US-Verteidigungsminister Lloyd Austin in Ramstein: Kein Rückzug im Krieg gegen Russland

Am Dienstag nahm US-Verteidigungsminister Lloyd Austin an einem Treffen der Ukraine Defense Contact Group auf dem US-Luftwaffenstützpunkt in Ramstein teil, der Hauptbasis der Nato-Mächte und ihrer Verbündeten im Krieg gegen Russland in der Ukraine. Seine zentrale Botschaft lautete: Die Nato muss ihren Stellvertreterkrieg gegen Russland um jeden Preis gewinnen. 

Der deutsche Verteidigungsminister Boris Pistorius, General Charles Q. Brown, US-Verteidigungsminister Lloyd Austin und der ukrainische Verteidigungsminister Rustem Umerow (v.l.n.r.) bei einem Treffen der „Ukraine Defense Contact Group“ auf dem US-Stützpunkt Ramstein am 19. März 2024 [AP Photo/Michael Probst]

Austin sprach erst auf einer kurzen Pressekonferenz, bevor die internen Beratungen begannen. Er vermittelte ein Bild von angeblich gewaltigen Erfolgen der USA, Russland militärisch zu schwächen – auf Kosten hunderttausender ukrainischer Menschenleben. Er behauptete, es seien mindestens 315.000 russische Soldaten getötet oder verwundet worden, die direkten Kosten des Kriegs für Russland beliefen sich auf 211 Milliarden Dollar, und es gebe negative Auswirkungen auf das zuvor erwartete Wirtschaftswachstum bis 2026 in Höhe von 1,3 Billionen Dollar.

Darauf folgten Warnungen vor einem Rückzug und den Folgen einer Niederlage: „Die Vereinigten Staaten werden nicht zulassen, dass die Ukraine scheitert. Diese Koalition wird die Ukraine nicht scheitern lassen. Und die freie Welt wird die Ukraine nicht scheitern lassen.“ Auf dem Spiel stehe „unsere gemeinsame Sicherheit, die europäische Sicherheit und die globale Sicherheit... Putin wird nicht bei der Ukraine Halt machen... Das Überleben der Ukraine steht auf dem Spiel, und unsere gesamte Sicherheit steht auf dem Spiel.“ 

Austin kam mit zwei Botschaften aus Washington: Amerika steht uneingeschränkt hinter dem Krieg, aber Europa müsse sich mehr engagieren. Grund ist die Krise des US-Imperialismus, die seine Kriegsziele gefährdet.

Da die Biden-Regierung in der Finanzierung des Ukrainekriegs gelähmt ist, müssen die europäischen Mächte in die Bresche springen, wenn eine katastrophale militärische Niederlage der Ukraine verhindert werden soll. 

Austin sollte in Ramstein die Befürchtungen der Europäer zerstreuen, Washington sei zurzeit aufgrund der Konflikte zwischen Demokraten und Republikanern in seiner Kriegspolitik geschwächt und könnte Schiffbruch erleiden, wenn Donald Trump im November zum Präsidenten gewählt würde.

Letzten Monat verabschiedete der US-Senat ein weiteres zusätzliches Militärhilfepaket in Höhe von 95 Milliarden US-Dollar, von denen 60 Milliarden für den Ukrainekrieg vorgesehen sind. Allerdings wurde es von den Republikanern im Kongress blockiert, die ihre Zustimmung davon abhängig machten, dass Biden die Angriffe auf Migranten an der mexikanischen Grenze umsetzt, die Trump fordert.

Diese Verzögerung hat die Rückschläge des ukrainischen Militärs beschleunigt und das Vertrauen der europäischen Mächte in den US-Imperialismus beschädigt. Die USA sind der größte Geldgeber und Waffenlieferant für den Krieg und haben seit dem russischen Einmarsch am 24. Februar 2022, der von der Nato provoziert wurde, mehr als 44 Milliarden Dollar an Militärhilfe für die Ukraine geleistet – etwa zwei Milliarden Dollar pro Monat. In Ramstein musste Austin allerdings zugeben, dass sie sich 300 Millionen Dollar an zusätzlicher Unterstützung für die Ukraine nur „leisten konnten, indem sie einige unerwartete Vertragseinsparungen machen konnten“.

Der nationale Sicherheitsberater der USA, Jake Sullivan, erklärte, damit würde die Ukraine vielleicht „für ein paar Wochen“ mit Munition versorgt werden. 

Der Rückzug aus der ostukrainischen Stadt Awdijiwka im letzten Monat nach einem viermonatigen Kampf hat die Besorgnis über eine mögliche ukrainische Niederlage verstärkt. CIA-Direktor William Burns erklärte gegenüber dem Kongress, einige ukrainische Einheiten hätten nach eigenen Angaben nur noch ein paar Dutzend Artilleriegeschosse. 

CNN berichtete am 11. März, Russland würde fast dreimal soviel Artilleriemunition produzieren wie die USA und Europa zusammen (drei Millionen gegenüber 1,2 Millionen). Laut dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj hat Europa nur ein Drittel der für dieses Jahr versprochenen Geschosse geliefert. Am Dienstag fragte CNN einen Vertreter der EU, „wie lange die Ukraine ohne zusätzliche Unterstützung der USA den Kampf gegen Russland aufrechterhalten könnte“. Die Antwort lautete: „Das ist eine Frage von Wochen und Monaten.“

CIA-Direktor Burns erschien letzte Woche gemeinsam mit der Direktorin der Nationalen Geheimdienste, Avril Haines, bei einem Treffen des Geheimdienstausschusses des Senats, über die der offizielle Propagandasender der US-Regierung Voice of America ausführlich berichtete. 

Haines betonte, das Militärhilfepaket in Höhe von 60 Milliarden Dollar sei „für die Verteidigung der Ukraine im Moment absolut entscheidend“, und die „Gebietsverluste der letzten Wochen haben die Erosion der militärischen Fähigkeiten der Ukraine offengelegt“.

Burns warnte: „Dies wird nicht nur für die Ukraine oder die europäische Sicherheit Konsequenzen haben, sondern auch für den indopazifischen Raum. Wenn man sieht, dass wir uns aus der Ukraine zurückziehen, wird das nicht nur Zweifel bei unseren Verbündeten und Partnern im Indopazifik schüren, sondern auch die Ambitionen der chinesischen Führung schüren, von Taiwan bis zum Südchinesischen Meer.“

Deshalb stand bei Austins Besuch in Ramstein die Forderung an die europäischen Mächte im Mittelpunkt, „mehr Geld für die lebenswichtige Sicherheitsunterstützung für die Ukraine aufzutreiben“. Er nannte als Beispiele Tschechien, das 800.000 Artilleriegeschosse geliefert hat, und die jüngsten Militärhilfepakete aus Deutschland, Frankreich, Dänemark und Schweden. Er berichtete außerdem, dass am gleichen Morgen das erste Treffen der Capability Coalition Leadership Group stattgefunden habe, die aus Frankreich, Deutschland, Großbritannien, Italien, Polen und verschiedenen kleineren Staaten besteht. Sie stellt eine Neuauflage der „Koalition der Willigen“ dar, die 2003 für den Irak-Krieg gebildet wurde. 

Austin erklärte: „Wir werden weiterhin mit allen Capability-Koalitionen zusammenarbeiten, um Lücken zu identifizieren, übergreifende Anforderungen zu erfüllen und der Ukraine zu helfen, ein starkes Militär für die Zukunft aufzubauen.“

Er hat sich zwar Mühe gegeben, die europäischen Mächte öffentlich für ihre Bestrebungen zu loben, allerdings hat er ihnen zweifellos in Privatgesprächen deutlich gemacht, dass noch viel mehr von ihnen erwartet wird. Die deutsche Denkfabrik Kiel Institute berichtete über die jüngsten Schätzungen des Ukraine Support Tracker, dass Europa sein derzeitiges Ausmaß und die Geschwindigkeit seiner Waffenlieferungen an die Ukraine verdoppeln müsse, um fehlende US-Mittel auszugleichen.

Die EU-Mitgliedsstaaten haben der Ukraine in den letzten zwei Jahren über 30 Milliarden Dollar an Militärhilfe bereitgestellt, wobei Deutschland mit 19 Milliarden das größte Geberland ist; Großbritannien steht mit zehn Milliarden an dritter Stelle. Nur Deutschland hat direkt auf Austins Forderungen reagiert: Verteidigungsminister Boris Pistorius kündigte ein Hilfspaket in Höhe von 500 Millionen Euro für die Ukraine an, das auch 10.000 Schuss Munition umfassen soll.

Er zeigte sich gegenüber den Medien zuversichtlich, dass die USA weiterhin ein zuverlässiger Partner seien, auch wenn es Eigenheiten in ihrem politischen System gebe, mit denen man zurechtkommen müsse.

Bei einer öffentlichen Pressekonferenz nach dem Gipfeltreffen brüstete sich Austin damit, dass die Mitgliedsstaaten der Ukraine-Kontaktgruppe in den letzten zwei Jahren Militärhilfe in Höhe von mehr als 88 Milliarden Dollar zugesagt haben und dass 15 Bündnispartner gemessen an ihrem Bruttoinlandsprodukt mehr Finanzmittel für die Ukraine zur Verfügung gestellt haben als die USA.

Selbst der kurze Einblick in das geheime Treffen hat gezeigt, dass die USA und die europäischen imperialistischen Mächte trotz ihrer taktischen Meinungsverschiedenheiten gleichermaßen entschlossen sind, Krieg gegen Russland zu führen, ohne Rücksicht auf die Konsequenzen.

Bundeskanzler Olaf Scholz hat sich öffentlich mit dem französischen Präsidenten Emmanuel Macron gestritten, der sich jetzt als größter Kriegstreiber gegen Russland inszeniert und auch Bodentruppen in die Ukraine entsenden will. Großbritannien hat Scholz öffentlich kritisiert, weil er zögert, der Ukraine Taurus-Raketen zu liefern, mit denen Moskau angegriffen werden kann. Scholz argumentiert, dass dafür deutsche Soldaten notwendig wären und ein offener Krieg zwischen Russland und der Nato drohen würde.

Doch das sind nur taktische Streitigkeiten darüber, wie schnell der Konflikt mit Russland eskaliert werden kann, auch wenn das einen offenen Krieg mit einer Atommacht provozieren würde. Was ein französischer Regierungsvertreter gegenüber der Washington Post groteskerweise als Versuch darstellte, „alle Spielräume auszunutzen“ und „Risikomanagement“ zu betreiben, birgt in Wirklichkeit eine existenzielle Gefahr für die ganze Welt. Der gleiche französische Regierungsvertreter erklärte wie seine amerikanischen Amtskollegen: „Diese Unterstützung darf nicht aufhören, weil wir alle wissen, dass wir nicht zulassen dürfen, dass Russland gewinnt.“

Eine Kriegseskalation kann nur gestoppt werden, wenn eine Massenbewegung gegen Krieg in der europäischen, amerikanischen und internationalen Arbeiterklasse aufgebaut wird.

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