Corona-Ausbrüche in den Betrieben mehren sich

Seit Mittwoch gilt das neue Infektionsschutzgesetz. Es sieht unter anderem vor, dass Beschäftigte nur noch gemäß der 3G-Regel Zugang zu ihren Betrieben erhalten. Das heißt, sie müssen nachweisen, dass sie geimpft, genesen oder negativ getestet sind. Regierungen und Konzerne behaupten, damit Beschäftigte schützen zu wollen. Doch das entspricht nicht der Wahrheit.

Das Infektionsschutzgesetz ist von der Ampel-Koalition aus SPD, Grünen und FDP nicht geändert worden, um Gesundheit und Leben der Bevölkerung zu schützen, sondern um in einer außer Kontrolle geratenen Pandemie alle Wirtschaftstätigkeiten aufrecht zu erhalten.

Arbeiter in einem Schlachthof bei der Fleischverarbeitung (Wikipedia Commons)

Seit fast zwei Jahren bestimmt der Grundsatz „Profite vor Leben“ die Corona-Politik. Regierungen und Konzerne gehen über Leichen, damit die Fabriken, Lager, Betriebe, Verwaltungen und Büros sowie die Schulen offenbleiben.

Um den Schutz vor Infektionen und die Gesundheit der Bevölkerung geht und ging es noch nie. Dazu wären eine entschlossene Impfkampagne, weitreichende Kontaktbeschränkungen und vor allem die Schließung der Schulen und nicht lebensnotwendigen Betriebe notwendig. Die sozialen Folgen müssten aufgefangen werden.

Stattdessen wurden im Sommer entgegen aller Warnungen von Wissenschaftlern die Schulen geöffnet, Kontaktbeschränkungen aufgehoben und die Impfzentren geschlossen. Vorgestern überschritt die Zahl der Corona-Toten in Deutschland die Schwelle von 100.000. In diesem Winter drohen mindestens noch einmal so viele dazu zu kommen. Mit der neuen, in Südafrika entdeckten Mutante B.1.1.529, die sich deutlich von den bisherigen Varianten unterscheidet und wesentlich ansteckender ist, droht sich diese Zahl zu vervielfachen.

Neben den Schulen sind Arbeitsstätten ein wichtiger Hotspot von Infektionen. Doch die Fakten und Zahlen werden sorgfältig vertuscht und verheimlicht. Die Herrschenden interessieren sich nicht dafür, wie viele tausend Arbeiter sich in den Betrieben infiziert oder das Virus von ihren infizierten Kindern in die Betriebe getragen haben. Auch die Zahl der an Covid-19 gestorbenen Arbeiter wird unterdrückt. Selbst die Zahl der Todesopfer unter den Beschäftigten des Gesundheitssystems wird nicht mehr veröffentlicht.

Nirgendwo erfahren die Belegschaften die Corona-Zahlen in ihrem Betrieb. Es findet noch nicht einmal eine zentrale Erfassung und Auswertung der Zahlen statt, aus der konkrete Schutzmaßnahmen abgeleitet werden könnten. Selbst aus der Lokalpresse verschwinden nach und nach die Berichte über Corona-Ausbrüche in Betrieben. Die Unternehmen sind ohnehin daran interessiert, die Zahlen zu vertuschen, weil sie Proteste und wirtschaftliche Verluste befürchten.

Die Gesundheitsämter schaffen es entweder nicht, Kontakte zu verfolgen, oder sind von den politisch Verantwortlichen aufgefordert worden, dies einzustellen. Anfang des Jahres ergaben Nachfragen von Report-Mainz und BuzzFeed News bei Arbeitsschutzbehörden in ganz Deutschland, dass 90 Prozent von ihnen Betriebe zwar auf Verstöße gegen die Corona-Verordnungen angesprochen, aber fast keine Bußgelder verhängt und kaum einen Betrieb geschlossen hatten, obwohl dies notwendig gewesen wäre. Im besten Fall wurden die Betriebe mündlich oder schriftlich verwarnt.

Trotz der Unterdrückung der Zahlen lassen die explodierenden Inzidenzen und gelegentliche Berichte in der Lokalpresse erahnen, welche tödliche Gefahr sich in den Betrieben zusammenbraut.

So musste letzte Woche das Logistikunternehmen BLG im Bremerhavener Hafen nach einem Corona-Ausbruch mit 19 positiv getesteten Beschäftigten Massentests veranlassen. Nach eigenen Aussagen ließen sich rund 1300 Beschäftigte testen. Dabei sei kein neuer Corona-Fall aufgetaucht. Das globale Logistik-Unternehmen BLG beschäftigt 20.000 Menschen in zehn Ländern an hundert Standorten in Europa, Amerika, Afrika und Asien, mehr als die Hälfte davon in Deutschland.

Die Stadt vermutet, dass eine Betriebsversammlung der Grund für den Corona-Ausbruch war. Dem Gesundheitsamt sei bekannt, dass die Betriebsversammlungen mit rund 800 Personen in Räumen für 200 Personen abgehalten worden seien, so ein Sprecher des Bremerhavener Magistrats gegenüber Lokalmedien. Abstände seien nicht eingehalten worden, und die Belegschaft habe keine Masken getragen.

Anfang der Woche gab es erneut mehrere größere Corona-Ausbrüche in Schlachthöfen. 61 Arbeiter des Vion-Schlachthofs in Landshut (Bayern) haben sich mit dem Coronavirus infiziert. Mehrere Tage ruhte der Schlachtbetrieb. Der Betrieb in der Zerlegung, Verpackung, im Versand und in anderen Bereichen wurde fortgeführt.

Laut Bayerischem Rundfunk (BR) wurden in der letzten Woche zunächst 40 Beschäftigte positiv getestet und der Schlachtbetrieb ausgesetzt. Anfang der Woche sei die Zahl der Infizierten trotzdem gestiegen, so dass dem Betrieb – einschließlich der Arbeiter in Quarantäne – 90 von 400 Beschäftigten fehlten. Die Schlachtung müsse weiter pausieren.

Bereits im vergangenen Jahr hatte es Corona-Ausbrüche in Schlachthöfen gegeben. Im Juni steckten sich im größten deutschen Schlachthof Tönnies in Rheda-Wiedenbrück über 2100 Beschäftigte mit dem Corona-Virus an. Im November 2020 infizierten sich 100 Arbeiter des Vion-Schlachthofs in Vilshofen. Im Vion-Schlachthof in Landshut, der nun erneut betroffen ist, hatten sich schon im Dezember letzten Jahres 70 Arbeiter infiziert.

Vion hat nun ausdrücklich darauf hingewiesen, dass es die 3G-Regel bereits seit September eingeführt habe. Laut einem Unternehmenssprecher ist ein „beträchtlicher Teil“ der Landshuter Belegschaft doppelt geimpft. Die 7-Tage-Inzidenz im Landkreis Landshut lag am Donnerstag bei 869.

In Harsewinkel (NRW) haben sich beim Wurst- und Schinkenproduzenten Windau eine nicht genannte Zahl von Arbeitern infiziert. „Wir reden hier von einer Infektionsquote im mittleren einstelligen Bereich“, erklärt Geschäftsführer Andreas Hilker, was bei 500 Beschäftigten 20 bis 30 Infektionen entsprechen dürfte. Laut Hilker beeinträchtigen „die positiven Befunde erstmalig seit Ausbruch der Pandemie unsere Produktion“. Die Einschränkungen in der Produktion würden durch Mehrarbeit ausgeglichen. Harsewinkel weist im Kreisgebiet Gütersloh mit 454 (am 15. November) die mit Abstand höchste Inzidenz aus.

Auch hier betont der Chef, dass „die Infizierungen außerhalb unseres Betriebes auftreten“. Die Belegschaft werde täglich vor Arbeitsbeginn getestet. Das Gesundheitsamt habe bestätigt, dass das Hygienekonzept mit den umfangreichen Testungen greife.

Diese Verteidigungslinie, dass die Menschen sich außerhalb und nicht in den Betrieben anstecken, dient ausschließlich dazu, Betriebsschließungen zu verhindern.

Aufgrund der „guten Zusammenarbeit“ der Unternehmen und Behörden konnte im September auch Clemens Küpper, Sprecher der Eisengießerei Baumgarte in Bielefeld, erklären, er sei froh, „dass wir nicht von Amts wegen schließen mussten“. Denn im September hatten sich 54 von 260 Beschäftigten mit dem Coronavirus infiziert, die Produktionsleistung verringerte sich um rund 25 Prozent. Auch hier ist der kurzzeitige Umsatzverlust später durch Mehrarbeit wieder aufgeholt worden.

Küpper lobte die „gute Zusammenarbeit“ mit dem Gesundheitsamt. Dessen Hygienespezialisten hätten den Betrieb genau unter die Lupe genommen und nahezu keine Mängel im Corona-Konzept gefunden.

Beim Stahlkonzern Thyssenkrupp hat sich die Zahl der Infizierten unter den 13.000 Beschäftigten in Duisburg innerhalb einer Woche von 36 auf 70 verdoppelt. Hinzu kommen 40 Arbeiter, die wegen Quarantäne fehlen, insgesamt sind also 110 Beschäftigte betroffen – Tendenz steigend.

Neben der gemeinsamen Achse von Gesundheitsbehörden und Unternehmen sind es die Gewerkschaften und Betriebsräte, die dafür sorgen, dass die Infektionszahlen verheimlicht werden und der Betrieb weiter läuft.

Der Gesundheitsschutz ist mitbestimmungspflichtig. In jedem Unternehmen hat der Betriebsrat das Recht, über die Corona-Lage informiert zu werden. Doch die Betriebsräte und Gewerkschaften blocken und mauern systematisch.

Die World Socialist Web Site bemüht sich seit Beginn der Pandemie, Informationen über Corona-Ausbrüche in Betrieben zusammenzutragen und zu veröffentlichen. In diesem Jahr haben wir über größere Ausbrüche in Schlachthöfen und in der Landwirtschaft, aber auch bei der Deutschen Bahn, im Hamburger Airbus-Werk, in Werften sowie Betrieben der Stahl-, Metall-, Auto- und Zulieferindustrie berichtet. Nun versiegen die offiziellen Kanäle immer mehr.

Es ist absolut dringend, dass die Beschäftigten selbst aktiv werden und sich in unabhängigen Aktionskomitees organisieren, um die Verteidigung ihrer Gesundheit, ihres Lebens und ihrer Arbeitsplätze in die Hand zu nehmen. Die Informationsverweigerung und Verschwörung von Konzernleitungen, Betriebsräten und Gewerkschaften darf nicht länger hingenommen werden.

Als erster Schritt müssen die gesundheitlichen Gefahren in jedem Betrieb offengelegt werden. Die Aktionskomitees müssen Informationen zu Corona-Infektionen zusammentragen, auswerten, die notwendigen Schlussfolgerungen daraus ziehen und wenn nötig die Schließung der Betriebe veranlassen. Der angebliche Datenschutz, den die Unternehmen immer ins Feld führen, um die Belegschaften im Unklaren zu lassen, ist fast immer vorgeschoben. Die Daten einer Person können nicht wichtiger sein als ihr Leben.

Wir rufen Arbeiter auf, Informationen über die Corona-Krise in ihrem Betrieb zusammenzutragen und Kontakt mit uns aufzunehmen. Im Zuge unserer globalen Ermittlung der Arbeiter in Sachen Corona-Pandemie, dem Global Workers‘ Inquest, werden wir alle Informationen zusammentragen, veröffentlichen und die geeigneten Schlussfolgerungen ziehen – gemeinsam mit euch. Eure Identität wird von uns geschützt. Wir gehen vorsichtig mit euren Informationen um.

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