UAW-Präsidentschaftskandidat Will Lehman: Online-Treffen zum Abschluss seiner Tour durch die US-Autoindustrie

Die World Socialist Web Site unterstützt Will Lehmans Kandidatur für die UAW-Präsidentschaft. Weitere Informationen sind hier zu finden: WillForUAWPresident.org.

Etwa 150 Arbeiter und Unterstützer nahmen am Samstag an einem Online-Treffen mit dem Präsidentschaftskandidaten der United Auto Workers Gewerkschaft, Will Lehman, teil. Lehman beantwortete Fragen von Autoarbeitern aus dem ganzen Land und erläuterte seinen Kampf zur Mobilisierung einer Basisbewegung gegen den UAW-Apparat.

Das Treffen fand im Anschluss an eine historische Reise Lehmans zu Automobilwerken im Mittleren Westen und Südosten der USA statt.

Diese Tour umfasste Besuche beim Ford-Werk Dearborn Truck am Sonntag, bei drei Chrysler/Stellantis-Werken in den Vororten von Detroit am Montag, bei dem GM-Montagewerk Flint am Dienstag, bei den Streikposten der streikenden Lehrer in Columbus (Ohio) am Mittwoch, beim Ford-Werk Kentucky Truck in Louisville am Donnerstag und am Freitag bei Volvo Trucks-Arbeitern in Dublin (Virginia).

Will Lehman diskutiert mit Ford-Arbeitern in Louisville über sein Programm

Lehman gab im Laufe seiner Tour mehrere Video-Statements ab, u.a. über den Ford-Hungermarsch 1932 in Dearborn, den Sitzstreik in Flint 1936–1937 und die Rolle der Sozialisten bei der Führung dieses Streiks, sowie über die Notwendigkeit, alle Arbeiter zur Unterstützung der streikenden Lehrerinnen und Lehrer in Columbus (Ohio) zu mobilisieren.

Im Laufe der Tour trugen sich Hunderte von Arbeitern und Arbeiterinnen in eine Liste ein, um Lehmans Kampagne zu unterstützen. In jedem Betrieb, den er besuchte, stieß Lehman bei den einfachen Arbeitern auf enorme Unterstützung für einen echten Kampf gegen die unerträglichen Bedingungen und den UAW-Apparat, der für ihre Durchsetzung verantwortlich ist.

Ein Arbeiter bei Dearborn Truck brachte die Stimmung der Belegschaft auf den Punkt, als er über die UAW-Führer sagte: „Sie haben es leicht. Für sie ist die Gewerkschaft ein Geschäftsmodell.“

An dem Online-Treffen am Samstag nahmen u.a. Automobilarbeiter aus den Ford-Werken Dearborn Truck, Cleveland Engine und Kentucky Truck, aus den Chrysler-Werken Belvidere Assembly und Warren Truck, aus dem General Motors-Werk Flint Assembly, von Mack Trucks in Macungie, Pennsylvania, wo Lehman arbeitet, und von John Deere teil. Auch Pädagogen, Beschäftigte im Gesundheitswesen, Angestellte im Dienstleistungssektor, Studenten und Rentner waren dabei.

„Bei meiner Kampagne geht es um die Abschaffung des UAW-Apparats“, sagte Lehman bei der Eröffnung der Versammlung. „Die UAW besteht aus zwei Schichten - den Arbeitern, die alle Gewinne erwirtschaften und alle Beiträge zahlen, und einer Schicht von Bürokraten (...) Im Moment verhält sich [die UAW] wie ein großes Unternehmen und arbeitet zum Schutz der Unternehmensinteressen.

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„Viele Arbeiter, mit denen ich gesprochen habe, sagten, dass die UAW den Unternehmern auf dem Schoß sitzt. Wenn sie das sagen, ist damit die Gewerkschaftsbürokratie gemeint. Es sind nicht die Arbeiter, die auf dem Schoß der Unternehmen sitzen, sondern die Bürokraten, und diese Schicht muss abgeschafft werden.“

Lehman fuhr fort, seine Kampagne fordere „die volle Kontrolle über alle UAW-Vermögenswerte, sowie über die Tarifverhandlungen und die Stimmenauszählung. Wir haben all diese Vermögenswerte durch die Zahlung von Beiträgen erwirtschaftet, und wir sollten diejenigen sein, die sagen, was wir mit diesen Vermögenswerten machen, nicht die Bürokraten.“

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Er fügte hinzu: „In jedem Betrieb muss es eine Führung geben, in jedem Industriezweig müssen Aktionskomitees vorhanden sein. Bei dieser Kampagne geht es nicht nur um die Autoarbeiter, sondern um alle Arbeiter. Es geht darum, den Arbeitern auf der ganzen Welt dieses Klassenbewusstsein zu vermitteln, denn nur so kann man gewinnen.“

Als Antwort auf die Frage eines Arbeiters nach seiner Haltung zu Lohnerhöhungen sagte Lehman, dass alle Arbeiter eine 50-prozentige Lohnerhöhung bräuchten, um die Zugeständnisse der Vergangenheit auszugleichen, zusammen mit einem obligatorischen Lebenshaltungskostenausgleich, um mit der rasant steigenden Inflation Schritt zu halten.

Lehman forderte auch die Abschaffung aller Entgeltstufen und die Überführung von Zeitarbeitern in Vollzeit. „Man fängt oft mit 75 Prozent des Lohns eines Spitzenjobs an, für manche Arbeiter liegt der Anfangslohn noch viel niedriger“, sagte er. „Überlegt doch nur: Das Unternehmen würde völlig ausrasten, wenn man entsprechend nur drei der vier Jobs machen würde, die man eigentlich machen müsste. Dennoch halten sie es für akzeptabel, euch so wenig zu zahlen. Das muss ein Ende haben. Der befristete Teilzeitstatus muss abgeschafft werden.“

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Er fuhr fort: „Aber es geht nicht nur darum, mit dieser Situation Schluss zu machen, es geht auch darum, wie man das erreichen kann. Versprechen kann man alles Mögliche, aber Fakt ist, dass man eine internationale Bewegung braucht, um das durchzusetzen.“

Ein Stellantis (Chrysler)-Arbeiter aus Michigan, der seit 35 Jahren im Betrieb ist, gratulierte Lehman zu seiner Initiative mit dieser Kandidatur. „Die Korruption in der UAW ging so weit und so tief, und sie ist immer noch ungebremst“, sagte der Arbeiter. „Es geht immer weiter, vom Vizepräsidenten der UAW bis hin zu unserem örtlichen Finanzsekretär, der 2 Millionen Dollar gestohlen hat.“

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Lehman erklärte, dass die Korruption in der UAW mit den korporatistischen Beziehungen zwischen der Gewerkschaft und den Unternehmen zusammenhing. „Je mehr sich die UAW den Unternehmerinteressen anpasste, je mehr es eine UAW-General Motors, eine UAW-Ford wurde und sie anfingen, Aktien zu besitzen und in den Vorständen dieser Unternehmen zu sitzen, desto mehr begannen sie, in Kategorien der Unternehmerinteressen zu denken. Heute identifizieren sie ihre Interessen mit denen der Unternehmen.

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Lehman sprach auch eindringlich über die Geschichte des Klassenkampfs und der UAW und verwies auf den Sitzstreik in Flint von 1936-1937, den Sozialisten angeführt hatten. Er wies darauf hin, dass die Roosevelt-Regierung die Entsendung von Truppen der Nationalgarde gegen die Streikenden unterstützte.

„Der Staat ist seit langem mit den Unternehmen verbündet, und sie sind sogar bereit zu töten, um den privaten Profit zu sichern. Daran erkennt man, dass es sich um Kapitalismus handelt (...) Er basiert nicht auf einem System der menschlichen Bedürfnisse, wie ich es vorschlage“, sagte Lehman. „Alle Errungenschaften der Arbeiterklasse wurden von den Arbeitern selbst erkämpft“, fügte er hinzu.

Ein Leiharbeiter, der seit zwei Jahren im GM-Werk Flint arbeitet, ergriff das Wort und warf der UAW vor, nichts für die Leiharbeiter zu tun. „Es ist, als hätten alle die Zeitarbeiter vergessen.“

Will im Gespräch mit Arbeiterinnen der Warren Truck Assembly über die Verteidigung der Arbeitsplätze

„Die UAW spricht von Solidarität“, antwortete Lehman, „aber was sie wirklich wollen, ist Loyalität. Sie wollen, dass wir dem UAW-Apparat gegenüber loyal sind.“ Er sprach sich dafür aus, alle Beschäftigten zu Vollzeitbeschäftigten zu machen, mit vollem Lohn und Leistungen. „Niemand sollte befristet oder in Teilzeit beschäftigt sein. Das war eins der Zugeständnisse, die [von der UAW] gemacht wurden.“

Ein weiteres Thema, das Lehman bei dem Treffen ansprach, ist die Rolle der Biden-Regierung. Sie hat in den letzten Wochen interveniert, um einen Streik von mehr als 100.000 Eisenbahnern zu verhindern und den Streik der Lehrer in Columbus (Ohio) zu beenden.

„Meine Kampagne ist sowohl gegen die Demokraten als auch gegen die Republikaner gerichtet“, sagte Lehman. „Mein Appell richtet sich an alle Teile der Arbeiterklasse (...) Die Regierung wird sich uns gegenüber feindlich verhalten, so wie sie es beim Sitzstreik in Flint und beim Hungermarsch getan hat (...) Das ist kein Arbeiterstaat, es ist ein kapitalistischer Staat.“

Auf die Frage eines pensionierten Automobilarbeiters erklärte Lehman, andere Kandidaten für das Amt des UAW-Präsidenten behaupteten, dass sie in der Lage wären, die Dinge zu ändern, wenn sie nur ins Amt gewählt würden. „Diese Lüge ist uns schon lange eingetrichtert worden“, sagte Lehman.

„Ich bin der einzige Kandidat, der den Arbeitern sagt, dass es nicht darum geht, nur auf Veränderungen zu warten. Die Demokraten und Republikaner sagen, dass wir mit einer Beteiligung an einer Wahl die bestehende Ungleichheit beenden könnten. Aber daran sind sie gar nicht interessiert (...) Deshalb bin ich Sozialist. Deshalb stimme ich nicht für eine pro-kapitalistische Partei.“

Lehman sprach sich eindringlich für die internationale Einheit der Arbeiterklasse aus und setzte sich für den Aufbau der Internationalen Arbeiterallianz der Aktionskomitees ein. Er wies darauf hin, dass der Klassenkampf auf der ganzen Welt anschwillt, auch in Großbritannien, Indien und Sri Lanka.

„Es gibt Arbeiter in anderen Ländern, die versuchen, genau das Gleiche wie wir zu erreichen“, sagte er, „und wir wären viel stärker, wenn wir uns zusammentun und gemeinsam in den Kampf ziehen würden.“

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Lehman wandte sich gegen jede Form von Nationalismus und sagte: „Wenn ihr auf etwas stolz sein wollt, dann seid stolz darauf, dass ihr ein Mitglied der Arbeiterklasse seid (...) Seid stolz darauf, Solidarität in der Arbeiterklasse zu schaffen. Das ist der Weg, auf dem wir alle gewinnen können, indem wir erkennen, dass es keine Rolle spielt, woher du kommst oder welche Sprache du sprichst, wir sind alle auf der gleichen Seite.“

Lehman erklärte auch seine Ablehnung des imperialistischen Krieges. „Ich unterstütze keine Waffenlieferungen, keine Milliarden von Dollar, die in die Ukraine geliefert werden [um einen US-Nato-Krieg gegen Russland zu führen]“, sagte er. „An der Spitze sind alles Leute“, die diese Kriege verursachen, fügte er hinzu. „Der Weg vorwärts ist für uns die Solidarität auf der Ebene der Arbeiterklasse.“

Zum Abschluss des Treffens betonte Lehman, was für ein enormer Widerstand sich in allen Teilen der Arbeiterklasse aufbaut. „Von vielen Arbeitern, mit denen ich gesprochen habe, habe ich viele inspirierende Dinge gehört.

Man unterschätzt wohl den tatsächlichen Rückhalt, den wir bei unserer Hinwendung zur Arbeiterklasse haben werden. All das wurde uns von diesen Bürokratien und der herrschenden Klasse eingetrichtert: dass die Macht nicht da sei. Aber die Macht ist absolut da.

Es gibt eine Menge Arbeiter, die selbst vieles von dem sagen, was ich sage, wenn ich in die Betriebe gehe. Sie werden sich melden, und das haben sie bereits getan. Ich habe Hunderte von Menschen dazu gebracht, sich für die Unterstützung dieser Kampagne einzutragen (...) Ich versichere jedem, der denkt, dass all diese Dinge großartig seien, aber wir alleine dastünden, dass dem nicht so ist.

Wir alle kennen den Stand der Dinge, und wir wissen, was auf uns zukommt. Wir können es schaffen, wenn wir uns organisieren.“

Weitere Informationen über Will Lehmans Kampagne und über die Möglichkeit, wie man spenden und sich engagieren kann, sind hier zu finden: WillforUAWPresident.org.

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