Perspektive

IStGH-Haftbefehl gegen Putin: Teil der US-Nato-Propaganda für einen Regimewechsel

Am letzten Freitag, den 17. März, hat der Internationale Strafgerichtshof (IStGH) in Den Haag einen Haftbefehl gegen den russischen Präsidenten Wladimir Putin wegen angeblicher Kriegsverbrechen erlassen. Ein weiterer richtet sich gegen die russische Beauftragte für Kinderrechte, Maria Lwowa-Belowa.

Der Internationale Strafgerichtshof (IStGH) hat am 17. März 2023 einen Haftbefehl gegen den russischen Präsidenten Wladimir Putin wegen Kriegsverbrechen erlassen [AP Photo/Gavriil Grigorov, Sputnik, Kremlin Pool Photo via AP]

Das ist offensichtlich ein politischer Schritt. Er findet zu einem Zeitpunkt statt, da die USA und ihre Nato-Verbündeten den Krieg gegen Russland in der Ukraine massiv eskalieren. Immer offener erklären die Regierungsvertreter, dass das Ziel des Kriegs ein Regimewechsel in Moskau sei.

Konkret werden Putin und Lwowa-Belowa Verstöße gegen Artikel 8 des 1998 verabschiedeten Römischen Statuts vorgeworfen, das „schwere Verletzungen der Genfer Abkommen“ und „andere schwere Verstöße“ gegen das Völkerrecht umfasst. In den Haftbefehlen wird insbesondere folgendes Kriegsverbrechen genannt: „Rechtswidrige Verschleppung der Bevölkerung (Kinder) aus den besetzten Gebieten der Ukraine in die Russische Föderation“.

Die Richter des IStGH haben dem offiziellen Antrag auf Haftbefehl stattgegeben, und Karim A. A. Khan, ein britischer Anwalt und Chefankläger des Gerichtshofs in Den Haag, hat sie öffentlich bekannt gemacht. Vorausgegangen war eine monatelange Propaganda der Biden-Regierung, die der russischen Regierung „Verbrechen gegen die Menschlichkeit“ und „Völkermord“ vorwarf.

Das Gericht hat zwar die Haftbefehle veröffentlicht, nicht jedoch die angeblichen Beweise, die ihnen zugrunde liegen. Seither verbreiten bürgerliche Medien – wie die US-amerikanisch New York Times – konkrete Vorwürfe über die „unrechtmäßige Verschleppung“ von Kindern, die sich ausschließlich auf die Behauptungen der Biden-Regierung und der ukrainischen Regierung stützen.

Eine oft zitierte Studie, die die Universität Yale im Februar veröffentlicht hat, behauptet, dass 6.000 Kinder nach Russland verschleppt worden seien. Das Institut, das die Studie durchgeführt hat, ist Teil der regierungsnahen Organisation „Ukraine Conflict Observatory“, die zu dem Zweck gegründet wurde, Kriegspropaganda zu betreiben. Diese „Beobachtungsstelle“ hat vom „Bureau of Conflict and Stabilization Operations“ des US-Außenministeriums eine Anschubfinanzierung in Höhe von 6 Millionen Dollar erhalten. Ihre Aufgabe es ist, „Konflikte, die die nationalen Interessen der USA untergraben, im Vorfeld zu antizipieren und darauf zu reagieren“.

Die russische Regierung hat ihrerseits eingeräumt, dass man Menschen aus den vom Krieg verwüsteten östlichen Teilen der Ukraine nach Russland geholt habe, darunter auch Kinder, vor allem aus Waisenhäusern. Sie hat festgestellt, dass all diejenigen – auch Lehrer und Betreuer – die in den von Russland kontrollierten Gebieten weiterarbeiten, Gefahr laufen, als Kollaborateure beschuldigt und von rechtsextremen ukrainischen Kräften getötet zu werden.

Wie schon bei früheren Anklagen wegen Kriegsverbrechen zeichnet sich der Feldzug der USA durch ein erschütterndes Maß an Heuchelei aus. An allen objektiven Maßstäben gemessen, hat sich jede US-Regierung der jüngeren Vergangenheit weitaus schlimmerer Verbrechen als Putin schuldig gemacht: Angefangen bei der nuklearen Vernichtung zweier japanischer Städte am Ende des Zweiten Weltkriegs, über die Auslöschung Nordkoreas in der Zeit von 1950 bis 1953 (die kein einziges Gebäude stehen ließ), bis hin zu dem Massengemetzel und der pyrochemischen Vernichtung im Vietnamkrieg der USA. Seit nunmehr dreißig Jahren, seit der Auflösung der Sowjetunion, führen die USA einen nicht enden wollenden und eskalierenden Krieg, der auf die Auflösung der Sowjetunion abzielt.

Auch ist derselbe Staat, der Putin heute am lautesten der Kriegsverbrechen beschuldigt, verantwortlich für die Folterungen in Abu Ghraib im Irak und für das Bombardieren von Hochzeitsfesten und anderen zivilen Zusammenkünften in Afghanistan. Er betreibt das Gefängnis von Guantanamo Bay und führt regermäßig Drohnenmorde durch.

Da die Haftbefehle die Frage der Kindermisshandlung aufwerfen, sollten wir uns auch an die berüchtigte Aussage der damaligen US-Botschafterin bei den Vereinten Nationen, Madeleine Albright, erinnern, die 1996 mit Blick auf eine halbe Million toter Kinder infolge der US-Sanktionen gegen den Irak erklärte: „Wir denken, es ist diesen Preis wert.“

Die Vereinigten Staaten erkennen nicht einmal die Zuständigkeit des IStGH an, denn sie befürchten, dass dieser irgendwann dazu benutzt werden könnte, amerikanische Regierungspolitiker anzuklagen und vor Gericht zu bringen. Bill Clinton hatte zwar das Römische Statut unterzeichnet, auf dessen Grundlage der Haftbefehl gegen Putin ausgestellt worden ist. Aber er legte es dem Senat nie zur Ratifizierung vor. Als Präsident George W. Bushs Anwälte im Jahr 2002 Memoranden zur Rechtfertigung von „Präventivkrieg“ und Folter vorlegten, erklärte Bush vor den Vereinten Nationen, dass die USA gar nicht mehr die Absicht hätten, das Statut zu ratifizieren.

Im Jahr 2020 kündigte die Trump-Administration an, sie werde wirtschaftliche Sanktionen und Reisebeschränkungen gegen die Ermittler des IStGH verhängen. Kurz zuvor hatte das Gericht in Den Haag begonnen, Vorwürfe von Kriegsverbrechen, einschließlich Folter, Vergewaltigung und sexueller Gewalt, durch das US-Militär in Afghanistan und in CIA-Folterzentren Osteuropas zu untersuchen. Der neue Chefankläger am Internationalen Strafgerichtshof, Karim Khan, hat diese Folter-Ermittlungen kurz nach seiner Ernennung im Jahr 2021 wieder eingestellt.

Der Hauptzweck des Haftbefehls gegen Putin besteht darin, die Propaganda für eine enorme Eskalation des US/Nato-Kriegs gegen Russland anzuheizen. Sie ist zeitlich auf den Besuch des chinesischen Präsidenten Xi Jingping in dieser Woche in Moskau abgestimmt. Denn es ist erklärtes Ziel dieses Besuchs, einen Vorschlag zu diskutieren, wie der Krieg auf dem Verhandlungswege beigelegt und ein sofortiger Waffenstillstand geschlossen werden könnte.

Die USA und die Nato-Mächte wollen keine solche Beendigung des Kriegs. Sie streben im Gegenteil seine Ausweitung an. Am Freitag erklärte der Sprecher des Nationalen Sicherheitsrates der USA, John Kirby, auf einer Pressekonferenz: „Wir werden Aufrufe zu einem Waffenstillstand sicherlich nicht unterstützen.“ Angesichts der katastrophalen Verluste an Menschenleben aufseiten der ukrainischen Streitkräfte überschwemmen die USA und ihre europäischen Verbündeten das Land mit modernen Waffen und bereiten eine Großoffensive innerhalb der nächsten zwei Monate vor.

Die Anschuldigungen wegen Kriegsverbrechen sind Teil der Bemühungen, die Regierung Putin für vogelfrei zu erklären und einen Krieg für einen Regimewechsel zu rechtfertigen, dessen Ziel die Zerschlagung Russlands ist.

Die New York Times, die als Sprachrohr für den US-Geheimdienst fungiert, schrieb in ihrem Artikel über die Haftbefehle: „Sie stellen Herrn Putin auf eine Stufe mit Omar Hassan al-Bashir, den abgesetzten Präsidenten des Sudan, dem Gräueltaten in Darfur vorgeworfen werden; mit Slobodan Milosevic, den serbischen Führer, der wegen Misshandlungen während des Balkankrieges inhaftiert worden war, und mit den Nazis, die nach dem Zweiten Weltkrieg in Nürnberg vor Gericht standen.“

Unabhängig davon, was die Haftbefehle für unmittelbare Auswirkungen haben, sollen sie nicht nur Putin, sondern auch Xi signalisieren, dass der Krieg so lange eskalieren wird, bis Putin ein ähnliches Schicksal wie Milosevic ereilt.

Hinter den Kulissen erörtern die USA und die Nato-Mächte derzeit Pläne für den Einsatz von Nato-Truppen in dem Konflikt. Die Propaganda über Kriegsverbrechen und „Völkermord“ könnte genutzt werden, um Russland für jede Provokation oder jeden fabrizierten Vorfall verantwortlich zu machen und einen Kriegsvorwand zu schaffen.

Nichts davon impliziert eine Unterstützung für die russische Invasion in der Ukraine oder für irgendwelche Handlungen der Putin-Regierung, die eine Fraktion der russischen Oligarchie verkörpert. Der Einmarsch in die Ukraine war eine reaktionäre und bankrotte Antwort dieser Oligarchie auf die Einkreisung Russlands durch die USA und die Nato. Aber die Vereinigten Staaten haben den Krieg systematisch provoziert und bereiten nun, mehr als ein Jahr nach seinem Beginn, eine massive und katastrophale Eskalation vor.

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