Metall Darmstadt, offen ein: „Das Einzige, was bei Opel intern zählt, ist der Abbau von Arbeitsplätzen.“ Massiv würden Beschäftigte unter Druck gesetzt, das Unternehmen zu verlassen.

Von den Betriebsräten des Zentralen Ersatzteilelagers in Bochum war zu vernehmen, dass „Stellantis uns gegen unsere Kollegen in den französischen und italienischen Zentrallagern ausspielen, uns zum Verzicht auf Weihnachts- und Urlaubsgeld und zu Arbeitszeitverlängerung ohne Lohnausgleich erpressen“ wolle. Das Zentrale Ersatzteillager ist der Rumpfbetrieb, der nach der Schließung der Bochumer Opel-Werke noch übriggeblieben ist.

In dieser Situation haben die IGM-Funktionäre und Betriebsräte, die auf der Kundgebung sprachen, den Opel-Arbeitern nicht die geringste Perspektive zu bieten. Weit davon entfernt, auch nur den Anschein eines Arbeitskampfs zu erwecken, betonten sie immer wieder, wie verlässlich die IG Metall sich an alle „Spielregeln“ halte, und dass sie dasselbe von der Konzernspitze von Stellantis erwarteten. Im Zentrum stand nicht das Wohlergehen der Arbeiter, sondern die Zukunft der Marke Opel.

Christiane Benner, Zweite Vorsitzende der IG Metall (Foto WSWS)

Christiane Benner, Zweite Vorsitzende der IG Metall, behauptete: „Ihr kämpft seit vielen Jahren, dass die Traditionsmarke Opel eine Zukunft hat.“ Nur gut motivierte Beschäftigte könnten auch „gute Autos bauen. Und das ist es doch, was ihr eigentlich wollt, Kolleginnen und Kollegen!“ Sie sprach von „schmerzlichen Einschnitten“ und bezog sich namentlich auf „meine Kollegen Bernd Lösche und Thorsten Zangerle“ (die Betriebsratsvorsitzenden von Opel Eisenach und Kaiserslautern), sowie die Rüsselsheimer Betriebsräte Wolfgang Schäfer-Klug und Uwe Baum. Sie versicherte: „Wir halten uns an die Absprachen! Das muss auch für die andere Seite gelten (…) Dann machen wir uns wieder an die Arbeit, damit es nach vorne geht für die Marke Opel.“

Benner sprach offenkundig für die Ohren der Unternehmensleitung von Opel und Stellantis. Vor wenigen Tagen hatte Opel-Chef Michael Lohscheller erklärt: „Wir müssen uns intensiver und mit viel lauterer Stimme für Opel einsetzen“, sonst würden die Investitionen bei Stellantis „woanders hingehen“.

Christiane Benner gehört ihrem Einfluss und Einkommen nach nicht zur Arbeiterklasse, sondern zur Elite der deutschen Autoindustrie. Sie ist sowohl Nummer Zwei der IG Metall und SPD-Mitglied, als auch stellvertretende Vorsitzende des Aufsichtsrats von Continental und Mitglied im Aufsichtsrat von BMW. Beide Positionen werden jeweils mit Vergütungen von 200.000 Euro jährlich dotiert.

Opel-Arbeiter am Rand der Kundgebung (Foto WSWS)

Auch Wolfgang Schäfer-Klug, Betriebsratschef von Opel-Rüsselsheim, hatte den Arbeitern, die mit versteinerten Gesichtern im strömenden Regen standen und zuhörten, keine stichhaltigen Informationen mitzuteilen. Nur etwa 300 bis 400 Arbeiter waren gekommen, was die Gewerkschaft damit zu entschuldigen versuchte, dass der Vorstand kurzfristig zwei Kurzarbeitertage eingeschoben hatte.

Schäfer-Klug betonte die „inhumanen Arbeitsbedingungen“, die mittlerweile vorherrschten. Er gab offen zu, dass der Betriebsrat in Rüsselsheim gemeinsam mit dem Vorstand den Abbau von 2100 Stellen betreibe, und behauptete nur, dies geschehe alles „auf freiwilliger Basis“. Seine einzige Forderung bestand darin, dass dabei kein Druck auf die Arbeiter ausgeübt werden dürfe. Es sei zu einer „Verrohung der Sitten“ gekommen, klagte der Gewerkschafter, Mitarbeiter fühlten sich gemobbt und die Mitbestimmungsrechte würden nicht respektiert.

Damit beschrieb Schäfer-Klug genau die Situation, die er selbst und seine Organisation seit Jahren herbeigeführt haben. Oft genug sind es gerade die gewerkschaftlichen Vertrauensleute, die die Arbeiter unter Druck setzen, damit sie Aufhebungsverträge „freiwillig“ unterschreiben und auf hart erkämpfte Errungenschaften verzichten. Die Wut, die darüber in der Belegschaft entsteht, versuchen sie über wirkungslose Trillerpfeifenproteste verpuffen zu lassen.

Seit Jahr und Tag beweisen Betriebsrat und IG Metall dem Opel-Management ihre Verlässlichkeit. Sofort nach der Übernahme durch PSA nahm Schäfer-Klug an Geheimgesprächen mit PSA-Chef Carlos Tavares teil und unterschrieb dann den sogenannten „Zukunftsvertrag“ namens PACE!, der den Abbau von Tausenden Arbeitsplätzen beinhaltete. Seiher hat Schäfer-Klug zwar den Gesamtbetriebsratsvorsitz an Uwe Baum abgegeben, leitet aber nach wie vor den Rüsselsheimer und den Europa-Betriebsrat.

Mit der Fusion zu Stellantis hat Vorstandschef Tavares zuletzt die Ansprüche des Konzerns hochgeschraubt und fordert jährlich Einsparungen in Höhe von fünf Milliarden Euro, um am Weltmarkt konkurrenzfähig zu bleiben. Und auch diese Forderung wird akzeptiert und gemeinsam mit dem Management umgesetzt. Dazu predigt die IG Metall den Arbeitern nationalistische Standortpolitik nach dem verlogenen Motto: „Wir sitzen alle im selben Boot.“

Auf der Veranstaltung hatte sie sich dazu die Unterstützung prominenter Politiker gesichert. Eine Grußbotschaft des thüringischen Ministerpräsidenten Bodo Ramelow (Die Linke) wurde abgespielt, der sich wünschte, „dass eine gute deutsche Marke auch einen guten Klang hat, und zum guten Klang gehört ein gutes Umgehen mit den eigenen Mitarbeitern. Kampfansagen bringen uns nicht weiter.“

Auch Malu Dreyer (SPD), rheinland-pfälzische Ministerpräsidentin, sprach sich in ihrem Grußwort „aus tiefster Überzeugung für eine starke Sozialpartnerschaft“ aus. Und auch der hessische Ministerpräsident Volker Bouffier (CDU) lobte die Sozialpartnerschaft und sprach sich in einem schriftlichen Statement dafür aus, jedes „Gegeneinander“ zu vermeiden. Die Botschaft ist klar: Um die „gute deutsche Marke Opel“ zu verteidigen, müssen Arbeiter ihre Ansprüche zurückschrauben, noch mehr Opfer bringen und vor allem die Kontrollfunktion der Gewerkschaft respektieren.

Die Kundgebung machte sehr klar, dass auf diese Weise die immer brutaleren Angriffe auf Arbeiter nicht gestoppt werden können: Stattdessen werden die Opelaner systematisch gegen ihre Kollegen aufgehetzt, die bei Vauxhall, Peugeot, Citroen, Fiat, Chrysler und anderswo genau dieselben Probleme haben. Und diese Spaltung der Arbeiterklasse wird genau in dem Moment vertieft, in dem die Fusion 400.000 Arbeiter aus Europa, Amerika und Asien in dem multinationalen Konzern Stellantis zusammenführt.

Die World Socialist Web Site setzt sich aus diesem Grund für eine Strategie ein, die genau in die entgegengesetzte Richtung geht: Arbeiter müssen sich unabhängig von den nationalistischen Gewerkschaften zu Aktionskomitees zusammenschließen, die über alle Grenzen hinweg für sichere Arbeitsplätze kämpfen. In diesem Sinn kämpft die WSWS für die internationale Arbeiterallianz unabhängiger Aktionskomitees.

An der Opel-Kundgebung nahm eine Delegation der entlassenen WISAG-Arbeiter vom Frankfurter Flughafen teil

An der Kundgebung nahm auch eine Delegation von Flughafenarbeitern von WISAG teil, die gekommen waren, um die Solidarität der Opel-Arbeiter einzufordern. Auch sie haben bittere Erfahrungen mit dem DGB hinter sich: Gegen ihre illegitime Entlassung vom Frankfurter Flughafen hatte die Dienstleistungsgewerkschaft Verdi keinen Finger gerührt. Deshalb sind sie ausgetreten und haben einen schwarzen Totenkranz vor der Verdi-Zentrale in Frankfurt niedergelegt.

Auch der IG Metall laufen offenbar inzwischen die Mitglieder weg, worauf sie beinahe panisch reagiert. Deshalb lief die Veranstaltung unter dem Slogan: „Zukunft nur mit uns“, und praktisch jeder Redner forderte dazu auf, Mitglied der IG Metall zu werden.

Die Gewerkschaft geht dabei so weit, dass sie offen damit wirbt, für ihre Mitglieder besondere Vorrechte zu erwirken, wie vor kurzem bei Continental, wo gleich mehrere Betriebe geschlossen werden und die IG Metall-Mitglieder nun größere Sicherheiten und bessere Abfindungen bekommen sollen. Arbeiter müssen diese Erpressermethoden zurückweisen und das Prinzip „Einer für alle und alle für einen“ gegen die gewerkschaftliche Spaltungspolitik verteidigen.

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