Tausende fordern ein Ende des Genozids in Gaza

Die Regierungen der Welt unterstützen weiterhin uneingeschränkt das Netanjahu-Regime und seinen mörderischen Krieg gegen die Palästinenser im Gaza. Dagegen protestieren seit Wochen Millionen Menschen auf der ganzen Welt. Auch in Deutschland trotzen viele Tausende der Pro-Israel-Parteinahme von Ampel-Regierung und Bundestag und beteiligen sich seit Wochen an den Pro-Palästina-Demonstrationen.

In Berlin zog am Samstagnachmittag eine Demonstration von mehr als 5.000 Teilnehmern, darunter ganze Familien mit Kindern, vom Hauptbahnhof zum Großen Stern. Die Hauptslogans lauteten: „Freiheit für Gaza“, „Freiheit für Palästina“, sowie auch: „Deutschland finanziert, Israel bombardiert“. Zu hören war auch: „Deutsche Medien lügen, lasst euch nicht betrügen!“ Um 16 Uhr wurde die gesamte Demonstration aus Respekt vor den Opfern in Gaza für 15 Minuten lang zum eindrucksvollen Schweigemarsch.

Ein großes Polizeiaufgebot war allgegenwärtig. Dabei hatte der Versammlungsleiter unter Applaus anfangs erklärt: „Wir sind nicht hier, um Hass zu zeigen, sondern Frieden. Wir sind nicht hier, weil wir Juden hassen – wir sind hier, weil wir uns gegen Ungerechtigkeit in Palästina einsetzen. Wir leben seit Jahrhunderten friedlich neben den Juden.“ In der Bundeshauptstadt hält der Protest seit Wochen an.

Palästinenser suchen nach einem Bombenangriff im Flüchtlingslager Nusseirat nach Überlebenden, 31. Oktober 2023 [AP Photo/Doaa AlBaz]

Gegen den anhaltenden Genozid in Gaza gingen auch in vielen anderen Städten die Menschen auf die Straße. In Leipzig waren es etwa 1.000, in Stuttgart über 2.000 und in Düsseldorf über 1.500. In Hamburg werden seit fünf Wochen sämtliche Proteste gegen Israels ethnische Säuberungen verboten. Alle „pro-palästinensischen“ Versammlungen sind per Allgemeinverfügung polizeilich untersagt. Dieses Verbot, das am 16. Oktober für drei Tage ausgesprochen wurde, ist seither schon neun Mal verlängert worden.

In Nordrhein-Westfalen fanden außer in Düsseldorf auch in Köln, Bielefeld, Paderborn, Herne und Münster Proteste gegen den Genozid in Gaza statt. In Köln folgten rund 3.000 Teilnehmer dem Ruf der Initiative Palestinians and Jews for Peace (Palästinenser und Juden für Frieden) und beteiligten sich am Sonntagmittag an einem Friedensmarsch. Tausend waren angemeldet, drei Mal so viele kamen.

Starke Polizeiaufgebote waren an allen Palästinaprotesten zu sehen; hier: Düsseldorf, 18. November 2023 (Foto: WSWS)

In Münster wurde eine ursprünglich erlaubte Pro-Palästina-Demonstration 45 Minuten vor dem Start verboten und auf eine kleinere Kundgebung ohne Fahnen in der Innenstadt unter stärksten Auflagen beschränkt. Ein früheres Polizeiverbot war vom Verwaltungsgericht Münster am Vortag aufgehoben worden. Bei den verschiedenen Gerichtsentscheidungen ging es um die Einschätzung eines Slogans, den die Münsteraner Polizei und das Verwaltungsgericht Münster unterschiedlich bewerten. Den Slogan „From the river to the sea, Palestine will be free” wertete die Polizeipräsidentin von Münster, Alexandra Dorndorf, als Straftat. Sie behauptete, mit dem Spruch werde nicht nur das Existenzrecht des Staates Israel angezweifelt, sondern er fordere auch die Vernichtung des israelischen Volkes. Dagegen vertrat das Verwaltungsgericht Münster die korrekte Ansicht, die Parole könne auch das gleichberechtigte Zusammenleben aller Menschen auf dem Gebiet Israels, dem Westjordanland und dem Gaza-Streifen meinen.

Pro-Palästina-Demonstration in Düsseldorf, Samstag, 18. November 2023 (Foto: WSWS)

In Düsseldorf fand mit über 1.500 Teilnehmern eine der größeren Demonstrationen NRWs an diesem Samstag statt. Die Demonstrierenden mussten sich nicht nur gegen den strömenden Regen, sondern auch gegen Verbote und Polizeischikanen behaupten. Zunächst wollte die Polizei auch in Düsseldorf – wie zuvor in Berlin und anderen Städten – die Wörter „Genozid“ und „Völkermord“ im Rahmen der Auflagen verbieten. Aber die Anmelder setzten sich gerichtlich durch, und damit konnten auch die Plakate der Sozialistischen Gleichheitspartei, die den sofortigen Stopp des Genozids verlangen, mitgetragen werden.

Der Hauptslogan lautete: „Für Freiheit, Gerechtigkeit, Menschenwürde und Frieden in Palästina“. In den Reden wurde die Rolle der deutschen Regierung – namentlich von Scholz, Habeck und Baerbock – scharf kritisiert, und der am häufigsten skandierte Ruf lautete: „Shame on you!“ Auch viele handgemalten Plakate hatten eine ähnliche Ausrichtung und drückten die Empörung darüber aus, dass beispielsweise den Deutsch-Palästinensern elementare demokratische Grundrechte vorenthalten werden. „Gleiche Menschenrechte für alle“, lautete eine Forderung.

Polizeilich verbotenes Plakat in Göttingen, 18. November 2023 (Foto: WSWS)

In Göttingen (Niedersachsen) fand am Samstagnachmittag eine Kundgebung statt, an der sich vor allem Studierende beteiligten. Ein Plakat mit Hinweis auf den Genozid wurde polizeilich verboten. Darauf stand: „If you’ve ever wondered what you’d have done during slavery and European colonialism, the Holocaust and Canada’s genocide of Indigenous peoples, look at whatever you’re doing now for Gaza, Palestine” (Falls du dich je fragtest, was du wohl zur Zeit der Sklaverei und des europäischen Kolonialismus’ getan hättest, oder während des Holocaust oder Kanadas Genozid an den Indigenen – schau hin, was du heute für Gaza, Palästina, tun kannst).

Am Infostand der Sozialistischen Gleichheitspartei (SGP) fanden die Flyer der IYSSE, die sich gegen die Zensur ihrer Veranstaltung an der Humboldt-Uni Berlin wandten, unter den Studierenden großes Interesse. Mehrere Besucher des Infostands bedankten sich ausdrücklich darüber, dass die WSWS-Berichterstattung der unerträglichen Regierungspropaganda offen entgegentritt.

Kundgebung am Schillerplatz, Stuttgart, Sonntag, 19. November 2023 (Foto: WSWS)

In Stuttgart waren am Sonntag hunderte Polizeikräfte in der Innenstadt präsent, konnten aber eine lautstarke Kundgebung von über 2.000 Teilnehmern auf dem Schillerplatz und Demonstration durch die Innenstadt nicht beeinträchtigen. Dennoch kam es auch hier, wie anderswo, zu Schikanen, Beschlagnahmungen und strafrechtlichen Ermittlungen. Gegen eine 32 Jahre alte Frau laufen Ermittlungen, weil sie in ihrer Rede „verbotene Inhalte“ angesprochen haben soll.

Ein WSWS-Team verteilte eine Redaktionserklärung als Flyer, in der die Ereignisse in Gaza als „Warnung“ bezeichnet werden: „Die herrschende Klasse in den imperialistischen Ländern ist verzweifelt und fühlt sich in die Enge getrieben. Sie wird vor nichts Halt machen, um ihre globalen Interessen zu sichern, auch nicht vor Massenmord.“ Die Perspektive wird darin klar ausgesprochen: „Die Zukunft der Menschheit hängt davon ab, dass eine sozialistische Massenbewegung der Arbeiterklasse aufgebaut wird, die die Gesellschaft aus dem Würgegriff der Finanzoligarchie befreit.“

Das Team konnte mit zahlreichen Teilnehmern darüber sprechen. Praktisch alle wandten sich entschieden gegen den offiziellen Vorwurf, dass es sich bei den Demonstrierenden um „Antisemiten“ handle. Eine junge Frau erklärte: „Wir sind hier nicht, weil wir antisemitisch sind, sondern wir sind hier, weil wir das Morden und die Vertreibung stoppen wollen. Mehr ist es nicht. Wer was anderes sagt, das sind Lügner oder Menschen, die die Leute gegen uns aufhetzen wollen.“

Mustafa, Stuttgart, 19. November 2023. mit seinem Plakat "Stoppt den Krieg!" (Foto: WSWS)

Eine andere Teilnehmerin drückte es so aus: „Der Vorwurf, wir wären antisemitisch, ist eine große Lüge. Die Menschen hier stehen für Gerechtigkeit und gegen die Unterdrückung und Ermordung von so vielen Menschen im Gaza. Wir sind hergekommen, um für die Palästinenser einzustehen, die seit über 75 Jahren in einem offenen Gefängnis zu leben versuchen. (…) Das, was ihnen angetan wird, ist ein riesengroßes Unrecht.“

Ein Teilnehmer erklärte: „Man schimpft uns Antisemiten, nur weil wir gegen die Kriegsverbrechen Israels und gegen den Genozid protestieren. Dabei sind wir nicht gegen Juden, im Gegenteil: es sind auch Juden unter uns. Wir sind keine Antisemiten, aber wir sind gegen diesen Genozid, wir sind dagegen, dass Kinder sterben, und dass ein ganzes Volk ausgelöscht werden soll.“

Mehrere sprachen sich bewusst gegen die einseitige Unterstützung Israels durch die Bundesregierung aus. Ein Teilnehmer erklärte: „Ich finde es überhaupt nicht schön, dass Deutschland Israel unterstützt, dass man zum Beispiel Waffen verschickt oder generell in der Öffentlichkeit nur Israel unterstützt.“ Eine Frau sagte: „Wir wollen auch der Regierung in Deutschland zeigen, dass ihre Unterstützung für Israel gerade komplett nicht in Ordnung ist.“

Eine Teilnehmerin namens Erna wandte sich gegen die allgemeine Kriegsentwicklung und die massiven Ausgaben der Regierung für die Rüstung. Sie sagte: „Ich bin absolut gegen den Krieg. Wir müssen viel mehr in den Frieden investieren, aber nicht in Heckler & Koch oder in Rheinmetall, oder Mauser.“ Die Sparmaßnahmen, die jetzt die Bildung und die Sozialausgaben betreffen, erklärte sie zur „Schweinerei“, und sie sagte: „Bildung, das ist doch das Wesentliche, was uns vor einem Krieg und vor sozialer Ungleichheit bewahren kann.“

Immer wieder kam es zu lebhaften Diskussionen darüber, was die Lösung sein könne, und ob es möglich sei, dass Palästinenser und Juden im Nahen Osten friedlich zusammenleben. Dazu weckte das Programm der Vierten internationale, das zu Vereinigten Sozialistischen Staaten des Nahen Ostens aufruft, großes Interesse, und viele nahmen sich das SGP-Programm zur Europawahl mit, um es zu studieren.

Muhammad, Stuttgart, 19. November 2023 (Foto: WSWS)

Muhammad erklärte: „Für mich ist die Forderung nach Gleichheit unter den Menschen eine logische Forderung, die ich unterstützen würde.“ Eine junge Palästinenserin antwortete auf die Frage, was sie zu der Forderung denke, dass sich israelische und palästinensische Arbeiter zusammenschließen: „Das finde ich in Ordnung. Man muss es richtig verstehen, dann ist es, denke ich, eine große Sache. Und sie ist richtig.“

Mustafa, der ein Plakat mit der Aufschrift: „Stoppt den Krieg!“ trug, erklärte, er wolle die Menschen aufrütteln, um den Krieg zu stoppen. „Da sterben Menschen, Kinder, Familien, die nichts mit der Politik zu tun haben. Da muss man doch aktiv werden. Wir leben alle in derselben Welt, alle haben wir ein Herz, und fast alle haben wir die gleichen Probleme. Egal was passiert, aber den Krieg muss man stoppen.“

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