Perspektive

Zwei Jahre Nato-Krieg gegen Russland in der Ukraine

Zerstörte Wohngebäude in Bachmut (Ukraine), dem Schauplatz schwerer Kämpfe zwischen ukrainischen und russischen Truppen, am 26. April 2023 [AP Photo/Libkos]

Vor zwei Jahren, am 24. Februar 2022, gelang es dem amerikanischen Imperialismus und seinen europäischen Verbündeten, Russland zum Einmarsch in die Ukraine zu provozieren. Washington, Berlin, London und Paris versuchen seit langem, einen totalen Krieg mit dem reaktionären nationalistischen Regime von Wladimir Putin anzuzetteln, um Russland in den Status einer Halbkolonie zu versetzen und die imperialistische Vorherrschaft über die eurasische Landmasse zu festigen.

Der Krieg ist der blutigste in Europa seit dem Massenschlachten des Zweiten Weltkriegs. Etwa eine halbe Million Ukrainer und Zehntausende Russen sind bereits massakriert worden und Millionen von Menschen waren gezwungen, aus ihrer Heimat zu fliehen. Der amerikanische und der deutsche Imperialismus eskalieren den Konflikt ohne Rücksicht auf die Folgen. Dazu gehört auch die unmittelbare Gefahr eines atomaren Schlagabtauschs zwischen den USA und Russland, der das Überleben der Menschheit in Frage stellen würde.

Nur wenige Stunden nach dem Einmarsch Russlands erschien auf der WSWS eine Erklärung des Internationalen Komitees der Vierten Internationale (IKVI) mit dem Titel „Gegen die Invasion der Putin-Regierung in der Ukraine und die Kriegstreiberei von USA und Nato! Für die Einheit der russischen und ukrainischen Arbeiter!“ Darin wies das IKVI die unaufhörliche Propaganda des politischen Establishments und der Medien entschieden zurück, die den Konflikt als „Putins unprovozierten Angriffskrieg“ darstellen. Diesem falschen Narrativ zufolge hat der russische Präsident den Krieg in der Ukraine als Teil eines großen Plans zur Eroberung Europas ausgeheckt. Nur militärische Gewalt könne ihn aufhalten.

In Wirklichkeit haben die USA seit den 1990er Jahren systematische Anstrengungen unternommen, um das Territorium der Nato nach Osten auszudehnen und Russland einzukreisen, und damit gegen die Versprechen verstoßen, die sie dem stalinistischen Regime bei der Auflösung der Sowjetunion gegeben hatten. Im Februar 2014 unterstützten Washington und Berlin dann den Maidan-Putsch, bei dem der gewählte prorussische Präsident Viktor Janukowitsch von einer rechtsextremen Bewegung, die von offen faschistischen Kräften angeführt wurde, gestürzt und ein prowestliches Marionettenregime in Kiew an die Macht gebracht wurde. Daraufhin annektierte Russland nach einem Referendum die Krim.

In einer Analyse der breiteren historischen Wurzeln des Konflikts schreibt das IKVI:

Die gegenwärtige Konfrontation mit Russland ist das Ergebnis einer geopolitischen Strategie, die von den Vereinigten Staaten seit der Auflösung der UdSSR vor 30 Jahren verfolgt wird. Ihr Ziel ist die globale Vorherrschaft der USA, die ihre militärische Macht nutzen, um ihren wirtschaftlichen Niedergang auszugleichen. Dies war der Grund für die zahlreichen und nicht enden wollenden Kriege, die von den USA angezettelt wurden – darunter die Invasion bzw. die Bombardierung des Irak, Somalias, Serbiens, Afghanistans, Libyens und Syriens. Natürlich wird diese Geschichte illegaler Kriege heute in den Medien nicht mehr erwähnt.

In den letzten zwei Jahren hat sich diese Analyse vollkommen bestätigt. Die Hauptursache für die Eskalation des Konflikts war der amerikanische Imperialismus, der von Deutschland, Großbritannien, Frankreich und Kanada stark unterstützt wurde. Die Imperialisten haben dutzende Milliarden Dollar und Euro an Hochleistungswaffen in die Ukraine gepumpt, um den Konflikt anzuheizen. Sie haben die Stationierung zehntausender zusätzlicher Nato-Truppen in Osteuropa organisiert und der Welt mit einem Atomkrieg gegen Russland gedroht. Im eigenen Land haben sie sämtliche Bereiche der Gesellschaft dem imperialistischen Krieg untergeordnet, indem sie die Militärausgaben massiv erhöht, Sozialprogramme gestrichen und sich offen autoritären Herrschaftsformen und rechtsextremen politischen Kräften zugewandt haben, um den Widerstand der Bevölkerung zu unterdrücken.

Während die imperialistischen Mächte immer wieder ihre Entschlossenheit verkünden, die „Demokratie“ zu verteidigen, haben sie eng mit den faschistischen Kräften in der Ukraine zusammengearbeitet – den politischen Nachfahren der Nazi-Kollaborateure aus dem Zweiten Weltkrieg, die am Vernichtungskrieg gegen die Sowjetunion und am Holocaust beteiligt waren. Das enge Bündnis zwischen den Nato-Mächten und dem faschistisch verseuchten militärischen und politischen Establishment der Ukraine wurde nicht zufällig geknüpft. Vielmehr bringt es zum Ausdruck, dass der gegenwärtige Konflikt, wie der Krieg der Nazis gegen die Sowjetunion vor acht Jahrzehnten, ein imperialistischer Krieg ist, dessen Ziele Plünderung, Märkte und geostrategische Hegemonie sind. Diese Tatsache wurde dadurch unterstrichen, dass der Waffen-SS-Veteranen und Nazi-Kriegsverbrecher Jaroslaw Hunka im September letzten Jahres von sämtlichen Abgeordneten des kanadischen Parlaments sowie den Botschaftern der anderen G-7-Staaten mit stehendem Applaus bedacht wurde.

Die imperialistischen Regierungen haben nicht das geringste Interesse an der „Demokratie“ in der Ukraine. In Wirklichkeit beabsichtigen sie, die Ukraine in ihren Einflussbereich zu bringen. Dies ist Teil ihrer Pläne, die Russische Föderation zu zerstückeln, sich ihrer natürlichen Ressourcen zu bemächtigen und so einen militärischen Konflikt mit China vorzubereiten. Um die Ziele dieser Strategie zu erreichen, sind sie bereit, bis zum letzten Ukrainer zu kämpfen. Hunderttausende von überwiegend jungen Ukrainern, die sie auf den Schlachtfeldern geopfert haben, machen dies deutlich.

Laut Schätzungen wurden seit Beginn des Krieges bis zu 500.000 ukrainische Soldaten getötet, davon weit über 100.000 in der katastrophalen, von den imperialistischen Mächten angezettelten „Offensive“ im letzten Jahr. Ihre Gleichgültigkeit gegenüber solch schrecklichen Verlusten an Menschenleben zeigt sich auch in der bedingungslosen Unterstützung der Imperialisten für den israelischen Völkermord im Gazastreifen, wo in etwas mehr als vier Monaten weit über 30.000 Palästinenser mit Waffen niedergemetzelt wurden, die die USA an die rechtsextreme Netanjahu-Regierung geliefert haben.

Die rücksichtslose Eskalation des Kriegs, den die imperialistischen Mächte in der Ukraine gegen Russland führen, und ihre hemmungslose Unterstützung für den völkermörderischen Angriff Israels auf die Palästinenser machen deutlich, was die „regelbasierte internationale Ordnung“, die von Biden, Scholz und anderen ständig als Alternative zu Putins „Brutalität“ angepriesen wird, wirklich bedeutet. Die Verteidigung der globalen Vormachtstellung des US-Imperialismus, der wirtschaftlich in den letzten Jahrzehnten immer mehr an Boden verloren hat, kann nur mit immer barbarischeren Methoden erfolgen, die die Schrecken der beiden imperialistischen Weltkriege des 20. Jahrhunderts in Erinnerung rufen.

Die aggressive Blutrünstigkeit der imperialistischen Staaten rechtfertigt die Politik des Putin-Regimes nicht und sie gibt ihr erst recht keinen fortschrittlichen Inhalt. Das IKVI betonte dazu vor zwei Jahren:

Die Katastrophe, die durch die Auflösung der Sowjetunion 1991 in Gang gesetzt wurde, kann nicht auf der Grundlage des russischen Nationalismus abgewendet werden – einer durch und durch reaktionären Ideologie, die den Interessen der von Wladimir Putin vertretenen herrschenden Kapitalistenklasse dient.

Putins Ziel beim Einmarsch in die Ukraine bestand und besteht darin, möglichst günstige Bedingungen für einen Deal mit dem Imperialismus zu schaffen. Er weigert sich, die Existenz objektiver Prozesse anzuerkennen, die die Imperialisten zur Unterwerfung Russlands treiben. Stattdessen glaubt Putin, wie sein erbärmlicher Auftritt im Interview mit dem rechtsextremen amerikanischen Talkshow-Moderator Tucker Carlson gezeigt hat, weiterhin daran, dass alles ein großes Missverständnis war, das durch ein Abkommen zwischen Washington und Moskau zum Aufbau einer „multipolaren“ Weltordnung zurechtgerückt werden könne.

Als Vertreter der korrupten kapitalistischen Oligarchie Russlands, die sich mit dem innenpolitischen Widerstand der Arbeiterklasse und dem wachsenden Druck der imperialistischen Mächte konfrontiert sieht, ist Putin unfähig anzuerkennen, dass der Krieg objektive Ursachen hat. Dazu müsste er nicht nur den Bankrott seines Regimes einräumen, sondern auch, dass die kapitalistische Restauration in der Sowjetunion für die russischen und ukrainischen Arbeiter katastrophale Folgen hatte. Ein solches Eingeständnis würde ein Schreckgespenst heraufbeschwören: den Ausbruch der gesellschaftlichen Opposition von unten, die eine weitaus größere Bedrohung für die russische Oligarchie darstellen würde als die Imperialisten.

Die unlösbaren Widersprüche des globalen Kapitalismus haben zu einer neuerlichen Aufteilung der Welt zwischen den Großmächten geführt. Der Krieg des US-Imperialismus gegen Russland ist nur eine von mehreren Fronten in einem sich rasch entwickelnden dritten Weltkrieg. Dieser Konflikt nimmt die Form eines konterrevolutionären Kampfs des Imperialismus an, womit dieser das Ziel verfolgt, seine Interessen auf Kosten seiner geopolitischen Rivalen und der Arbeiterklasse in jedem Land durchzusetzen. Weitere wichtige Ziele Washingtons sowie seiner europäischen Verbündeten sind der Iran im Nahen Osten und vor allem China im Indopazifik. Ein Krieg mit China, das eine direkte Bedrohung für die Hegemonie der USA darstellt, wird nicht mehr als möglich, sondern als unvermeidlich angesehen.

Zwei Jahre nach dem Ausbruch des US-NATO-Krieges gegen Russland ruft die World Socialist Web Site Arbeiter in aller Welt heute dazu auf, den Kampf für ein sofortiges Ende des Blutbads aufzunehmen. Weltweit müssen Arbeiter der wahnwitzigen Eskalation eines dritten Weltkriegs durch die Imperialisten das Programm der sozialistischen Weltrevolution entgegensetzen.

Die Internationale Redaktion der WSWS bemerkte in ihrer Neujahrserklärung:

Die Aussichten für die Menschheit wären düster, gäbe es nicht die historisch nachgewiesene Tatsache, dass die Widersprüche, die den Kapitalismus in den Untergang treiben, auch die Bedingungen für seinen Sturz und die Neuordnung der Gesellschaft auf einer neuen und fortschrittlichen, d. h. sozialistischen Grundlage in Gang bringen. Das Potenzial für diese Neuordnung ist im objektiven Sein der Arbeiterklasse verwurzelt. Der Klassenkampf ist das Mittel, mit dem die objektive Möglichkeit der sozialistischen Umgestaltung in der Praxis umgesetzt wird.

Nun, da sich der Ausbruch des Kriegs der USA und der Nato gegen Russland zum zweiten Mal jährt, besteht die dringende Aufgabe darin, den Arbeitern auf der ganzen Welt diesen objektiven Prozess bewusst zu machen, um diesen zur Grundlage für den Aufbau einer internationalen Antikriegsbewegung unter Führung der Arbeiterklasse zu machen. Diese Bewegung muss die Arbeiter in den imperialistischen Zentren mit jenen in den Ländern, die in den letzten 30 Jahren Ziele von US-Angriffskriegen waren, sowie den Arbeitern in Russland, der Ukraine und der gesamten ehemaligen Sowjetunion vereinen.

Ihr gemeinsames Ziel muss der Kampf für die Beseitigung des kapitalistischen Profitsystems sein. Dieses System ist die Ursache hinter den Bemühungen der USA und der Nato, Russland ihre Interessen aufzuzwingen. Teil dieses Kampfs muss der unerbittliche Widerstand gegen die oligarchischen Regime in Russland und der Ukraine sein. Die sozialistischen und internationalistischen Traditionen der von den Bolschewiki angeführten russischen Revolution von 1917 müssen dabei wieder belebt werden.

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