Vierzig Jahre seit dem PATCO-Streik: Teil 5

Die Auswirkungen

TEIL EINS / TEIL ZWEI / TEIL DREI / TEIL VIER

„Man möchte, dass wir verschwinden. Aber fast 12.000 Menschen kann man nicht einfach von der Landkarte tilgen“; – Bob Kenney, streikender Fluglotse, Bulletin, 26. Oktober 1981.

„Reagan hat nicht nur die Schlacht gewonnen. Er hat den ganzen gottverdammten Krieg gewonnen“; – UAW-Präsident Douglass Fraser.

Streikposten am Flughafen Detroit zu Beginn des Streiks (WSWS Media)

Die PATCO-Mitglieder wurden inmitten der schlimmsten sozialen Krise seit der Großen Depression in die Arbeitslosigkeit gestoßen. Die ersten beiden Jahre der Reagan-Regierung waren für die Arbeiterklasse eine Zeit des Gemetzels.

Die Zinsschocktherapie Paul Volckers, des Vorsitzenden der US-Notenbank Federal Reserve, wühlte die gesamte industrielle Wirtschaft auf. Sie riss bis 1982 Fabriken und Farmen, Städte und Gemeinden sowie ganze Regionen in den Abgrund. Im Dezember 1981 waren offiziell 10,7 Millionen Menschen arbeitslos, das entsprach 8,9 Prozent der Erwerbsbevölkerung. Im Jahr 1982 stieg die Arbeitslosenquote auf 10,7 Prozent. Es gab rund 2.700 Fälle von Massenentlassungen oder Betriebsschließungen, was zur Vernichtung von beinahe 1,3 Millionen Arbeitsplätzen führte. [1]

Was wurde aus den Hunderttausenden von Arbeitern, die entlassen wurden, dieser Flut an menschlichem Elend, in der die PATCO-Mitglieder nur einen winzigen Teil ausmachten? Nur sehr wenige systematische Studien sind jemals darüber erstellt worden. Eine der wenigen Ausnahmen war eine Studie der Cornell University aus dem Jahr 1982. Sie untersuchte den Status von 4.700 Arbeitern, die 1980 aus dem Ford-Werk in Mahwah (New Jersey) entlassen worden waren. Die Hälfte der einfachen Fabrikarbeiter war zwei Jahre später immer noch arbeitslos. Von den über 40-Jährigen waren 61 Prozent immer noch ohne Arbeit; bei den Frauen waren es 72 Prozent. Vor der Schließung lag ihr Durchschnittseinkommen bei 21.600 Dollar. Zwei Jahre später lag es bei weniger als der Hälfte, nämlich bei 10.400 Dollar. [2]

Das Elend der Massenentlassungen wurde noch dadurch verstärkt, dass die Regierung die brutalsten Haushaltskürzungen der modernen Geschichte verabschiedete. Reagans Haushaltspläne von 1981 und 1982 vernichteten Sozialprogramme, die den schwächsten Teilen der Arbeiterklasse zugute gekommen waren: den Arbeitslosen, Armen, Senioren, Kindern, Behinderten, Vietnam-Veteranen und sogar pensionierten Grubenarbeitern, die an der Schwarzen Lunge litten. Gleichzeitig enthielten die Budgets massive Steuersenkungen für Reiche und Konzerne und eine drastische Steigerung der Militärausgaben. Die Demokratische Partei unterstützte diese Politik des nackten Klassenkampfs und gewährte ihr in beiden Jahren die Zustimmung Dutzender Abgeordnetenstimmen, die für ihre Verabschiedung notwendig waren. [3]

Das erklärte Ziel der Massenarbeitslosigkeit war es, die Arbeitskosten zu senken. Eine Gewerkschaft nach der anderen – die United Auto Workers (UAW), die United Steelworkers (USW), die Teamsters, die United Rubber Workers, die American Federation of Teachers (AFT) und die National Education Association (NEA) und viele andere – öffnete ihre Verträge und zwang den einfachen Arbeitern Zugeständnisse auf.

Temperamentvolles PATCO-Kontingent beim Labor Day in Detroit, 1981 (WSWS Media)

Die Zugeständnisse wurden mit der Behauptung gerechtfertigt, sie dienten der „Wettbewerbsfähigkeit“ der amerikanischen Wirtschaft oder würden die Zahlungsfähigkeit der verschiedenen staatlichen Ebenen erhalten. „Akzeptiert diese Kürzungen“, sagten die Gewerkschaften zu den Arbeitern, „oder ihr verliert euren Arbeitsplatz“. Aber die Arbeiter verloren ihre Arbeitsplätze trotzdem. Zwischen 1981 und 1982 verlor die AFL-CIO 739.000 Mitglieder, die meisten davon infolge von Entlassungen. [4]

Die PATCO-Niederlage hatte katastrophale Auswirkungen auf alle Arbeiter. Das zeigt sich vielleicht am klarsten an dem Schicksal derjenigen Luftfahrtbeschäftigten, die von ihren Gewerkschaften angewiesen worden waren, die PATCO-Streikposten zu missachten, was dazu beitrug, den militanten Kampf zu ersticken.

Anfang August 1981, als der PATCO-Streik bereits im Gange war, trafen sich Führungskräfte der Luftfahrtindustrie mit Verkehrsminister Drew Lewis und drängten die Reagan-Regierung, einen langfristigen Flugplan zu verabschieden, „selbst wenn das bedeutet, dass die Einschränkungen mehrere Monate lang aufrechterhalten werden müssen“. Auf die Frage eines Reporters, ob die Fluggesellschaften von dem Streik und den reduzierten Flügen nicht in Wirklichkeit profitieren würden, gab es ein breites Grinsen im Raum, und Lewis schmunzelte. Ein Historiker kam zum Schluss: „Der Streik ermöglichte es vielen Fluggesellschaften, Initiativen zu ergreifen, die ohne den Streik nicht möglich gewesen wären (…) Die Fluggesellschaften nutzten den Streik, um zu konsolidieren und zu verkleinern.“ Sie strichen mehrere Strecken, legten Flugzeuge still und reduzierten auf den Flügen und in den Terminals ihr Personal. [5]

Die Deregulierung der Fluggesellschaften durch Kennedy und Carter im Jahr 1978 hatte bereits eine umfassende Umstrukturierung der Branche eingeleitet. Alte Fluggesellschaften wurden liquidiert, von Konkurrenten übernommen oder in den Konkurs getrieben. Dies betraf die Airlines Eastern, TWA, Braniff, Pan American, Continental, Republic und Western. Der PATCO-Streik fiel für die Luftfahrtbranche in die schlimmste aller Zeiten: 1980 verzeichnete sie Verluste über 137 Millionen Dollar und im ersten Quartal 1981 über weitere 201 Millionen Dollar.

Die Fluggesellschaften, angefangen bei Eastern und Braniff, zwangen den Gewerkschaftsmitgliedern massive Lohnkürzungen auf und drohten mit Entlassungen, falls sie sich wehren sollten. Am 30. Juli, nur vier Tage vor Beginn des PATCO-Streiks, akzeptierte der Berufsverband Air Line Pilots Association (ALPA) Kürzungen in Höhe von 75 Millionen Dollar. Damit einher ging die Reduzierung auf Zwei-Mann-Besatzungen in Boeing 737-Flugzeugen und die Erhöhung der Cockpitstunden von 62 auf 81 – 85 pro Monat.

Inzwischen kassierten Gewerkschaftsfunktionäre hohe Vergütungen. Im Jahr 1982 erhielt der Präsident der Air Line Employees Association, Victor Herbert, beinahe 100.000 Dollar, und im Jahr 1983 kassierte der Präsident der Air Line Pilots Association (ALPA), Henry Duffy, fast eine Viertelmillion Dollar (und weitere knapp 75.000 Dollar an „Spesen“, was ihn zum bestbezahlten Gewerkschaftsbürokraten Amerikas machte). Sein „Erster Vizepräsident“, G.A. Pryde, brachte über 130.000 Dollar nach Hause. [6]

Streikposten am Logan Airport in Boston (WSWS Media)

Die Unfähigkeit und Unwilligkeit dieser Gewerkschaften, PATCO zu verteidigen, kam ihre eigenen Mitglieder teuer zu stehen. Das war jedoch nicht einfach das Ergebnis einer verfehlten Politik. In den 1980er Jahren waren die Gewerkschaften der Luftfahrtindustrie, wie alle Gewerkschaften, damit beschäftigt, sich von den Arbeitern, die sie dem Namen nach vertraten, völlig abzunabeln und sich neue Einnahmequellen zu sichern. In der Luftfahrt erhielt die Gewerkschaftsbürokratie im Gegenzug für Lohn- und Leistungskürzungen bei den Mitgliedern neue Einnahmequellen für sich selbst zur alleinigen Kontrolle.

Pan American Airlines verkaufte 1981 im Rahmen eines von der Gewerkschaft kontrollierten Belegschaftsaktien-Programms elf Millionen Aktien, was einem Anteil von 13 Prozent entsprach. Das Unternehmen entwickelte eine ganze Reihe Einrichtungen, die von Gewerkschaft und Management gemeinsam kontrolliert wurden. Doch 1985 hielt sich die Unternehmensleitung nicht an versprochene Lohnerhöhungen.

1983 führte der drohende Konkurs bei Western Airlines zu Krisenverhandlungen mit fünf Gewerkschaften. Sie machten massive Zugeständnisse und stimmten der Abschaffung von Arbeitsvorschriften zu. Im Gegenzug erhielten sie vier Sitze im Vorstand der krisenbehafteten Fluggesellschaft, wie auch eine Gewinnbeteiligung und Aktienbesitz. Die Aktien basierten auf einer Formel, nach der die Lohnkürzungen zur Hälfte in Form von Unternehmensaktien „zurückgezahlt“ werden sollten. Auf diese Weise kamen die Beschäftigten der Western Airlines in den Besitz von 32 Prozent der Aktien der maroden Fluggesellschaft.

Die wachsende Rolle der Gewerkschaften bei der Übernahme von Geschäftsteilen machte 1985 einen Sprung nach vorn. Die Gewerkschaften ALPA, International Association of Machinists (IAM) und Transport Workers Union (TWU) stimmten der Übernahme von TWA durch das Heuschrecken-Unternehmen Carl Icahn zu. Die Funktionäre bewilligten Lohnzugeständnisse über 200 Millionen Dollar jährlich. Im Gegenzug erhielten sie 20 Prozent der TWA-Stammaktien, sowie theoretisch einen 20-prozentigen Anteil an den Gewinnen für drei Jahre, weitere Aktienoptionen und einen Anteil an Icahns Gewinnen im Falle eines Verkaufs der Fluggesellschaft. Der „Erfolg“ der Gewerkschaften bestand darin, dass sie in der Lage waren, „Zugeständnisse bei Löhnen und Arbeitsbedingungen auszuhandeln, die erforderlich waren, um Fremdkapital anzuziehen“, wie es in einer Analyse heißt.

Und so ging es weiter.

1993 handelte Northwest Airlines für die Piloten Lohnkürzungen in Höhe von 365 Millionen Dollar über einen Zeitraum von drei Jahren aus; im Gegenzug wurden Unternehmensaktien und drei Sitze im Vorstand geboten.

1994 gab United Airlines 55 Prozent der Aktien an die Beschäftigten ab und erhielt im Gegenzug eine 16-prozentige Lohnkürzung für die Piloten, eine 10-prozentige Kürzung für die Maschinisten und einen Streikverzicht für die nächsten sechs Jahre. Die Gewerkschaften erhielten außerdem drei Posten im Vorstand des Unternehmens.

Die vielleicht verheerendste Niederlage erlitten die Beschäftigten von Eastern Airlines. Im Dezember 1983 stimmten drei Gewerkschaften, die 37.500 Beschäftigte (Techniker, Flugbegleiter und Piloten) vertraten, Lohnkürzungen in Höhe von 367 Millionen Dollar zu. Diese Kürzungen lagen im Bereich zwischen 18 und 22 Prozent. Dafür erhielten die Gewerkschaften 25 Prozent der Unternehmensaktien und Sitze für vier Gewerkschaftsfunktionäre im Unternehmensvorstand.

Die finanziellen Schwierigkeiten nahmen jedoch ständig zu, und 1985 stimmte ALPA einer 20-prozentigen Lohnkürzung sowie einem zweistufigen Lohnsystem zu. Eastern wurde trotz allem an den Vermögensverwalter Frank Lorenzo und Texas Air verkauft, die bereits Continental geschluckt hatten und dort massive Lohnzugeständnisse von 50 Prozent erzwangen.

Lorenzo begann sofort mit der Ausgliederung von Teilen von Eastern in seine Billiglohnbetriebe Continental und Texas Air. Die IAM verhandelte monatelang mit Lorenzo, bevor sie 1989 einem Streik zustimmte, und zum ersten Mal in den 1980er Jahren respektierte ALPA die Streikposten und weigerte sich, sie zu überqueren. Aber der AFL-CIO, die gewerkschaftliche Dachorganisation, sabotierte auch diesen Streik. Das einzige, was er an Solidarität zustande brachte, war die demoralisierende Plakatkampagne „Fairness bei Eastern“. Um den Streik zu brechen, meldete Lorenzo einfach Konkurs an. Die Gerichte und die Bush-Regierung stellten sich hinter das Unternehmen, und die Gewerkschaftsbeschäftigten verloren nicht nur ihren Arbeitsplatz, sondern auch ihre Renten und Sozialleistungen.

Eine verzweifelte Eastern-Mitarbeiterin schrieb 1991 an ihren Kongressabgeordneten in Georgia:

Unsere Arbeitslosenunterstützung läuft im Juli aus. Viele von uns stehen ohne Kranken- oder Lebensversicherung da und verlieren in Kürze das eigene Haus. Viele von uns sind in der Altersgruppe der 50-Jährigen und sehen hilflos zu, wie alles, wofür wir so lange und hart gearbeitet haben, vor unseren Augen langsam zerbricht.

PATCO-Fluglotsen mit Unterstützerinnen im Streik am Flughafen von Oakland, Kalifornien (WSWS Media)

Den PATCO-Fluglotsen hat die amerikanische herrschende Klasse nie verziehen, dass sie sich entschieden gegen die Angriffe der Reagan-Regierung zur Wehr setzten.

Am 23. Dezember 1982, nur zwei Tage vor Weihnachten und ein Jahr nach der totalen Niederlage des Streiks, beschlagnahmte ein Bundesrichter Spenden in Höhe von 4 Millionen Dollar, die zur Unterstützung der bedürftigen Familien der geschassten Fluglotsen gesammelt worden waren. Dabei handelte es sich um Spenden, die Arbeiter in den USA und im Ausland den Streikenden gebracht oder überwiesen hatten. Der Richter räumte ein, dass der Solidaritätsfonds nicht Eigentum der bankrotten und aufgelösten Gewerkschaft PATCO sei, sondern einzelnen ehemaligen Gewerkschaftsmitgliedern gehöre. Dennoch urteilte er, dass dieser vergleichsweise geringe Betrag den Airlines ausgehändigt werden müsse.

„Die Rückgabe der Treuhandgelder an die Gewerkschaftsmitglieder, die eindeutig gegen geltendes Recht verstoßen haben, würde bedeuten, dass PATCO-Mitglieder für ihre illegalen Handlungen belohnt werden“, urteilte Richter Roger M. Whelan.

Im Jahr 1986 verdiente ein Drittel der PATCO-Mitglieder so wenig, dass ihre Familien Anspruch auf Lebensmittelmarken hatten. [7] In jenem Jahr beantragte der republikanische Kongressabgeordnete Guy Molinari eine bescheidene Maßnahme, die es 1.000 der 12.000 entlassenen PATCO-Mitgliedern ermöglicht hätte, sich um eine Stelle als Fluglotsen bei der Flugsicherheitsbehörde FAA zu bewerben. Aber das von der Demokratischen Partei kontrollierte Rerpäsentantenhaus lehnte die Maßnahme mit 226 zu 193 Stimmen ab.

Das Verbot, PATCO-Streikende wieder einzustellen, wurde erst 1993 von der Clinton-Regierung offiziell aufgehoben. Dies erwies sich als ein letzter Akt der Demütigung. Innerhalb eines Jahres bewarben sich etwa 40 Prozent der ausgeschlossenen Fluglotsen erneut um eine Stelle bei der FAA. Sie mussten jedoch feststellen, dass „ihre Bewerbungen nicht bevorzugt behandelt wurden“, und schon im nächsten Jahr, 1994, verhängte die FAA einen systematischen Einstellungsstopp. Nur 37 der PATCO-Fluglotsen wurden wieder eingestellt.

Die Gewerkschaft, die die PATCO in der Luftverkehrsbranche ablöste, war die National Air Traffic Controllers Association (NATCA). Sie konnte nie von sich behaupten, eine „freie Gewerkschaft“ zu sein. Sie war eine vom Staat geschaffene und kontrollierte Organisation, die sich aus Streikbrechern zusammensetzte. Von Anfang an versprach sie, dass sie niemals einen „illegalen“ Streik wie PATCO führen werde – mit anderen Worten, dass sie überhaupt nie einen Streik führen werde.

Die Arbeitsbedingungen der Fluglotsen verschlechterten sich weiter. Von 1981 bis 1985 stieg das Luftverkehrsaufkommen von 66,7 Millionen Flügen auf 71,4 Millionen Flüge. Im gleichen Zeitraum sank die Zahl der Fluglotsen mit „vollem Leistungsniveau“ (FPL) von 13.205 auf 8.315. Bis 1988 gab es trotz des steigenden Flugaufkommens immer noch weit weniger FPL-Lotsen als 1981, nämlich insgesamt nur 8.904. [8]

Die Folgen dieser gravierenden Unterbesetzung zeigten sich im Jahr 2006 auf tragische Weise in Lexington (Kentucky). Ein Comair-Flug stürzte ab, nachdem er versucht hatte, von einer falschen Landebahn zu starten. Alle 47 Passagiere und zwei der dreiköpfigen Besatzung kamen ums Leben. Der einzige diensthabende Fluglotse hatte dem Flugzeug die richtige Startbahn zugewiesen und war dann, wie im FAA-Protokoll vorgeschrieben, zu anderen Aufgaben übergegangen.

Im April 2011, kurz vor dem 30. Jahrestag des PATCO-Streiks, gab es einen in den Medien aufgebauschten Skandal über Vorfälle, bei denen Fluglotsen während der Arbeit eingeschlafen waren. Präsident Obama, der den Jahrestag des PATCO-Streiks ignorierte, erklärte die Fluglotsen rasch zu Sündenböcken.

„Personen, die bei der Arbeit einschlafen, sind inakzeptabel“, sagte Obama in seinem typischen Stil mit erhobenem Zeigefinger. „Tatsache ist, dass jemand, der für das Leben und die Sicherheit von Menschen in der Luft verantwortlich ist, besser seine Arbeit richtig macht. Es gibt so etwas wie individuelle Verantwortung, mit der man sich auseinandersetzen muss.“

Der wichtigste Fall ereignete sich am 23. März 2011, als der American Airlines-Flug 1012 aus Miami und der United Airlines-Flug 628 aus Chicago jeweils um Landeerlaubnis auf dem Ronald Reagan Washington National Airport baten. Nach wiederholten Versuchen, in Funkkontakt mit dem Kontrollturm zu treten, landeten die Flüge gezwungenermaßen ohne fremde Hilfe. Keiner der 165 Passagiere und Besatzungsmitglieder der beiden Flüge wurde verletzt. Als dieser Vorfall bekannt wurde, stellte sich heraus, dass es im vergangenen Jahr bereits eine Reihe solcher Fälle gegeben hatte, bei denen Fluglotsen eingeschlafen waren.

Obama erwog nicht die Möglichkeit, dass die Fluglotsen überlastet gewesen sein könnten. Eine zeitgenössische Studie des National Transportation Safety Board (NTSB) kam jedoch zu folgendem Schluss: „61 Prozent der Fluglotsen hatten Arbeitszeiten, die dem normalen Schlaf-Wach-Rhythmus zuwiderliefen.“ Ein damaliger Medienbericht fasste eine typische Woche im Leben eines Fluglotsen zusammen: „Ein Zeitplan kann wie folgt aussehen: Am ersten Tag beginnt die Schicht um 15 Uhr; am zweiten Tag um 14 Uhr; am dritten Tag um 7 Uhr; am vierten Tag um 6 Uhr. Es kann sein, dass der Beschäftigte am vierten Tag um 22 Uhr noch eine fünfte Schicht aufnehmen muss, ehe er ein längeres Wochenende bekommt, so die Behörde.“

Die Unterbesetzung hält bis heute an. Die NATCA, die in erster Linie als Lobbyorganisation fungiert, berichtet von einem gravierenden Personalmangel in den amerikanischen Flugüberwachungsszentren. Im Jahr 2019 befand sich die Berufsgruppe der Certified Professional Controller (CPC) auf einem Dreißigjahrestief.

Die FAA ihrerseits gibt die Zahl von 14.000 Fluglotsen an, die in den USA tätig sind. Das sind immer noch weniger als im Jahr 1981. Die Schwierigkeit, den Beruf zu erlernen, führt dazu, dass viele Auszubildende die FAA-Akademie nie abschließen oder den Beruf nach kurzer Zeit wieder aufgeben. NATCA berichtet, dass Fluglotsen „in den am stärksten unterbesetzten Einrichtungen gezwungen sind, obligatorische Überstunden zu leisten, um die derzeitige Kapazität aufrechtzuerhalten“.

Fazit

Der PATCO-Streik kündigte das endgültige Ende jener Periode relativer Klassenkompromisse und sozialer Reformen an, die in den USA und anderen fortgeschrittenen Industrieländern seit Ende des Zweiten Weltkriegs bestanden hatte. Seitdem hat die Kapitalistenklasse eine unerbittliche Offensive geführt, um die Errungenschaften, die die Arbeiterklasse in jahrzehntelangen Kämpfen gewonnen hatte, wieder zunichte zu machen.

Nur 10 Tage nach Beginn des PATCO-Streiks veröffentlichte das politische Komitee der Workers League, der Vorgängerorganisation der amerikanischen Socialist Equality Party (SEP), im Bulletin eine Erklärung, die den Titel trug: „Der PATCO-Streik: Eine Warnung an die Arbeiterklasse“. Darin heißt es:

Der Streik von 13.000 Mitgliedern der Professional Air Traffic Controllers Organization ist für den Kampf der Arbeiterklasse in den Vereinigten Staaten und weltweit ein historischer Wendepunkt. Er ist die erste große politische Konfrontation zwischen der amerikanischen Arbeiterklasse und der Regierung.

Nach Jahrzehnten, in denen der Klassenkampf in Amerika entweder ganz geleugnet oder heruntergespielt wurde, in denen der amerikanische Arbeiter so dargestellt wurde, als sei er zu einem Teil der Mittelklasse geworden, in denen Amerika als die große Ausnahme in einer Welt in revolutionärer Gärung dargestellt wurde, hat der PATCO-Streik all diese Mythen gesprengt.

Der Fluglotsenstreik hat gezeigt, dass sich unter dem Anschein von politischer Stabilität und Konservatismus die unlösbarsten sozialen und wirtschaftlichen Widersprüche eines jeden kapitalistischen Landes aufgebaut haben (...)

Gleichzeitig fällt die Maske der Demokratie und der Regierung „des Volkes, durch das Volk und für das Volk“, und der kapitalistische Staat entlarvt sich als das, was er ist: ein Instrument zur Unterdrückung der Massen im Interesse einer winzigen Handvoll von Milliardären.

Arbeiter werden ins Gefängnis geworfen, mit Ketten an Händen und Füßen gefesselt; ihrer Gewerkschaft wird die Zulassung entzogen, weil sie das getan hat, wofür 95 Prozent der Mitglieder gestimmt haben; Strafgelder werden verhängt, die darauf abzielen, das gesamte Vermögen der Gewerkschaft zu beschlagnahmen und es der Regierung oder den Airlines zu übereignen; FBI-Agenten und Bundespolizisten kontrollieren die Streikposten und suchen Arbeiter in ihren Wohnungen auf, um sie und ihre Familien einzuschüchtern.

Aus dem PATCO-Streik muss vor allem eine politische Schlussfolgerung gezogen werden: Er ist keineswegs eine Anomalität oder Ausnahme, sondern offenbart das wahre Wesen der Klassenbeziehungen in den Vereinigten Staaten.

Die herrschende Klasse greift alle grundlegenden Rechte der Arbeiter an – Sozialleistungen, Arbeitsplätze, Schutzvorschriften, Lebensstandards und jetzt auch das Recht auf gewerkschaftliche Organisierung – und bedient sich der repressiven Macht und Gewalt des kapitalistischen Staats, um diese Angriffe durchzusetzen.

Die herrschende Klasse stützt sich auf die Gewerkschaftsbürokraten, um den Kampf der Arbeiterklasse gegen die Regierung zu sabotieren. Diese Sabotage erfolgt nicht nur durch offenen Streikbruch wie beim Kampf der Fluglotsen, sondern vor allem dadurch, dass die Arbeiterklasse durch die Unterstützung des kapitalistischen Zweiparteiensystems politisch entmündigt wird.

Titelseite des Bulletin, 7. August 1981 (WSWS Media)

Die Gewerkschaften und alle alten, national basierten Organisationen der Arbeiterklasse haben bei diesem gesellschaftlichen Rückschritt die entscheidende Rolle gespielt. Die Komplizenschaft des AFL-CIO mit der Reagan-Administration und ihre Verweigerung der von der Basis geforderten Ausweitung des PATCO-Kampfs erwiesen sich als richtungsweisend für alle amerikanischen Arbeitskämpfe der 1980er und 1990er Jahre. Von Fall zu Fall isolierten und verrieten die Gewerkschaften die Streiks und trugen dazu bei, dass sie trotz des erbitterten Widerstands der Arbeiterklasse niedergeschlagen wurden.

Derselbe Prozess vollzog sich überall auf der Welt, vielleicht am ähnlichsten im Vereinigten Königreich, wo der Trades Union Congress (TUC) 1985 zusah, wie Premierministerin Margaret Thatcher die Bergarbeiter zerschlug und damit die Voraussetzungen für die Zerstörung der Industrie und des Lebensstandards der Arbeiterklasse schuf.

Überall machten sich die alten sozialdemokratischen und Arbeiterparteien die Forderungen der Finanziers zu eigen. Damit trugen sie zur Verarmung der Arbeiter bei und ermöglichten es den Reichen, sich die Taschen zu füllen. In Afrika, Lateinamerika und Asien folgten die alten nationalen Befreiungsbewegungen demselben Weg: Sie beseitigten die Import-Substitutionen und die verstaatlichte Industrie und konkurrierten miteinander darum, wer dem Imperialismus die billigsten Arbeitskräfte und die lukrativsten natürlichen Ressourcen „seines“ Volkes anbieten könne.

Dieser Wandel vollzog sich wohl am gründlichsten in der Sowjetunion. Wie Leo Trotzki mehr als 50 Jahre zuvor gewarnt hatte, demontierte die stalinistische Bürokratie schließlich die Eigentumsverhältnisse, die in der Oktoberrevolution 1917 geschaffen worden waren, und verwandelte sich in eine neue kapitalistische herrschende Klasse.

Was all diese Prozesse verbindet, ist die Verwandlung der national verankerten Gewerkschaftsbürokratien und politischen Parteien. Aus Organisationen, die innerhalb enger und historisch definierter Grenzen die Interessen der Arbeiter verteidigten, verwandeln sie sich in offene Instrumente der Klassenunterdrückung. Dahinter steht wiederum die beispiellose globale Integration der Produktion, die den Widerspruch zwischen der globalen Wirtschaft und dem Nationalstaat verschärft und alle nationalistischen Programme wirkungslos und reaktionär macht.

In den USA haben die offiziellen Gewerkschaften bewusst auf die Verschlechterung der weltwirtschaftlichen Position des amerikanischen Kapitalismus reagiert, indem sie der Konzern- und Finanzelite ihre Dienste anboten und sich daran beteiligten, die US-Konzerne unmittelbar auf Kosten der Arbeitsplätze, Löhne und Arbeitsbedingungen der amerikanischen Arbeiter am Weltmarkt wettbewerbsfähig zu machen.

Zu Beginn der 1990er Jahre konnte man die Gewerkschaften nicht mehr wirklich als Arbeiterorganisationen betrachten, auch nicht in einem begrenzten defensiven Sinne. Angesichts der Folgen des Zusammenbruchs der Gewerkschaften und des endgültigen konterrevolutionären Verrats durch die sowjetische Bürokratie beschlossen die Workers League und ihre Gesinnungsgenossen im Internationalen Komitee der Vierten Internationale (IKVI) in den 1990er Jahren, ihre Organisationen aus Bünden in Parteien umzuwandeln. Jetzt war es Aufgabe der trotzkistischen Weltbewegung, des Internationalen Komitees, direkt um die Führung der Arbeiterklasse zu kämpfen.

Ausgehend von den Lehren der Geschichte und einer objektiven Analyse der tatsächlichen Position der Gewerkschaften in der globalen politischen Ökonomie konnte das IKVI vorhersehen, dass eine neue Bewegung der Arbeiterklasse entstehen würde, die zwangsläufig mit den Gewerkschaftsapparaten, wo immer sie noch existierten, in Konflikt geraten würde. Das IKVI sagte voraus, dass dieser Konflikt zunächst die Form einer Rebellion der Arbeiter annehmen würde.

Im April 2021 lancierte das IKVI seine Initiative für die Internationale Arbeiterallianz der Aktionskomitees (International Workers Alliance of Rank-and-File Committees, IWA-RFC). „Die IWA-RFC“, heißt es dort, „wird sich dafür einsetzen, einen Rahmen für neue Formen unabhängiger und demokratischer Kampforganisationen von Arbeitern in Fabriken, Schulen und Betrieben auf internationaler Ebene zu schaffen. Die Arbeiterklasse ist bereit zu kämpfen. Aber sie wird von reaktionären bürokratischen Organisationen gefesselt, die jeden Ausdruck von Widerstand unterdrücken.“

Die Gründung der IWA-RFC hat sich im Laufe des Kampfs bereits als richtig erwiesen, vor allem durch den Streik der Arbeiter von Volvo Trucks im New River Valley, 40 Jahre nach PATCO. Diese Arbeiter in Dublin (Virginia) haben ein Aktionskomitee gegründet, das drei Verträge ablehnte und zwei Streiks durchsetzte. Die Arbeiter wandten sich zur Unterstützung an die Socialist Equality Party und die World Socialist Web Site. Sie erhielten Unterstützung von Autoarbeitern in den gesamten USA und auf internationaler Ebene, einschließlich starker Solidaritätsbekundungen von belgischen Volvo-Arbeitern.

Die UAW und Volvo erhielten eine Gnadenfrist durch eine Kombination aus Wahlbetrug und Erpressung; so wurde eine zweite Abstimmung über den bereits abgelehnten dritten Vertrag organisiert. Aber das ist nur ein Aufschub. Die Krise des Kapitalismus ist viel mächtiger als die schmutzigen Tricks der Gewerkschaftsbürokratie und ihrer Verbündeten in den Konzernetagen. Der Streik gegen Volvo hat den einzigen Ausweg gezeigt, und dieser führt über einen unabhängigen Kampf der Arbeiterklasse und die internationale Solidarität.

Wie das IKVI in seiner Erklärung „Vorwärts zur Internationalen Arbeiterallianz der Aktionskomitees!“ geschrieben hat:

Der Kampf gegen die Pandemie, gegen Krieg, Ungleichheit, Ausbeutung und Diktatur ist ein Kampf gegen die gesamte kapitalistische Gesellschafts- und Wirtschaftsordnung. Die Arbeiter aller Länder müssen sich in einer gemeinsamen politischen Offensive zusammenschließen, um die Macht zu übernehmen, die Oligarchen zu enteignen und eine sozialistische Gesellschaft zu errichten, die auf einer rationalen, wissenschaftlichen und demokratischen Kontrolle der Produktion basiert.

Ende

Anmerkungen:

[1] Bensman, David, and Roberta Lynch. Rusted Dreams: Hard Times in a Steel Community. Berkeley 1989, S. 3.

[2] Reich, Robert B, and John D Donahue. New Deals: The Chrysler Revival and the American System. New York 1986, S. 260.

[3] Galenson, Walter. The American Labor Movement, 1955-1995. Westport 1996, S. 134.

[4] Minchin, Timothy J. Labor under Fire: A History of the AFL-CIO since 1979. Chapel Hill 2017, S. 70.

[5] Nordlund, Willis J. Silent Skies: The Air Traffic Controllers’ Strike. Westport 1998, S. 114.

[6] Troy, Leo, and Neil Sheflin. U.S. Union Sourcebook: Membership, Finances, Structure, Directory, 1985, 4.1–4.32.

[7] Minchin, Labor under Fire, S. 68.

[8] Nordlund, Silent Skies, S. 59.

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