Biden dringt bei G7-Gipfel auf chinafeindlichen Kurs und kritisiert Johnson wegen Brexit

Das Gipfeltreffen der G7-Staaten, das am Wochenende in Großbritannien stattfindet, wird von den Versuchen von US-Präsident Joe Biden geprägt sein, die Achse gegen China zu stärken.

Die Washington Post veröffentlichte letzten Samstag eine Kolumne von Biden, laut der er es als seine Aufgabe betrachtet, dafür zu sorgen, dass „die USA und ihre Verbündeten und nicht China oder sonst irgendjemand die Regeln für Handel und Technologie im 21. Jahrhundert festlegen“. Bereits im April hatte er im Kongress unter Beifall erklärt: „Wir befinden uns im Wettbewerb mit China und anderen Ländern um die Kontrolle über das 21. Jahrhundert.“ Am Dienstag verabschiedete der Senat ein „Gesetz zur Wettbewerbsfähigkeit mit China“, das die wirtschaftliche und militärische Zuspitzung des Konflikts vorbereiten soll.

US-Präsident Joe Biden (links) im Gespräch mit dem britischen Premierminister Boris Johnson am 10. Juni im britischen Cornwall (Toby Melville/Pool Photo via AP)

Für diese Strategie gilt es die Unterstützung der europäischen Mächte zu gewinnen. US-Admiral James Stavridis, der ehemalige Nato-Befehlshaber, erklärte in einer Kolumne für Bloomberg: „Nur Europa hat die notwendige Bevölkerung, Geografie, Werte und – vor allem – das notwendige wirtschaftliche Gewicht, um den Bedürfnissen der USA nach einem glaubwürdigen Gegengewicht in diesem beginnenden kalten Krieg gerecht zu werden ...

Nur in Europa können die USA das Zusammenspiel von Werten, wirtschaftlicher und militärischer sowie technologischer Kapazitäten im notwendigen Umfang finden, um sich der chinesischen Bedrohung entgegenzustellen.“

Biden, der 50 Jahre politische Erfahrung hat, baut Trumps hektischen anti-chinesischen Kurs zu einer langfristigen Strategie aus und zieht seine Verbündeten in einen neuen „kalten Krieg“, der, genau wie der letzte, als Kampf für Freiheit gegen Autoritarismus dargestellt werden wird.

In der ersten Rede seiner Amtszeit in Großbritannien erklärte Biden auf dem US-Luftwaffenstützpunkt RAF Mildenhall: „Wir werden deutlich machen, dass die USA zurück sind und dass die Demokratien der Welt zusammenstehen ... dass wir entschlossen sind, mit Stärke zu führen.“

Der britische Premierminister Boris Johnson hat Australien, Südkorea und Indien zu dem Gipfeltreffen eingeladen, um diesen Kurs voranzubringen und Pläne für eine vergrößerte „D-10“-Gruppe bekanntzugeben, die aus zehn „Marktdemokratien“ bestehen soll.

Politische Kommentatoren haben viel von der Distanz zwischen den USA und Europa beim Thema China geschrieben. Die europäischen Mächte haben ihre eigenen wirtschaftlichen und strategischen Interessen, die sie nicht einfach zugunsten des US-Imperialismus opfern werden. Letztes Jahr hat China die USA als größter Handelspartner der EU abgelöst, u. a. ist es der größte Importmarkt Großbritanniens und der größte Exportmarkt Deutschlands.

Doch der Kurs auf eine militantere antichinesische Haltung ist klar. Frankreich, Deutschland und Großbritannien haben Kriegsschiffe zur Unterstützung der US-Provokationen im Südchinesischen Meer geschickt. Die EU hat ein großes Investitionsabkommen mit China auf Eis gelegt, nachdem es zu US-Sanktionen aufgrund der Uiguren-Frage kam.

Der G7-Gipfel wird auf diese Grundlagen aufbauen. Im dem geleakten Entwurf der Abschlusserklärung verpflichten sich die Unterzeichner nicht nur zu Aktionen gegen Peking wegen dessen Behandlung der Uiguren. Im Mittelpunkt stehen Forderungen nach einer neuen Untersuchung der Ursprünge von Covid-19 durch die Weltgesundheitsorganisation und die Unterstützung der schmutzigen Lüge, das Virus stamme aus dem Institut für Virologie in Wuhan.

Am Donnerstag signalisierte die EU ihre Unterstützung für diese toxische Kriegspropaganda. Die Präsidentin der Europäischen Kommission Ursula von der Leyen erklärte, die Ermittler bräuchten vollständigen Zugang zu allem, was notwendig ist, um die Herkunft der Pandemie zu finden.

Biden wird sich außerdem für einen Infrastruktur-Investitionsplan zur Abwehr von Chinas Belt-and-Road-Initiative unter Führung der G7-Staaten einsetzen. Beim USA/EU-Gipfel nächste Woche werden Biden und seine europäischen Amtskollegen über Pläne für einen amerikanisch-europäischen Handels- und Technologierat diskutieren, der „die Koordination bei 5G, Halbleitern, Versorgungsketten, Exportkontrollen und technologischen Regeln und Standards stärken soll“, wie die Financial Times schrieb. Dies wird einen Rahmen schaffen, in dem die Mitglieder ihre gegensätzlichen wirtschaftlichen Ambitionen verfolgen, sich aber trotzdem gemeinsam gegen China stellen können.

Großbritannien und die USA haben im Zusammenhang damit eine „Atlantik-Charta“ angekündigt, in der acht Kooperationsbereiche festgelegt werden, darunter die gemeinsame Sicherheit, die Verteidigung der Demokratie, die Reaktion auf Cyberangriffe und die Stärkung des Fair-Trade-Systems. Ein Vertreter der britischen Regierung erklärte gegenüber der FT: „Es ist nicht unvernünftig, das als Botschaft an China zu verstehen.“

Diese Abkommen werden untermauert durch kriegerischen Militarismus. Biden erklärte in seiner Rede vor den US-Truppen in Großbritannien: „Sie sind das solide stählerne Rückgrat Amerikas, auf dem Bündnisse gebaut und gefestigt werden.“ Er fügte hinzu, die „einzige wirklich heilige Pflicht“ der USA sei es, ihre Streitkräfte „vorzubereiten und auszurüsten“.

Am Montag wird Biden am Nato-Gipfel in Brüssel teilnehmen, um dieser Verpflichtung nachzukommen und die Pläne des Bündnisses für einen Krieg gegen China zu entwickeln. Nato-Chef Jens Stoltenberg erklärte am Montag bei einem Treffen mit US-Verteidigungsminister Lloyd Austin, die Organisation „verschärft unsere Reaktion auf die zunehmende globale Konkurrenz“. China und Russland warf er vor, „autoritären Widerstand gegen die regelbasierte internationale Ordnung zu leisten“.

Die Drohungen gegen Russland wurden zwar etwas zurückgefahren, damit sich Biden auf den Aufbau des Bündnisses gegen China konzentrieren kann, doch der Präsident erinnerte Moskau dennoch an seinen Platz in den Plänen des US-Imperialismus. Er erklärte in seiner Rede in Mildenhall unter Applaus, er werde dem russischen Präsidenten Wladimir Putin bei ihrem Treffen nächste Woche „mitteilen, was ich ihm mitteilen möchte... Die USA werden auf robuste und deutliche Weise reagieren, wenn die russische Regierung schädliche Dinge tut.“

Im Entwurf der Abschlusserklärung wird Russland aufgefordert, gegen Cybercrime-Gruppen innerhalb seiner Grenzen vorzugehen.

Johnsons Hoffnung, Großbritanniens Position als Austragungsort des Gipfels zu benutzen, um nach dem Brexit die Position des Landes auf der Weltbühne zu stärken, wurde bereits vor Beginn der Veranstaltung zunichte gemacht. Während Trump den Brexit als Teil seines „America First“-Kurses unterstützte, um die Europäische Union zu spalten, betrachtet Biden die „besondere Beziehung“ zwischen den USA und Großbritannien nur insoweit als nützlich, wie Großbritannien die Diktate der USA in Europa durchsetzen kann.

Schon vor Bidens Ankunft kritisierten er und führende Vertreter seiner Regierung Großbritannien für seinen anhaltenden Zwist mit der EU wegen der Grenze zu Nordirland. Der nationale Sicherheitsberater Jake Sullivan erklärte bei einer Pressekonferenz an Bord der Air Force One: „Die USA werden nichts begrüßen, was das Karfreitagsabkommen gefährdet oder schwächt.“

Das Karfreitagsabkommen von 1998, das von Tony Blairs Labour-Regierung und Bill Clinton ausgehandelt wurde, bedeutete das Ende des Nordirland-Konflikts, der drei Jahrzehnte angedauert hatte, und führte zu stabileren wirtschaftlichen Verhältnissen für Investitionen in Nordirland.

Sullivan fügte hinzu: „Der Präsident hat keine Drohungen oder Ultimaten ausgesprochen, [aber] das Abkommen muss geschützt werden.“

Im Vorfeld von Sullivans Äußerungen hatten sich die US-Sonderbeauftragte Yael Lempert und der britische Brexit-Unterhändler Lord Frost getroffen. Laut der Times forderte Lempert eine Verhandlungslösung mit der EU: „Yael Lempert, die ranghöchste US-Diplomatin in Großbritannien, erklärte gegenüber [dem britischen Brexit-Unterhändler] Lord Frost, die Regierung schüre durch ihren Widerstand gegen Kontrollen in den Häfen der Provinz die Spannungen in Irland und Europa.“

Lempert wurde angewiesen, London eine Demarche – eine formelle diplomatische Rüge – zu erteilen, was zwischen ausgewiesenen Verbündeten eher selten vorkommt. Die Times berichtete über ein Treffen am 3. Juni: „Frost wurde bei einem spannungsgeladenen Treffen über Bidens ,große Sorge‘ wegen seiner Haltung informiert. Lempert soll ,ihre Anweisungen [von Washington] langsam und ernst verlesen haben‘.“

Die Intervention der Biden-Regierung war zeitlich darauf abgestimmt, die EU zu stärken, die von Großbritannien bei den problematischen Verhandlungen um Nordirland Zugeständnisse fordert.

Brüssel hat Wirtschaftssanktionen angekündigt, falls Johnson einseitig Teile des Nordirland-Protokolls aussetzt, das eine feste Grenze zwischen Nordirland und dem Rest der Insel überflüssig machen sollte. Am 30. Juni will die EU den Export von Kühlfleisch aus Großbritannien über die Irische See nach Nordirland verbieten. Großbritannien hat darauf mit der Drohung reagiert, die Schonfrist für Unternehmen – die gewährt wurde, damit die diese die neuen Regeln umsetzen können –, die Kontrollen des Exports von Kühlfleisch vorschreibt, einseitig zu verlängern.

Die beiden Seiten haben bei zwei Treffen am Mittwoch keine Einigung erzielt. Der Vizepräsident der Europäischen Kommission Maroš Šefčovič erklärte: „Wenn Großbritannien in den kommenden Wochen weiterhin unilateral handelt, wird die EU nicht davor zurückschrecken, schnell, entschlossen und resolut zu handeln, um sicherzustellen, dass sich Großbritannien an seine internationalen Verpflichtungen hält.“

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