Perspektive

Die spanischen Wahlen, Podemos/Sumar und die Rückkehr des Franquismus

Bei den vorgezogenen Parlamentswahlen an diesem Sonntag wird die offen franquistische Vox-Partei in Spanien wahrscheinlich als Junior-Partner einer Koalition mit der konservativen Volkspartei (PP) an die Regierung kommen.

Vor 45 Jahren, nach dem Tod des Diktators General Francisco Franco, verhinderten die Sozialistische Partei (PSOE) und die stalinistische Kommunistische Partei Spaniens (PCE) eine revolutionäre Abrechnung der Arbeiterklasse mit der spanischen Bourgeoisie. Die Verfassung von 1978, so versprachen sie, würde die Geburt einer parlamentarischen Demokratie sein, die sich in die Europäische Gemeinschaft und die Nato eingliedert.

Jahrzehnte später sind die Versprechen von Demokratie zunichte gemacht worden: durch den sozialen und wirtschaftlichen Zusammenbruch in ganz Europa seit der globalen Finanzkrise 2008; durch die anhaltenden Turbulenzen auf den Finanzmärkten; durch die Auferlegung tiefgreifender, unpopulärer Sparmaßnahmen; und durch den mit dem Nato-Krieg gegen Russland in der Ukraine ausgelösten Kriegstaumel.

Die meisten Umfragen zeigen, dass die politischen Erben Francos – die von sieben franquistischen Ministern gegründete PP und die neofaschistische Vox, die vom ehemaligen PP-Mitglied Santiago Abascal angeführt wird – die Wahlen gewinnen werden. Die PP liegt weit vor der regierenden Sozialistischen Partei (PSOE), wird aber die Unterstützung von Vox benötigen, um eine Mehrheit zu erlangen. Vox hat erklärt, dass es nur eine PP-geführte Regierung akzeptieren und kein anderes Arrangement annehmen wird.

Die Koalitionsregierung aus PSOE und Podemos hat die Wahlen sechs Monate vor dem geplanten Termin angesetzt, nachdem die beiden Regierungsparteien bei den Kommunal- und Regionalwahlen im Mai vernichtend geschlagen worden waren und eine wachsende Streikwelle über Spanien und Europa schwappt, an der sich Millionen von Arbeitern beteiligen. Aus Angst vor der wachsenden sozialen Opposition überlassen PSOE und Podemos die Initiative bewusst der Rechten, in der Hoffnung, dass eine rechtsextreme Regierung in der Lage sein wird, die wachsende soziale Opposition im Inland erfolgreich zu unterdrücken und den Krieg im Ausland zu eskalieren.

Vox ist eine Partei, die sich aus ehemaligen Richtern, Polizisten und Generälen zusammensetzt und die in der ungebrochenen historischen Kontinuität des Franquismus steht. Francos Sieg im Spanischen Bürgerkrieg war mit dem Massenmord an 200.000 politischen Oppositionellen und linken Arbeitern besiegelt worden. In den folgenden vier Jahrzehnten wurden Tausende von der Geheimpolizei verhaftet, gefoltert oder ermordet. Streiks, politische Parteien und Gewerkschaften wurden verboten und demokratische Rechte unterdrückt. Zeitungen und Bücher wurden zensiert, und höhere Bildung und eine gute Gesundheitsversorgung waren nur den Privilegierten zugänglich. Das Regime stürzte erst in den 1970er Jahren inmitten von Massenstreiks und Protesten der Arbeiterklasse.

Vox will den Krieg im Ausland und den Klassenkrieg im eigenen Land ausweiten, indem sie die Militär- und Polizeibudgets erhöht, Spanien rezentralisiert, streikende Arbeiter inhaftiert, den spanischen Chauvinismus fördert und gleichzeitig die baskischen und katalanischen Sprachrechte beschneidet und Migranten zum Sündenbock macht. Sie lehnt Abtreibungen und LGBTI-Rechte ab und leugnet den Klimawandel. Für die Reichen will sie die Steuern auf Einkommen, Vermögen, Kapitalerträge und Erbschaften abschaffen. In allen wesentlichen Punkten wird dieses Programm von der PP geteilt. Diese schreckt höchstens vor der extremeren Rhetorik von Vox zurück, um ihrer eigenen arbeiterfeindlichen und militaristischen Agenda einen Anstrich von Seriosität zu verleihen.

Der Aufstieg von Vox ist nicht verwunderlich. In ganz Europa ist immer wieder ein gefährliches Muster zu beobachten, wenn ein massenhafter Linksruck die Bildung „breiter linker“ populistischer Parteien auslöst, nur um dann festzustellen, dass diese die Initiative völlig verraten und an die Rechtsextremen übergeben.

In Griechenland wurde im letzten Monat die rechte Regierung der Nea Dimokratia vereidigt, nachdem sie die oppositionelle Syriza besiegt hatte. Die pseudolinke Partei hatte von 2015 bis 2019 einen brutalen Sparkurs durchgesetzt, nachdem sie versprochen hatte, sich diesem entgegenzustellen. Dem neuen Parlament gehören nun drei rechtsextreme Parteien an, was ein Analyst als „das konservativste Parlament seit der Wiederherstellung der griechischen Demokratie im Jahr 1974“ bezeichnete.

In Italien sind 78 Jahre nach der Ermordung des faschistischen Diktators Benito Mussolini durch Partisanen seine politischen Erben, die Fratelli d'Italia, unter Giorgia Meloni zum ersten Mal seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs wieder an der Macht.

In Deutschland ist neunzig Jahre nach Hitlers Machtübernahme die rechtsextreme Alternative für Deutschland (AfD) in den Meinungsumfragen zweitstärkste Partei, noch vor den regierenden Sozialdemokraten und hinter der konservativen CDU. In Ostdeutschland ist die Partei, in der es von Rassisten, Antisemiten und militanten Neonazis wimmelt, die die Verbrechen des Dritten Reiches immer wieder verharmlosen, mit über 30 Prozent die stärkste Partei.

In Frankreich ist Marine Le Pens Rassemblement National, die in der historischen Tradition von Marschall Pétains nationalsozialistischem Vichy-Regime während des Zweiten Weltkriegs steht, seit 2017 die Hauptanwärterin bei den Stichwahlen zur Präsidentschaft. Jüngsten Umfragen zufolge würde Le Pen, wenn heute Wahlen stattfinden würden, Präsident Emmanuel Macron besiegen.

In Portugal konnte die rechtsextreme Partei Chega (Genug) bei den letzten Wahlen von einem auf zwölf Sitze zulegen. Prognosen zufolge wäre sie mit 13,2 Prozent die drittstärkste politische Kraft in Portugal. Jüngsten Umfragen zufolge könnte Chega mit der rechten Sozialdemokratischen Partei regieren, falls die regierende Sozialistische Partei Portugals Neuwahlen ausrufen sollte. Dies wäre das erste Mal seit dem Zusammenbruch des faschistischen Estado-Novo-Regimes während der Nelkenrevolution 1974, dass die Rechtsextremen an die Macht kommen.

Politische Tendenzen, die eigentlich in Vergessenheit geraten sein sollten, erleben ein Comeback. Wie ist das möglich auf einem Kontinent, der die brutalen Schrecken des Faschismus erlebt hat? Wie ist es vor allem möglich, dass inmitten der größten Streikwelle seit den 1970er Jahren auf dem gesamten Kontinent die Rechtsextremen die Hauptnutznießer des Widerstands gegen die kapitalistische Elite sind, die im Ausland imperialistische Kriege und einen Klassenkrieg im eigenen Land plant?

Die Antwort liegt nicht in diesen politischen Kräften, die, anders als in den 1930er Jahren, nicht über die Unterstützung einer Massenbewegung verfügen. In jedem einzelnen Fall sind es die Pseudolinken – seien es Syriza in Griechenland, die Neue Antikapitalistische Partei in Frankreich, die Linkspartei in Deutschland, der Linksblock in Portugal oder Reste der Rifondazione Comunista in Italien –, die als Geburtshelfer der Rechtsextremen fungiert haben.

Sowohl in der Opposition als auch in der Regierung haben diese Kräfte die Austerität verschärft, den imperialistischen Krieg unterstützt und versucht, Arbeiter und Jugendliche, die einst in ihnen eine Führungsrolle sahen, zu demobilisieren und zu verraten. Sie vertreten nicht die Arbeiterklasse, sondern wohlhabende Teile der Mittelschicht, die von der sozialen Umverteilung der letzten Jahre profitiert haben. Angesichts der eskalierenden Klassenkämpfe geben sie ihre Ansprüche auf sozialen Fortschritt auf und rücken scharf nach rechts, um ihre gesellschaftlichen Privilegien zu verteidigen.

In Spanien wurde Podemos 2014 von den pablistischen Anticapitalistas und verschiedenen stalinistischen Professoren unter der Führung von Pablo Iglesias gegründet. Die Partei entstand unmittelbar aus den Protesten der Bewegung M-15 („Indignados“, die Unbeugsamen) gegen die Sparmaßnahmen in den Jahren 2011-2012. Die Proteste entwickelten sich während der turbulenten Ereignisse des „Arabischen Frühlings“ und des Sturzes der ägyptischen Militärjunta sowie nach einer Periode großer Streiks und Kämpfe der europäischen Arbeiterklasse im Anschluss an die globale kapitalistische Krise von 2008.

Gestützt auf die politischen Verbindungen zwischen Iglesias und seinen stalinistischen Gesinnungsgenossen, den bürgerlich-nationalistischen Regimen von Hugo Chávez in Venezuela und Evo Morales in Bolivien sowie im Bündnis mit dem Vereinigten Sekretariat der Pablisten stellte sich Podemos gegen den Aufbau einer revolutionären Führung der Arbeiterklasse.

Podemos proklamierte ein Ende der traditionellen „Führung von oben“ – angeblich, um sich der Europäischen Union von links entgegenzustellen und eine neue Ära der Volksdemokratie einzuläuten, um endlich die unerfüllten „demokratischen“ Aufgaben des Übergangs zur Demokratie nach Franco zu vollenden. Von Anfang an zielte Podemos darauf ab, diese Bewegung zu entgleisen, sich jeder Hinwendung zum revolutionären Kampf zu widersetzen und sie hinter die sozialdemokratische PSOE, die führende Partei der bürgerlichen Herrschaft seit den 1980er Jahren, sowie den Gewerkschaftsapparat zu lenken.

Im Jahr 2018 organisierte Podemos angesichts des wachsenden Widerstands der Bevölkerung gegen die PP und ihre repressive Politik in Katalonien ein parlamentarisches Manöver, bei dem die PP gestürzt und durch eine Minderheitsregierung der PSOE ersetzt wurde. Die von Podemos unterstützte PSOE-Regierung setzte den Sparhaushalt der PP fort, überschüttete die Armee mit Milliarden von Euro, griff Migranten an und setzte die repressive Kampagne der Rechten gegen den katalanischen Nationalismus fort, während ihre pseudolinken Unterstützer die spaltende, pro-kapitalistische Agenda der Separatisten unterstützten.

2018 nutzte Vox erfolgreich die aufgepeitschte nationalistische Stimmung, gewann bei den Regionalwahlen in Andalusien zwölf Parlamentssitze und zog zum ersten Mal in ein Regionalparlament ein. Zwei Jahre später, bei den Wahlen von 2019, erreichte Vox landesweit 15 Prozent der Stimmen und 52 Abgeordnete, wurde damit zur drittstärksten politischen Kraft und überholte Podemos.

Im selben Jahr trat Podemos in eine PSOE-geführte Regierung ein. In den folgenden vier Jahren setzte sie sich für den Nato-Krieg gegen Russland in der Ukraine ein, kürzte Renten und Löhne, verfolgte bei der Covid-19-Pandemie eine Politik, bei der Profite über Leben gehen, und erhöhte massiv den Militärhaushalt sowie die Rettungsmaßnahmen für Großbanken und Unternehmen. Sie ging brutal gegen streikende LKW-Fahrer und Metallarbeiter vor, verhängte drakonische Verpflichtungen für das Flugpersonal und ließ zahllose Migranten im Meer ertrinken.

Während die Pro-Podemos-Medien die Wahlschlappe der Regierungsparteien als Ergebnis rechter Medien, Fake News und einer antifeministischen „patriarchalen“ Welle darstellen, besteht die Wahrheit darin, dass Arbeiter nach vier Jahren Podemos im Amt acht Prozent ihrer Kaufkraft verloren haben, Hypotheken und Mieten um 50 Prozent gestiegen sind und große spanische Unternehmen Rekordgewinne einfahren. Der Podemos-Abgeordnete, frühere Staatssekretär und Generalsekretär der Kommunistischen Partei Spaniens, Enrique Santiago, rühmte sich: „In der Geschichte Spaniens hat es noch nie einen so großen Ressourcentransfer vom Staat zu privaten Unternehmen gegeben wie den, den diese Regierung durchgeführt hat.“

Die Rolle von Podemos, die jetzt in Sumar umbenannt wurde, einer Wahlplattform von 15 Parteien für die morgigen Wahlen, ist eine weitere bittere Erfahrung der Arbeiterklasse mit den „linkspopulistischen“ Parteien, die von den pseudolinken Gruppen und Stalinisten angepriesen und gefördert werden.

Die Arbeiter sind völlig entrechtet worden. Wen können sie wählen, um sich der Beteiligung Spaniens am Krieg der Nato gegen Russland in der Ukraine zu widersetzen, der zu einem Atomkrieg zu eskalieren droht? Oder gegen den 140-Milliarden-Euro-Rettungsfonds für Banken und Konzerne, der durch brutale Sparmaßnahmen finanziert wird? Oder eine politische Abrechnung für die Priorisierung von Profiten gegenüber Menschenleben während der Covid-19-Krise, die in Spanien zu 160.000 Toten und zwölf Millionen Infektionen führte?

Sumar hat deutlich gemacht, dass es den Krieg der Nato gegen Russland unterstützt und weiterhin Hunderte Millionen Euro an Waffen schicken will. Es hat Brüssel 24 Milliarden Euro an Kürzungen und Steuererhöhungen bis 2024 versprochen, um die Rettungsaktionen zu bezahlen. Die Partei wird von der amtierenden stellvertretenden Ministerpräsidentin und Arbeitsministerin Yolanda Díaz angeführt, die Arbeitsreformen durchgesetzt hat, die zu einer Ausweitung der Niedriglöhne geführt haben und eine Schlüsselrolle bei der Wiederöffnung nicht notwendiger Arbeitsplätze während der Pandemie spielten, was zu einem Massensterben führte. Bei allen brennenden Fragen, mit denen Arbeiter konfrontiert sind, vertritt Sumar die gleiche Grundposition wie Vox.

Daraus müssen Arbeiter die notwendigen politischen Schlussfolgerungen ziehen. Die Rückkehr der Franquisten bestätigt die Forderung des Internationalen Komitees der Vierten Internationale, dass der Kampf gegen Austerität, autoritäre Herrschaft, Faschismus und Krieg den Kampf gegen deren Ursache, den Kapitalismus, und gegen alle Parteien, die dieses bankrotte System verteidigen, erfordert. Dies erfordert den Aufbau von Sektionen des IKVI in Spanien und international als die trotzkistische Alternative, die den Kampf für den Sozialismus anführt.

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