Volkswagen plant radikalen Umbau und will Milliarden einsparen

Der Wolfsburger Volkswagen Konzern, zu dem neben VW auch Audi, Porsche, Skoda, Seat und weitere Marken zählen, plant einen gewaltigen Umbau seiner Produktion. Die Kernmarke VW, die etwa die Hälfte des Gesamtumsatzes erzielt, wirft nach Ansicht der VW-Manager und ihrer Großaktionäre zu wenig Profit ab.

VW-Werk Kassel (Bild: BiCYCLE / CC-BY-SA 3.0) [Photo: BiCYCLE / CC-BY-SA 3.0]

Um dies zu ändern, plant der Konzern ein sogenanntes „Performance-Programm“. Hinter dem neudeutschen Marketing-Sprech verbirgt sich ein knallhartes Sparprogramm mit dem von VW-Markenchef Thomas Schäfer erklärten Ziel, die Rendite von 3 Prozent zunächst auf mindestens 6,5 Prozent zu erhöhen.

„Wir müssen aber auch in Krisenzeiten und in einer auf Dauer volatilen Welt gute, wettbewerbsfähige Renditen schaffen,“ ergänzte Schäfer. Damit sind Renditen von 10 bis 15 Prozent gemeint, die derzeit Automobilhersteller im Premiumbereich erzielen, also Mercedes-Benz, BMW, Tesla, aber auch die konzerneigenen Marken Audi und Porsche.

Solch hohe Profitraten lassen sich nur durch eine drastische Verschärfung der Ausbeutung in den VW-Werken verwirklichen. Ein hochrangiger Konzernvertreter teilte freimütig mit, dass für jeden Prozentpunkt zusätzlicher Rendite Einsparungen von etwa einer Milliarde Euro nötig seien. Wie viele tausend Arbeitsplätze eingespart, welche Produktion verlagert und wie stark Löhne- und Sozialleistungen geschliffen werden sollen, wird noch nicht preisgegeben.

Sicher ist dagegen, dass der VW-Vorstand sich längst in intensiven Gesprächen mit der IG Metall und ihren Betriebsräten befindet, wie dieses Sparprogramm gegen die Belegschaft durchgesetzt werden kann.

Weltweiter Verdrängungswettbewerb auf dem Rücken der Arbeiter

Volkswagen zählt mit über 250 Milliarden Euro Jahresumsatz zu den weltweit größten Autokonzernen. Nur Toyota hat in den letzten zwei bis drei Jahren mehr Autos verkauft. Trotz Coronakrise, Lieferkettenproblemen und Chipmangel erzielte der Konzern in den letzten drei Jahren hohe Milliardengewinne.

Kein Autobauer beschäftigt weltweit so viele Arbeiter wie der VW-Konzern. Er betreibt laut eigenen Angaben „in 19 Ländern Europas und in 10 Ländern Amerikas, Asiens und Afrikas 120 Produktionsstandorte. 662.575 Beschäftigte produzieren rund um den Globus Fahrzeuge, sind mit fahrzeugbezogenen Dienstleistungen befasst oder arbeiten in weiteren Geschäftsfeldern. Seine Fahrzeuge bietet der Volkswagen Konzern in 153 Ländern an.“

Doch der Umstieg von Fahrzeugen mit Verbrennerantrieb auf Elektroautos hat den gnadenlosen Wettbewerb zwischen den großen Autokonzernen um die günstigsten Arbeitskosten, Absatzmärkte und sichere Lieferketten verschärft. Er wird auf dem Rücken der Arbeiter aller Länder und Standorte ausgetragen, die mehr arbeiten müssen und weniger verdienen, während Hunderttausende ihren Job verlieren.

Bei dieser Umstellung liegt die Konkurrenz, allen voran Tesla und die chinesischen Hersteller von E-Autos, weit vor Volkswagen. Die Wirtschaftswoche schrieb kürzlich dazu: „Es sind chinesische Anbieter, die konkurrenzlos günstig E-Autos bauen können, weil sie die gesamte Wertschöpfungskette vom Batterierohstoff bis zum Autovertrieb kontrollieren. Und es sind neue Player wie Tesla, die den Wolfsburger Traditionskonzern mit ihren minimalen Overhead-Kosten und ihren revolutionär günstigen Produktionsmethoden in die Enge treiben.“

Seit den 1980er Jahren war Volkswagen mit seiner Kernmarke VW Marktführer in China. Doch der Verkauf von Verbrennerfahrzeugen geht nun drastisch zurück, stattdessen gibt es eine rasant steigende Nachfrage nach Elektroautos. Bei der Neuausrichtung des Marktes ist VW gegenwärtig weit abgeschlagen. Der chinesische Produzent BYD, der bereits ausschließlich Elektro-Fahrzeuge herstellt, konnte dagegen seinen Marktanteil auf elf Prozent im ersten Quartal ausbauen und sich vor Volkswagen und Toyota an die Spitze stellen. Er konnte seine Absatzzahlen im Vergleich zum Vorjahr um 69 Prozent steigern.

Auch andere chinesischen Hersteller wie Nio, Geely oder Great Wall verkaufen weit mehr E-Autos als Volkswagen. Unter den Top-Ten der meistverkauften E-Autos befindet sich kein einziges deutsches oder europäisches Modell. Nur Tesla ist dort vertreten und versucht, mit drastischen Preissenkungen Marktanteile zu erobern. Autoanalysten sagen mittlerweile, der chinesische Automarkt befinde sich in „Aufruhr“, andere sprechen von einer „Zeitenwende“.

Die Wirtschaftswoche nennt ein Beispiel, an dem sich VW messen lassen müsse: „Die hochmoderne Mittelklasse-Limousine Seal von BYD kostet in China umgerechnet rund 25.000 Euro. Das Mittelklasse-SUV ID.4 von Volkswagen kostet in Deutschland in ähnlicher Ausstattung wie der BYD Seal mindestens 45.000 Euro.“ Allein diese Zahlen lassen ahnen, in welcher Größenordnung dem VW-Vorstand Kosteneinsparungen vorschweben und was er darunter versteht, „wirklich krisenfest“ zu sein.

Krieg um Rohstoffe

Eine zentrale Rolle bei der Umstellung auf E-Mobilität spielen die dafür erforderlichen Rohstoffe. Für die Herstellung von Batterien für Elektroautos werden große Mengen an Lithium, Nickel, Kobalt und Graphit sowie einige Seltene Erden und andere „kritische Mineralien“ benötigt. Die Tatsache, dass China diesen Markt weitgehend kontrolliert und diese Rohstoffe auch verarbeitet, treibt die westlichen Autokonzerne und ihre Regierungen zunehmend in Konflikt mit China.

Auch Russland und die Ukraine verfügen über große Mengen dieser strategischen Rohstoffe. So entfällt rund ein Drittel der erkundeten Lithiumvorkommen Europas, insgesamt 500.000 Tonnen, auf die Ukraine, der größte Teil davon auf das heftig umkämpfte Donbass-Gebiet. Russland spielt insbesondere bei der Produktion von hochwertigem Nickel, dessen Nachfrage in den nächsten zwei Jahrzehnten voraussichtlich um das 19-Fache steigen wird, sowie von Metallen der Platingruppe, vor allem Palladium, eine wichtige Rolle.

Das ist einer der wesentlichen Gründe für den Ukrainekrieg. Die Osterweiterung der Nato verfolgte von Anfang an das Ziel, die Ukraine unter den Einfluss der Westmächte zu bringen und Russland zu unterwerfen und zu zerschlagen, um die Kontrolle über seine natürlichen Ressourcen zu erlangen. Die ständige Eskalation des Kriegs durch die Nato lässt daran keinen Zweifel.

Auch gegen China, das sie als Bedrohung für die wirtschaftliche und politische Vorherrschaft der USA sehen, bereiten die Strategen im Pentagon einen Krieg vor. Entsprechende politische und militärische Provokationen erfolgen im Wochentakt. Im März dieses Jahres wurde das Memo eines hochrangiger US-Generals bekannt, der davon ausgeht, dass sich die USA spätestens 2025 im Krieg mit China befinden.

Auch der europäische und insbesondere der deutsche Imperialismus sehen China zunehmend als wirtschaftliche Bedrohung und treten immer feindseliger auf. Der Wettlauf um alternative Versorgungsketten für kritische Rohstoffe, unabhängig von China, bringen die EU-Staaten auch in Konflikt mit den USA, die ihre Vorherrschaft bedroht sehen.

Nachdem Tesla den Maßstab für die Entwicklung von hochpreisigen Elektroautos gesetzt hat und China und Südkorea in der Entwicklung und Produktion von Batteriezellen weltweit führend sind, versucht der VW-Konzern seinen Rückstand aufzuholen.

Ähnlich wie Tesla, das seine Gigafactories in Rekordzeiten entstehen ließ, baut VW unter dem Namen PowerCo bereits seit Juli 2022 an drei Standorten gigantische Batteriezellfabriken. Eine in Deutschland, „Salzgiga“ in Salzgitter, eine in Spanien, in Valencia, und eine für Nordamerika. Fünf weitere sollen zusammen mit Partnern in Europa folgen. Die erste davon wird bereit dieses Jahr in Schweden in Betrieb gehen.

VWs bisher größte Batteriefabrik soll aber bis 2027 in St. Thomas in Kanada entstehen. Das VW-Vorstandsmitglied Thomas Schmall sagte dazu, Nordamerika spiele eine Schlüsselrolle in der globalen Batteriestrategie von Volkswagen. Die Region werde neben Europa zum zweiten Standbein der internen Batteriesparte. Die Nähe des Standorts zu Toronto und Detroit verschaffe dem Unternehmen Zugang zu Forschungseinrichtungen, qualifizierten Arbeitskräften und etablierten Lieferketten.

Vorstand und Betriebsrat gegen die Belegschaft

Bei der Umstrukturierung des Konzerns und den damit verbundenen Angriffen auf die Belegschaft arbeiten Vorstand, Aktionäre, IG Metall und Betriebsrat eng zusammen. Sie sprechen jeden Schritt ab, um Widerstand zu unterdrücken und die Belegschaft nach Ländern und Standorten, zwischen Festangestellten und Leiharbeitern usw. zu spalten.

Als im September 2022 der bisherige VW-Chef Herbert Diess durch den ehemaligen Porsche-Chef Oliver Blume ersetzt wurde, war dies mit der Entscheidung für eine umfassende strategische Umstrukturierung des Konzerns verbunden.

Das begann zunächst mit einer brachialen Umstrukturierung bei Audi. So wurde beschlossen, die jährlichen Fabrikkosten bis 2033 um die Hälfte zu reduzieren. Die IG-Metall und der Audi-Betriebsrat stimmten dem Abbau von 9500 Arbeitsplätzen bis 2025 zu. Auch der Entwicklung einer eigenen Software für alle zukünftigen Fahrzeugmodelle wurde höchste Priorität eingeräumt. Die Software gilt als größte Wertschöpfungskomponente in den E-Autos der Zukunft.

Aber es gab noch einen zweiten Grund für den Führungswechsel von Diess zu Blume, der bekanntlich von der IG Metall und der VW-Gesamtbetriebsratsvorsitzenden Daniela Cavallo maßgeblich mit organisiert wurde.

Diess hatte die „vertrauensvolle“ Zusammenarbeit mit den mächtigen IGM-Betriebsräten vernachlässigt. Diese sahen sich zunehmend übergangen und ihre Rolle als Betriebspolizei gefährdet. So hatte sich der Betriebsrat daran gestört, dass von Diess in Auftrag gegebene Szenarien über den Abbau von 30.000 Arbeitsplätzen ungefiltert in die Öffentlichkeit gelangt waren und die Belegschaft in Aufruhr versetzten.

Blume wird dagegen von den Betriebsräten hoch gepriesen, weil er sie eng in seine Planungen einbezieht. Blume habe einen guten Start an der Konzernspitze hingelegt und genieße mit seinem Team „die vollste Unterstützung“ des Betriebsrats, sagt Cavallo. Man arbeite „vertrauensvoll und auf Augenhöhe“ zusammen. Wir haben bereits in einem früheren Artikel gezeigt, was diese „vertrauensvolle Zusammenarbeit“ bedeutet.

In keinem anderen deutschen Unternehmen ist die Zusammenarbeit zwischen Management und Gewerkschaft so ausgefeilt wie bei Volkswagen. IG Metall und Betriebsrat sorgen mit einem Heer vollamtlicher Funktionäre dafür, dass die Entscheidungen des Konzerns reibungslos umgesetzt werden und kein Widerstand dagegen aufkommt.

Allein im Werk Wolfsburg gibt es 75 freigestellte, vom Unternehmen bezahlte Betriebsräte, von denen 66 der IG Metall angehören. Ihnen arbeiten 2500 Vertrauensleute zu, die – in den Worten von Business Insider– „Augen und Ohren in jedem Winkel der Fabrikstadt“ haben. Außerdem verfügt der Wolfsburger Betriebsrat über einen eigenen 70-köpfigen Verwaltungsapparat.

Die Rolle von IGM und Betriebsrat beschränkt sich aber nicht darauf, die Entscheidungen des Konzerns umzusetzen. Sie arbeiten sie selbst mit aus. Im paritätisch besetzten Aufsichtsrat arbeiten sie eng mit den Großaktionären zusammen, den Familienclans Porsche und Piëch, deren Vermögen auf die Nazis zurückgeht. Die SPD-geführte Landesregierung von Niedersachsen, die der IGM nahesteht, verfügt über eine gesetzlich verankerte Sperrminorität. Außerdem ist das Emirat Katar mit einem Anteil von 17 Prozent beteiligt.

Stellvertretender Vorsitzender des Aufsichtsrats ist der IGM-Vorsitzende Jörg Hofmann. Er sitzt gemeinsam mit der Gesamtbetriebsratsvorsitzenden Daniela Cavallo im Präsidium, in dem alle wichtigen Entscheidungen abgesprochen werden.

Laut Presseberichten treffen sich gegenwärtig interne Arbeitsgruppen, die konkrete Maßnahmen entwickeln. Danach will Volkswagen Investoren und Analysten bei seinem Kapitalmarkttag am 21. Juni Ergebnisse präsentieren. Als Beispiel nennt VW-Chef Schäfer eine geänderte Produktionsweise in den Werken. Dadurch, so der Vorstand, würden in den kommenden Jahren Milliardenbeträge eingespart.

Es gab in der Vergangenheit viele Sparprogramme bei VW, die alle mit Hilfe der IG Metall und ihrer Betriebsratsfürsten umgesetzt wurden. Doch was der Belegschaft des Volkswagen-Konzerns und seiner Töchter jetzt bevorsteht, hat völlig neue Dimensionen.

Die oben genannten Einsparungs- und Profitziele können nur mit bisher nicht gekannten Angriffen erreicht werden. Der Abbau von rund 30.000 Arbeitsplätzen bei VW, die Halbierung der Fertigungskosten bei Audi, die Stilllegung der spanischen Marke Seat – all diese Vorschläge stehen im Raum und werden jetzt von Blume in enger Zusammenarbeit mit Betriebsrat und Gewerkschaften in Angriff genommen.

Der Kampf dagegen erfordert den Bruch mit der IG Metall und ihrem Betriebsrat und den Aufbau unabhängiger Aktionskomitees, die den Widerstand organisieren und Kontakt zu Arbeitern in anderen Werken und Ländern aufnehmen. Die Sozialistische Gleichheitspartei und ihre internationalen Schwesterparteien haben die Internationale Arbeiterallianz der Aktionskomitees (International Workers Alliance of Rank-and-File Committees) ins Leben gerufen, um eine solche Offensive einzuleiten und zu entwickeln.

Sie ist untrennbar mit dem Kampf für in sozialistisches Programm verbunden. Dass eine Clique von Milliardären, die ihr Vermögen den Verbrechen der Nazis verdanken, und hochbezahlten Gewerkschaftsbürokraten über das Schicksal von hunderttausenden Arbeitern entscheiden, unterstreicht die Absurdität eines Gesellschaftssystems, dass alle sozialen Bedürfnisse der Bereicherung und den Profitinteressen einer kleinen Minderheit unterordnet.

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