Klimadialog mit dem Schlächter von Kairo entlarvt Menschenrechtspropaganda der Bundesregierung

Wenn es noch eines Ereignisses bedurft hätte, die Menschenrechtspropaganda und klimapolitischen Phrasen der Bundesregierung zu entlarven, war es die Durchführung des 13. Petersberger Klimadialogs Anfang der Woche. Partner und Stargast des Treffens im Auswärtigen Amt war kein anderer als der ägyptische Diktator Abdelfattah al-Sisi.

Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) und Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) zusammen mit Ägyptens Präsident Abdel Fattah al-Sisi und Außenminister Sameh Shoukry (AP Photo/Markus Schreiber)

Führende Vertreter der Regierung – allen voran die Grünen – bezeichnen den russischen Präsidenten Wladimir Putin regelmäßig als „Massenmörder“ und Russland als „Terrorstaat“, um die Nato-Aggression gegen das rohstoffreiche Land zu rechtfertigen. Wenn diese Charakterisierung auf ein internationales Staatsoberhaupt zutrifft, dann auf den Schlächter von Kairo.

Al-Sisi, der sich am 3. Juli 2013 nach Massenprotesten gegen den islamistischen Präsidenten Mohamed Mursi mit westlicher Unterstützung an die Macht putschte, führt ein brutales Terrorregime. Seine Herrschaft begann mit einem Blutbad.

Vor fast genau neun Jahren, am 14. August 2013, stürmten von ihm befehligte Armee- und Polizei-Einheiten zwei Protestcamps von Putschgegnern in der ägyptischen Hauptstadt und töten mehr als 1000 Personen, darunter viele Frauen und Kinder. Human Rights Watch bezeichnete das „Massaker“ als das „schlimmste Ereignis ungesetzlicher Massentötungen in der modernen Geschichte Ägyptens“.

Seitdem wurden hunderte weitere Protestierende von Sicherheitskräften getötet. Zehntausende politische Gefangene verschwanden in den Folterkerkern des Landes. Proteste und Streiks sind gesetzlich verboten. Unabhängige Medien werden unterdrückt, genauso wie Parteien und Organisationen, die das Regime kritisieren.

Auch die Todesstrafe wird unter al-Sisi immer rabiater angewandt. Im Jahr 2017 wurden mindestens 402 Menschen zum Tode verurteilt, 2018 sogar 717. Aktuell befinden sich Schätzungen zufolge mehr als 2000 Personen in ägyptischen Todestrakten. Die Hinrichtungen – in der Regel durch den Strang – werden gehäuft vollstreckt. 2020 verdreifachte sich die Zahl der Exekutionen auf offiziell 107.

Die deutsche Regierung ist über al-Sisis Terror bestens informiert. Erst im vergangenen Monat rief Joe Stork, stellvertretender Direktor für den Nahen Osten und Nordafrika bei Human Rights Watch, Deutschland und andere EU-Länder auf, ihre Haltung gegenüber Ägypten zu ändern. „Die Menschenrechtslage in Ägypten ist momentan so schlecht wie seit Jahrzehnten nicht mehr“, mahnte er. „Jede Form von kritischer Meinungsäußerung bringt einen in Gefahr, ins Gefängnis zu kommen. Folter ist weit verbreitet, vor allem von politischen Gefangenen, aber auch von normalen Leuten, die bei der Polizei landen.“

Doch bei den Menschenrechtsheuchlern der Bundesregierung ruft al-Sisis Terror nicht einmal ein Achselzucken hervor. Im Gegenteil: Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) und die grüne Außenministerin Annalena Baerbock rollten dem Diktator in Berlin den roten Teppich aus und überschütteten ihn mit Lob. Auf einer gemeinsamen Pressekonferenz kritisierte Scholz die katastrophale Menschenrechtslage in Ägypten mit keinem Wort. Stattdessen bot er dem Diktator eine Plattform.

Er habe mit dem „Herrn Bundeskanzler über die verschiedenen Entwicklungen in Ägypten gesprochen, was Menschenrechte angeht“, prahlte al-Sisi und behauptete provokativ, er glaube „ja auch daran, dass die Menschen auch ein Recht darauf haben, ein würdiges Leben zu führen, und der Staat verpflichtet sich ja auch, was den Schutz dieses Rechts angeht“. Dafür habe man „eine nationale Menschenrechtsstrategie entwickelt“.

Scholz selbst machte in seinen eigenen Ausführungen deutlich, welche imperialistischen Interessen hinter der mörderischen Allianz mit al-Sisi stehen. Zum einen geht es um wirtschaftliche und energiepolitische Ziele. Er freue sich, „dass Ägypten sein größtes Eisenbahninfrastrukturprojekt einem deutschen Unternehmen anvertraut hat“, sagte Scholz. Das zeige, „wie eng unsere Wirtschaftsbeziehungen tatsächlich sind“.

Konkret handelt es sich nach Angaben von Siemens um den größten Auftrag der 175-jährigen Firmengeschichte. Eigenen Angaben zufolge hat der Konzern Ende Mai einen Vertrag über den Bau eines 2000 Kilometer langen Bahnnetzes für Schnellzüge in Höhe von 8,1 Milliarden Euro abgeschlossen. Man werde 41 Hochgeschwindigkeitszüge, 94 Regionalzüge und 41 Güterlokomotiven an Ägypten liefern. Zusätzlich beinhalte der Vertrag auch den Bau von acht Betriebs- und Güterbahnhöfen sowie die Wartung der Infrastruktur über 15 Jahre.

Mit der durch die eigene Sanktions- und Kriegsoffensive gegen Russland ausgelösten Gaskrise steigen auch die Gelüste nach ägyptischer Energie. Er freue sich, „dass wir uns darauf verständigt haben, dass wir gerade im Bereich des Wasserstoffes sehr eng zusammenarbeiten wollen“, frohlockte Scholz. Deutschland werde den für „seine Wirtschafts- und Industrieentwicklung“ notwendigen Wasserstoff „zu einem sehr großen Teil aus anderen Ländern importieren“. Dass Ägypten hier „ambitioniert“ voranschreite, sei „ein gutes Zeichen für unsere guten Beziehungen“.

Berlin geht es nicht nur um Wasserstoff. Er habe „Herrn Bundeskanzler Scholz“ bestätigt, „dass Ägypten zu einer Partnerschaft mit Deutschland im Energiebereich bereit ist, sei es durch Export von Erdgas nach Deutschland oder auch im Bereich des Wasserstoffs, der Windenergie und der Solarenergie“, berichtete al-Sisi. Ägypten lege „großen Wert auf die Partnerschaft mit Deutschland und auf einen transparenten Dialog“.

Im Rahmen dieses „Dialogs“ spielt al-Sisi – wie zuvor der durch die ägyptische Revolution 2011 gestürzte Gewaltherrscher Hosni Mubarak – die Rolle eines Statthalters für die imperialistischen Mächte in der Region. Man habe sich „mit Blick auf den Nahostfriedensprozess ... traditionell eng abgestimmt“, erklärte Scholz auf der Presskonferenz. Ägypten spiele „eine hervorragende Rolle in diesem Prozess“ und helfe, „die Lage im Gazastreifen zu stabilisieren. Auch dafür möchte ich mich bedanken.“

Mit anderen Worten: Scholz preist al-Sisi, weil dieser den Gaza-Streifen von ägyptischer Seite aus abriegelt und Israels Kriegspolitik gegen die Palästinenser unterstützt.

Für seine Funktion, die Massen nicht nur in Ägypten, sondern in der gesamten Region zu unterdrücken, wird al-Sisis Regime von Berlin bis an die Zähne bewaffnet. Mit Ausfuhren in Höhe von 4,34 Milliarden Euro war Ägypten 2021 das mit Abstand größte Exportland für deutsche Rüstungsgüter. Und auch im Jahr davor nahm Ägypten den zweiten Platz auf der deutschen Rüstungsexportrangliste ein.

Der enge Schulterschluss mit al-Sisi entlarvt vor allem die sogenannte „wertegeleitete Außenpolitik“ der Grünen. Im Wahlkampf hatte Baerbock noch getönt, dass außenpolitische Beziehungen und Rüstungsexporte nicht rein wirtschaftlich, sondern auf Grundlage der Menschenrechtssituation bewertet werden müssten. Auf einem Wahlplakat der Grünen hieß es sogar: „Keine Waffen und Rüstungsgüter in Kriegsgebiete.“

Geäußert von einer Partei, die bereits 1998 als Regierungspartei im Kosovo den ersten deutschen Kriegseinsatz seit dem Zweiten Weltkrieg organisierte, waren derartige Aussagen nie etwas wert. Trotzdem mag es vor allem einige jüngere Wähler überrascht haben, mit welcher Aggressivität sich die Grünen für die Lieferung von immer mehr schweren Waffen an die Ukraine einsetzen und ihre Menschenrechtsphrasen über Bord werfen, sobald es nicht um Russland geht.

Das gleiche gilt für die Klimapolitik. Trotz der tödlichen Hitzewelle in weiten Teilen Europas und der sich weltweit verschärfenden Klimakatastrophe verkündete Baerbock in ihrer Eröffnungsrede zum Petersberger Klimadialog keine einzige neue Maßnahme im Kampf gegen den Klimawandel. Stattdessen pries sie die intensive Zusammenarbeit mit den „ägyptischen Partnern“ bei der Vorbereitung des Treffens und rechtfertigte die Aufgabe der eigenen beschränkten Klimaziele mit der Kriegsoffensive gegen Russland.

Sie höre „die Sorgen derjenigen, die uns fragen, ob die Staaten Europas und auch Deutschland jetzt wegen des russischen Krieges bei ihren Klimaverpflichtungen zurückrudern“, erklärte sie zynisch und fügte hinzu: „Ich sage offen: Wir müssen kurzfristig schwere Entscheidungen treffen, die uns nicht gefallen, um unsere Abhängigkeit von russischem Gas und Öl zu verringern. Wir müssen für einen kurzen Zeitraum Kohlekraftwerke als Reserve herrichten.“

Die Aggressivität, mit der die Grünen ihre eigenen Wahlkampfversprechen mit Füßen treten, sich in der Regierung als die größten Kriegstreiber betätigen und mit den blutigsten Diktatoren paktieren, entspringt den reaktionären Klasseninteressen der sozialen Schicht, für die sie sprechen. So direkt der Reichtum der oberen Mittelschichten mit einer aggressiven Kriegs- und Großmachtpolitik verbunden ist, so sehr fürchten sie den wachsenden Widerstand der Arbeiterklasse.

Auf einem Podiumsgespräch des Redaktionsnetzwerks Deutschland am Mittwoch warnte Baerbock vor der Gefahr von „Volksaufständen“ in Deutschland. Auf die Frage, warum Deutschland von Kanada die Auslieferung einer Turbine für die Pipeline Nord Stream 1 an Russland gefordert habe, antwortete sie: „Wenn wir die Gasturbine nicht bekommen, bekommen wir kein Gas mehr. Dann können wir als Deutschland überhaupt gar keine Unterstützung für die Ukraine mehr leisten, weil wir dann mit Volksaufständen beschäftigt sind.“

Vor diesem Hintergrund muss al-Sisis Empfang in Berlin auch als Warnung verstanden werden. Die herrschende Klasse in Deutschland würde zu den gleichen brutalen Methoden greifen wie die ägyptische Militärdiktatur, um massenhaften Widerstand gegen ihre verhasste Politik des Kriegs, der sozialen Angriffe und der Durchseuchung in der Pandemie zu unterdrücken.

Loading