Frankreich: Monarchist aus dem Umfeld der rechtsextremen Action française ohrfeigt Macron

Am Donnerstag wurde Damien Tarel, der den französischen Präsidenten Emmanuel Macron am 8. Juni bei einem Auftritt in der Gemeinde Tain-l’Hermitage geohrfeigt hatte, von einem Gericht in Valence zu 18 Monaten Haft verurteilt, von denen 14 zur Bewährung ausgesetzt wurden.

Macron hatte eine „Tour de France“ begonnen, in deren Verlauf er sich mit französischen Bürgern und Bürgermeistern treffen wollte. Kurz vor 13:30 Uhr besuchte er eine Hotelfachschule, um dort die Wiederöffnung der Restaurants und die vorschnelle Aufhebung der Distanzierungsmaßnahmen zu feiern, die zur Eindämmung des Virus eingeführt worden waren. Als er auf die Menge zuging, schlug ihn Tarel ins Gesicht und rief dabei: „Montjoie Saint-Denis! Nieder mit Macrons Regime!“

Ausschnitt aus einer Videoaufnahme von Damien Tarels Angriff auf Macron

Der Schlachtruf „Montjoie Saint-Denis“ wurde seit dem 13. Jahrhundert von den Armeen der französischen Kapetinger-Dynastie benutzt. Heute ist er eine Parole der monarchistischen extremen Rechten, vor allem der Action française.

Kurz vor Macrons Ankunft wurden Tarel und zwei weitere Personen von einem Journalisten des Senders TMC interviewt. Seine beiden Begleiter erklärten, sie wollten Macron treffen und mit ihm reden. Arthur C., einen von Tarels Begleitern, der dabei war, als Macron geohrfeigt wurde, hat die Polizei verhaftet. Laut AFP erklärte der dritte Mann namens Loïc, Tarel habe kein Interesse an Politik und „keine solchen Ansichten“, was jedoch offensichtlich gelogen ist.

Die Polizei durchsuchte die Wohnungen von Tarel und Arhur C., die beide 28 Jahre alt sind, sowie deren Aktivitäten im Internet. In Arthur C.s Wohnung fanden sie mittelalterliche Waffen, Ausgaben von Hitlers Buch Mein Kampf und Feuerwaffen. Tarel, der arbeitslos ist und an Legasthenie leidet, folgte auf Facebook der Lyoner Sektion der rechtsextremen monarchistischen Partei Action française und auf YouTube hatte er den rechtsextremen Kanal von Papacito abonniert, der Morddrohungen gegen Wähler von Jean-Luc Mélenchon ausgesprochen hat.

Vor Gericht bezeichnete sich Tarel als rechten Nationalisten und erklärte, seine Wut habe ihn übermannt, als er vor Macron stand, denn: „Als Ritter verabscheuen wir Lügen. ... Macron repräsentiert die Degeneration unseres Landes.“ Dann nannte er als Grund für seinen monarchistischen Schlachtruf: „Das war eine Anspielung auf den Schlachtruf von Rittern, eine patriotische Parole. ... Das Rittertum ist eine Stimme. Ich glaube nicht, dass Macron reagiert hätte, wenn ich ihn zu einem Schwertkampf bei Sonnenaufgang herausgefordert hätte.“

Tarel bagatellisierte seine faschistische Gesinnung. Zu einem Bild, auf dem er mit Hitler-Schnurrbart zu sehen ist, erklärte er, es sei „nur ein Witz“ gewesen. Auch die Entdeckung des Buchs Mein Kampf bei Arthur C. spielte er herunter: „Ich habe das Buch meinem Freund geschenkt, weil er sich für den Zweiten Weltkrieg begeistert.“

Tarel erklärte, er sei „begeistert von der ‚Gelbwesten‘-Bewegung, deren Stimme nicht mehr gehört wird“ und wütend über Macrons Politik. Weiter erklärte er: „Als ich seine aufgesetzte Freundlichkeit sah, [begriff ich, dass er] mich dazu bringen wollte, ihn zu wählen.“

Die Bewegung der „Gelbwesten“ war zweifellos spontan und politisch sehr heterogen, doch Tarels monarchistische Aktionen haben nichts mit dem Streben nach sozialer Gleichheit und der Verbesserung der Lebensbedingungen der Arbeiter zu tun, die die meisten „Gelbwesten“ angetrieben haben. Die außergewöhnliche Reaktion der herrschenden Klasse auf einen Schlag ins Gesicht des Staatsoberhaupts verdeutlicht das.

Das gleiche politische Establishment, das gegen die „Gelbwesten“ getobt hat, ist nun in Bemühungen vereint, die monarchistischen Ansichten und rechtsextremen Beziehungen der Personen, die das Staatsoberhaupt angegriffen haben, zu verharmlosen und zu vertuschen.

Bereits am Donnerstag erklärte Macron mehrfach, Tarels Geste sei nichts anderes als ein „isolierter Akt“ einiger weniger „ultra-gewaltbereiter Individuen“.

Am Donnerstag behauptete er sogar, es sei „nicht so gravierend, geohrfeigt zu werden, wenn man auf eine Menschenmenge zugeht“ und behauptete, solche Gewalt herrsche überall in der Gesellschaft: „Man muss sagen, dass es sich nur um eine isolierte Tat handelt und dass es in der heutigen Gesellschaft Menschen gibt, die spontan gewalttätig werden.“ Er appellierte außerdem an die rechte feministische #MeToo-Bewegung und erklärte, der Vorfall sei „keine echte Gewalt“. Echte Gewalt sei vielmehr die Gewalt, „die Frauen erleiden, die von ihrem Partner oder Mann getötet werden“.

So konnte die Parteichefin und Präsidentschaftskandidatin des neofaschistischen Rassemblement National, Marine Le Pen, allen politischen Angriffen im Zusammenhang mit diesem außergewöhnlichen Vorfall entgehen.

Le Pen sah sich direkt nach dem Angriff auf Macron dazu verpflichtet, auf BFM-TV und Twitter zu erklären: „Ein tätlicher Angriff auf den Präsidenten der Republik ist nicht zulässig. Ich bin zwar eine entschiedene Gegnerin von Emmanuel Macron, aber er ist der Präsident: Man kann politisch gegen ihn sein, aber Gewalt gegen ihn darf nicht geduldet werden. Meiner Meinung nach ist diese Tat nicht statthaft und muss in einer Demokratie eindeutig verurteilt werden.“

Am Donnerstag erklärte Le Pen jedoch, sie teile Macrons Meinung, dass der Angriff ein „isolierter Akt“ auf der Grundlage eines „ideologischen Sammelsuriums“ sei. Tatsächlich ist es eine politische Tat, die von den rechtsextremen Traditionen motiviert war, auf denen auch ihre Partei basiert.

Der rechtsextreme Kommentator Eric Zemmour konnte auf CNews ungehindert erklären, Macron habe „nur bekommen, was er verdient hat ... Er hat sein eigenes Amt geschwächt ... In der französischen Wahrnehmung der Institutionen ist er der König, er geht nicht einfach auf die Straße und redet mit irgendjemandem.“

Jean-Luc Mélenchon von der Partei Unbeugsames Frankreich äußerte in einem Tweet die fromme Hoffnung, dass diese Erfahrung Macron zu einer härteren Haltung gegen die Gefahr neofaschistischer Gewalt animieren würde: „Fangen Sie jetzt an, zu begreifen, dass gewaltbereite Leute es ernst meinen? Ich solidarisiere mich mit dem Präsidenten.“

Obwohl rechtsextreme monarchistische Gewalt gegen Macron zurückgewiesen werden muss, gibt es überhaupt keinen Grund, sich mit dem französischen Präsidenten zu solidarisieren. Die Vorstellung, Macron würde etwas gegen rechtsextreme Gewalt unternehmen, ist illusorisch – schließlich war es Macron, der während seiner gesamten Amtszeit rechtsextreme Kräfte kultiviert und sie gegen streikende Arbeiter und soziale Proteste eingesetzt hat.

Bereits am Abend seines Wahlsieges im Jahr 2017 übermittelte Macron Le Pen und ihren Anhängern einen „republikanischen Gruß“, mit dem er den Kurs seiner gesamten Amtszeit zum Ausdruck brachte. Funktionäre seines Kulturministeriums haben versucht, die Werke des antisemitischen Führers der Action française, Charles Maurras, neu herauszugeben, der eine wichtige Stütze des Vichy-Kollaborationsregimes im Zweiten Weltkrieg war und nach der Befreiung wegen Hochverrats verurteilt wurde. Im Jahr 2018 lobte Macron das Vorgehen der Bereitschaftspolizei gegen die „Gelbwesten“ und bezeichnete den Nazi-Kollaborateur und Diktator Philippe Pétain als „großen Soldaten“.

Erst kürzlich ernannte er mit Gérald Darmanin einen ehemaligen Sympathisanten der Action française zum Innenminister. Darmanin ist dabei, im Parlament demokratiefeindliche Gesetze für die „globale Sicherheit“ und gegen islamischen „Separatismus“ durchzusetzen und hat erklärt, der Anblick von halalen und koscheren Lebensmitteln in französischen Lebensmittelgeschäften würde ihn jedes Mal empören.

Macron hält es für „nicht gravierend“, von Monarchisten geschlagen zu werden, weil seine Regierung – und die Finanzaristokratie, die hinter ihr steht – danach strebt, rechtsextreme Kräfte zu mobilisieren, um ihre obszönen Vermögen und Klassenprivilegien gegen die Arbeiterklasse zu verteidigen.

Loading