SPD-Chef Klingbeil fordert schnellere Massendeportation von Flüchtlingen

Die Bundesregierung reagiert auf die Massenproteste gegen die AfD, indem sie selbst das Programm der Faschisten immer offener übernimmt.

Am Mittwoch rief der SPD-Vorsitzende Lars Klingbeil die Landesregierungen dazu auf, die von der Regierung beschlossene Offensive zur Deportation von Flüchtlingen in die Tat umzusetzen. „Die Bundesländer haben jetzt die Möglichkeiten und sie müssen diese auch nutzen“, forderte Klingbeil im Gespräch mit der Neuen Osnabrücker Zeitung. „Der Staat muss funktionieren, wenn es darum geht, Menschen, die nicht bei uns bleiben können, zurückzuführen.“

Lars Klingbeil (Foto: Heinrich-Böll-Stiftung Berlin, Deutschland, CC BY-SA 2.0) [Photo by Heinrich-Böll-Stiftung, Berlin, Germany / CC BY 2.0]

Der Bundestag hatte am 18. Januar mit den Stimmen der Ampelparteien das sogenannte „Rückführungsverbesserungsgesetz“ verabschiedet, das die Angriffe auf Flüchtlinge massiv verschärft. Asylbewerber ohne Bleiberecht, die seit Jahren hier leben und arbeiten, können nun ohne Vorwarnung abgeholt, fast einen Monat inhaftiert und gewaltsam abgeschoben werden. Die Polizei darf nicht nur ihre Unterkunft und ihre Handys, sondern auch die Unterkunft von Nachbarn ohne Genehmigung durchsuchen.

Das Gesetz kriminalisiert zudem jeden, der Flüchtlingen hilft. So könnten künftig auch Seenotretter wegen Beihilfe zur illegalen Einreise direkt in Deutschland juristisch belangt werden – sogar, wenn es um die Rettung Minderjähriger geht. Laut der Menschenrechtsorganisation Medico international kommen zwei Gutachten zu dem Schluss, „dass mit dem beschlossenen Gesetzesentwurf ausgerechnet die Rettung von Kindern von einer geplanten Ausweitung der Strafbarkeit erfasst wäre“.

Mit dem Gesetz setzt die Politik die Deportations-Pläne der Rechtsextremen praktisch in die Tat um. „Im Gegensatz zur AfD braucht die Bundesregierung kein Geheimtreffen, um die massenhafte Entrechtung von Menschen zu diskutieren, sie schlägt das einfach als Gesetz vor“, kommentierte Sea-Watch-Sprecher Oliver Kulikowski den Beschluss der Ampel. „Die Rettung von Kindern aus Seenot und das Sichern von Grundbedürfnissen an den Grenzen mit Haft zu bedrohen“ sei „einfach nur niederträchtig“.

Es geht um die systematische Durchsetzung der AfD-Politik. Bereits einen Monat vor dem rechtsextremen Geheimtreffen in Potsdam, dessen Bekanntwerden im Januar Massenproteste auslöste, hatte Bundeskanzler Olaf Scholz auf der Titelseite des Spiegel gefordert: „Wir müssen endlich im großen Stil abschieben.“

Auf europäischer Ebene setzt die herrschende Klasse ebenfalls die Flüchtlingspolitik der extremen Rechten um. Am 20. Dezember einigten sich Vertreter der EU-Staaten und des Europaparlaments auf eine massive Verschärfung des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems (GEAS). Die von der AfD als „entschiedeneres Vorgehen gegen illegale Migranten“ gepriesenen Maßnahmen kommentierte die WSWS mit den Worten:

Der Tag wird in der Tat in die Geschichte eingehen, als Tag, an dem die EU und ihre nationalen Regierungen ganz offen das flüchtlingsfeindliche Programm der extremen Rechten übernommen haben. Die Umsetzung der von der EU auf den Weg gebrachten „Lösungen“ bedeutet die Abschaffung des Asylrechts, den Ausbau der Festung Europa, Massendeportationen und die Inhaftierung selbst von Frauen und Kindern in KZ-ähnlichen Abschiebelagern.

Auch die Legalisierung der von den Rechtsextremen diskutierte Abschiebung deutscher Staatsbürger mit Migrationshintergrund – auf dem Potsdamer Treffen ging es darum, auch „nicht-assimilierte“ Deutsche zu deportieren – wird von der Regierung vorbereitet. So verlangt das neue Staatsangehörigkeitsgesetz der Ampel etwa ein Bekenntnis „zur besonderen historischen Verantwortung Deutschlands für die nationalsozialistische Unrechtsherrschaft und ihre Folgen, insbesondere für den Schutz jüdischen Lebens“. Bei Verstößen kann die Staatsbürgerschaft binnen zehn Jahren wieder zurückgenommen werden.

Das hat weitreichende Konsequenzen. Unter der „besonderen historischen Verantwortung“ und dem „Schutz jüdischen Lebens“ versteht die Regierung nicht etwa den Kampf gegen Faschismus und Antisemitismus, sondern die uneingeschränkte Unterstützung von Israel und dessen Völkermord an den Palästinensern. Mit anderen Worten: das Gesetz schafft die Grundlage, Gegnern des Genozids unter dem falschen Vorwurf des Antisemitismus die Staatsangehörigkeit zu entziehen und sie ganz im Sinne der rechtsextremen Remigrationspläne zu deportieren.

Diese Gesetzesverschärfungen und Klingbeils Forderung, sie energisch umzusetzen, entlarven alle Sympathiebekundungen der Regierungspolitiker für die Massenproteste gegen Rechts als pure Heuchelei.

Das gilt auch für die CDU, die mit Vertretern am Potsdamer Geheimtreffen beteiligt war und über besonders enge politische und personelle Verbindungen zur AfD verfügt.

Und das gilt für Klingbeils SPD und das sozialdemokratische Staatsoberhaupt Frank-Walter Steinmeier, der in Sonntagsreden vor „extremistischen Rattenfängern“ warnt, aber in Wirklichkeit selbst eine Schlüsselrolle bei der Stärkung rechter und faschistischer Kräfte in Deutschland und ganz Europa spielt.

Besonders berüchtigt sind Steinmeiers auf Bildern bestens dokumentierte Treffen mit den damaligen AfD-Vorsitzenden Alexander Gauland und Alice Weidel im Schloss Bellevue 2017. Und seine Zusammenkunft als damaliger Außenminister mit dem Vorsitzenden der faschistischen Swoboda-Partei und bekennenden Antisemiten Oleh Tjahnybok in der deutschen Botschaft in Kiew während des pro-westlichen Putsches 2014.

Das Gleiche gilt für Linkspartei und Grüne. Dass sie sich nun als Vorkämpfer gegen die AfD gerieren, ändert nichts daran, dass sie in Wirklichkeit die Kriegspolitik der Regierung unterstützen – oder diese im Fall der Grünen aggressiv vorantreiben – und überall dort, wo sie auf Bundes- und Landesebene (mit)regieren, selbst das flüchtlingsfeindliche Programm der Faschisten in die Tat umsetzen.

Parallel zum Geheimtreffen in Potsdam hielten die Grünen Ende November ihren Karlsruher Parteitag ab, der sich für mehr Abschiebungen und die weitere Schleifung des Asylrechts stark machte. Und Die Linke sorgt vor allem in Thüringen mit ihrem Ministerpräsidenten Bodo Ramelow, der 2020 den AfD-Mann Michael Kaufmann mit seiner Stimme zum Vizepräsidenten des thüringischen Landtags machte, für brutale Deportationen und hohe Abschiebequoten.

Die World Socialist Web Site schreibt in ihrer Neujahrsperspektive, dass der Aufstieg faschistischer Parteien und Politiker anders als in den 1930 Jahren „weit weniger eine Massenbewegung von unten als vielmehr das Ergebnis eines allgemeinen Rechtsrucks der herrschenden Klasse“ ist. Das zeigt sich auch in Deutschland.

„Hatte sich 1933 die Verschwörung der herrschenden Eliten auf eine bestehende faschistische Bewegung gestützt, ist es heute umgekehrt“, erklärte der Vorsitzende der Sozialistischen Gleichheitspartei (SGP) Christoph Vandreier bereits in seinem 2018 erschienenen Buch „Warum sind sie wieder da?“. „Das Anwachsen der AfD ist das Ergebnis einer solchen Verschwörung. Man kann es nicht verstehen, ohne die Rolle der Regierung, des Staatsapparats, der Parteien, der Medien und der Ideologen an den Universitäten zu untersuchen, die ihr den Weg bereiten.“

Das Buch weist nicht nur detailliert nach, wie alle bürgerlichen Parteien, von der CDU/CSU bis zur Linkspartei, in den letzten Jahren systematisch die sozialen, politischen und ideologischen Voraussetzungen für den Aufstieg der AfD geschaffen haben. Es erklärt auch, dass die Wiederbelebung des deutschen Militarismus und Faschismus durch die herrschende Klasse letztlich die gleichen objektiven Ursachen hat wie im 20. Jahrhundert.

„Der globale Kapitalismus hat keines der Probleme gelöst, die in den 1930er Jahren in die Katastrophe führten. Alle sozialen, ökonomischen und geopolitischen Widersprüche brechen mit Macht wieder auf“, schreibt Vandreier. Unter diesen Bedingungen verfolgt die herrschende Klasse, die 1933 Hitler und die Nazis an die Macht brachte, um Deutschland hochzurüsten und auf Krieg vorzubereiten und die Arbeiterklasse brutal zu unterdrücken, erneut eine faschistische Politik.

Die Massenproteste zeigen, dass Arbeiter und Jugendliche nicht gewillt sind, das hinzunehmen. Aber die Opposition braucht eine klare Perspektive. Die entscheidende Lehre aus der Geschichte besteht darin, dass der Kampf gegen Faschismus und Krieg den Kampf gegen ihre Ursache im Kapitalismus erfordert – und gegen alle Parteien, die dieses bankrotte System verteidigen. Notwendig ist eine unabhängige revolutionäre Bewegung der Arbeiterklasse auf der Grundlage eines internationalen sozialistischen Programms.

Loading