EU-Gipfel: Vorbereitung auf Handelskrieg und Krieg

„Der Ausbruch des amerikanischen Imperialismus ist Teil einer globalen imperialistischen Neuaufteilung der Welt, an der alle großen kapitalistischen Länder beteiligt sind“, schrieb die Redaktion der World Socialist Web Site in ihrer Neujahrsperspektive. „Die europäischen Mächte reagieren auf die Wahl Trumps und die Möglichkeit eines Politikwechsels in Bezug auf die Ukraine, indem sie die Notwendigkeit einer Außenpolitik betonen, die von den USA unabhängig ist und wenn nötig in Opposition dazu steht.“

Der Präsident des Europäischen Rates, Antonio Costa (links), begrüßt den deutschen Bundeskanzler Olaf Scholz bei seiner Ankunft zum EU-Gipfel im Egmont-Palast in Brüssel am 3. Februar 2025 [AP Photo/Nicolas Tucat]

Wie treffend diese Einschätzung war, zeigte der EU-Gipfel am Montag. Einen Tag nachdem Trump einen globalen Handelskrieg gegen Mexiko, Kanada und China entfacht hatte und auch der EU mit massiven Zöllen drohte, kamen die europäischen Regierungschefs in Brüssel zusammen und drohten ihrerseits mit Gegenmaßnahmen, sollte es zu keiner Einigung mit Trump kommen. Gleichzeitig verständigten sie sich über eine historische Aufrüstung des Kontinents und die Fortsetzung des Nato-Kriegs in der Ukraine gegen Russland.

„Als starker Wirtschaftsraum“ könne die EU „unsere Dinge selbst gestalten und auch auf Zollpolitiken mit Zollpolitiken reagieren. Das müssen und werden wir dann auch tun“, drohte der deutsche Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) in einem Statement in Brüssel. „Die Perspektive und das Ziel“ sollte dabei sein, „dass wir so vorgehen, dass es auf Kooperation hinausläuft“, erklärte Scholz weiter. „Aber klar“ sei, dass „die Voraussetzung für Verständigung ist, dass man um seine eigene Stärke weiß. Europa kann handeln.“

Andere Regierungschefs und EU-Vertreter äußerten sich ähnlich. Luxemburgs Premierminister Luc Frieden erklärte mit Blick auf Trumps drohende Handelszölle. „Wir sind nicht schwächer als die Vereinigten Staaten von Amerika. Wenn jemand einen Handelskrieg will, dann kriegt er ihn“. Aber Handelskonflikte seien „immer schlecht“ und gute transatlantische Beziehungen von Bedeutung, ergänzte Frieden.

Nach Beendigung des informellen Treffens warnte auch EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen Trump vor der Einführung von neuen Zöllen und drohte mit Gegenmaßnahmen. „Wenn wir gezielt unfair oder willkürlich behandelt werden, wird die Europäische Union entschieden reagieren“, verkündete sie. „Wir sind vorbereitet.“ Zugleich betonte auch sie, dass eine Eskalation möglichst durch Gespräche gestoppt werden solle. „Zölle erhöhen die Geschäftskosten, schaden Arbeitnehmern und Verbrauchern, schaffen unnötige wirtschaftliche Störungen und treiben die Inflation an“, warnte sie. Man sehe „darin nichts Gutes.“

Trump hatte kurz vor dem EU-Spitzentreffen verkündet, dass er Zölle auf Importe aus der EU verhängen werde. „Das wird definitiv für die Europäische Union passieren“, sagte er. Zur Höhe der Zölle und auf welche Produkte sie möglicherweise erhoben werden, machte der US-Präsident keine genauen Angaben. Aber es werde „ziemlich bald“ geschehen. Von EU-Diplomaten hieß es am Rande des Gipfels, die Europäische Kommission habe bereits mögliche Gegenmaßnahmen vorbereitet.

Bereits während Trumps erster Amtszeit hatte die EU auf US-Zölle für europäische Stahl- und Aluminiumprodukte unter anderem mit Gegenzöllen auf Bourbon-Whiskey, Harley-Davidson-Motorräder und US-amerikanische Jeans reagiert. Der sich nun verschärfende Konflikt geht weit darüber hinaus und droht die gesamte Welt in eine Spirale von Handelskrieg und Krieg zu stürzen. Die Erklärungen der EU-Offiziellen, die drohende Konfrontation mit Trump am liebsten „friedlich“ beilegen zu wollen, sind nichts als Augenwischerei. Der Konflikt, für den letztlich die Arbeiterklasse mit massiven Angriffen auf ihre Arbeitsplätze und Löhne zahlen wird, hat tiefe objektive Ursachen.

Trumps Zollkrieg und die entsprechenden europäischen Reaktionen darauf, wurzeln letztlich in den unlösbaren Widersprüchen des Kapitalismus, der nicht in der Lage ist, den Widerspruch zwischen dem internationalen Charakter der Produktion und dem Nationalstaat zu überwinden. Wie am Vorabend des Ersten und Zweiten Weltkrieg löst der Kampf der imperialistischen Mächte um Rohstoffe, Absatzmärkte, Einflusszonen und billige Arbeitskräfte wieder heftige Konflikte aus, die in Handelskrieg und Krieg münden.

Bezeichnenderweise stand der EU-Gipfel ganz im Zeichen von Aufrüstung und Krieg. „Dies ist das erste Mal, dass wir uns zu einem Treffen treffen, das ausschließlich der Verteidigung gewidmet ist. Aber wir fangen nicht bei Null an“, verkündete der europäische Ratspräsident António Costa in seinen Pressestatement zu Beginn des Treffens. Auch wenn es noch zu keinen konkreten Beschlüssen kam, gaben seine abschließenden Ausführungen einen Eindruck von den weitgehenden Vorhaben, die hinter dem Rücken der Bevölkerung ausgeheckt werden.

„Im Mittelpunkt“ der Gespräche hätten „drei Hauptthemen“ gestanden, erklärte Costa: „Fähigkeiten, Finanzierung und Partnerschaften“, um „unsere eigene Verteidigung… besser, stärker und schneller“ zu organisieren. U.a. sei es um die europäischen „Verteidigungsfähigkeiten“ gegangen, darunter „Raketen und Munition, militärische Mobilität und strategische Voraussetzungen.“ Im „Mittelpunkt“ dieser Bemühungen müsse dabei „die Stärkung der europäischen Verteidigungsindustrie“ stehen, d.h. die Errichtung einer europäischen Kriegswirtschaft. „Wir müssen mehr von den benötigten Fähigkeiten produzieren, und zwar schneller“.

Allen voran müssten die Verteidigungsausgaben massiv erhöht werden. Die Mitgliedstaaten hätten zwar „auf nationaler Ebene“ bereits „große Anstrengungen unternommen“ und die Verteidigungsausgaben innerhalb der EU seien „zwischen 2021 und 2024 bereits um 30 Prozent“ auf durchschnittlich etwa 2 Prozent des BIP gestiegen. Aber nun müsse „in die gleiche Richtung weitergearbeitet“ werden, verlangte Costa.

Die Summen, über die hinter den Kulissen diskutiert wird, sind gigantisch. Im Raum steht ein 500 Milliarden schwerer EU-Verteidigungsfond. Hinsichtlich der nationalen Wehretats wird mittlerweile eine Erhöhung auf 3 oder gar 5 Prozent des BIP gefordert. Nato-Generalsekretär Mark Rutte, erklärte auf einer gemeinsamen Pressekonferenz mit dem britischen Premier Keir Starmer, der ebenfalls am EU-Gipfel teilnahm:

Um Kriege zu verhindern, müssen wir mehr ausgeben… Ich begrüße die Pläne, die Investitionen in die Verteidigung weiter zu erhöhen, denn in einer gefährlicheren Welt werden 2 % nicht ausreichen, um unsere Sicherheit zu gewährleisten. Wir müssen erheblich mehr investieren. Wir müssen auch unsere Bestände auffüllen, und zwar schnell. Wir dürfen keine Zeit verlieren, um unsere Verteidigungsindustrie wiederzubeleben. Die Steigerung der Rüstungsproduktion ist ein absolutes Muss.

Tatsächlich geht es der EU, genauso wenig wie Washington und der Nato insgesamt, um die „Verhinderung von Kriegen“, sondern darum, diese zu führen und auszuweiten. Und nicht etwa für „Menschenrechte“ und „Demokratie“, sondern für wirtschaftliche und geopolitische Ziele. Es geht um nichts weniger als die imperialistische Neuaufteilung der Welt im 21. Jahrhundert, in die alle imperialistischen Mächte immer aggressiver eingreifen.

„Wenn man sich die Ukraine ansieht, dann ist das nicht nur ein Problem zwischen der Ukraine und Russland, was schon schlimm genug wäre“, führte Rutte aus.

Es ist eine geopolitische Angelegenheit, die sich da abspielt. Die USA sind sich dessen bewusst, die europäische Seite der Nato ist sich dessen bewusst. China, Nordkorea und der Iran stehen alle mit Russland in Verbindung. Es ist also eine geopolitische Angelegenheit, die sich im Moment mit der Ukraine abspielt. Und deshalb muss die Ukraine sich durchsetzen, nicht nur um der Ukraine selbst willen, sondern auch wegen der geopolitischen Auswirkungen.

Auch wenn die europäische Aufrüstung und Kriegsoffensive gegen Russland und China (zumindest momentan) noch eng mit der US-geführten Nato koordiniert wird, sind auch die militärischen Spannungen zwischen den imperialistischen Mächten bereits enorm. Hinsichtlich von Trumps erklärtem Anspruch auf das zu Dänemark gehörige Grönland, fragte ein Journalist auf der Pressekonferenz mit Rutte: „Ein NATO-Bündnispartner droht damit, einem anderen NATO-Bündnispartner Gebiete zu entreißen. Das ist viel schlimmer als je zuvor. Ist es nicht an der Zeit, dass Europa realistisch wird und mit der Planung einer Verteidigungsstrategie für die Zukunft beginnt, die möglicherweise ohne die Vereinigten Staaten auskommen muss?“

Rutte versuchte den Konflikt herunterzuspielen und erklärte lediglich, er halte es für „sehr nützlich, dass Präsident Trump uns darauf aufmerksam gemacht hat, dass es im hohen Norden um eine geopolitische und strategische Frage geht.“ Tatsächlich wird innerhalb der EU bereits offen darüber diskutiert, europäische Truppen in Grönland zu stationieren, um den eigenen Anspruch auf die rohstoffreiche und geostrategisch wichtige Arktis zu unterstreichen.

„Die Insel ist unter geopolitischen Gesichtspunkten von großer Bedeutung und hat auch aus sicherheitspolitischer Sicht eine große Relevanz“, erklärte jüngst der Vorsitzende des Militärausschusses der Europäischen Union, General Robert Brieger in einem Interview mit der Welt. „Aus meiner Sicht wäre es durchaus sinnvoll, in Grönland, nicht nur wie bisher US-Streitkräfte zu stationieren, sondern künftig auch eine Stationierung von EU-Soldaten in Erwägung zu ziehen.“

Auch führende deutsche und französische Politiker haben bereits Unterstützung für derartige Pläne signalisiert. Es gebe eine „eine sehr starke Solidarität der europäischen Länder, und sie sind bereit, [über eine Truppenentsendung] nachzudenken, wenn es dazu käme“, erklärte vor wenigen Tagen der französische Verteidigungsminister Jean-Noël Barrot.

Sofern die deutsche „Bundeswehr über entsprechendes fachliches Potenzial“ verfüge, solle „sie sich daran beteiligen, denn es liegt auch in unserem Interesse, dass diese Passage gesichert ist“, erklärte ihrerseits die Vorsitzende des EU-Verteidigungsausschusses Marie-Agnes Strack-Zimmermann (FDP). Dabei gehe es schon allein darum, „den USA zu signalisieren, dass sie dort kein alleiniges Hoheitsrecht haben, sondern dass es unser aller Verantwortung bedarf“. Unterstützung kommt auch aus den Reihen der Grünen. „Gerade zum Monitoring russischer Atom-U-Boote“ habe Grönland „eine zentrale geografische Lage“, erklärte der Grünen-Verteidigungspolitiker Philip Krämer gegenüber dem Spiegel. Und hier seien „die Marineflieger der Bundeswehr ausgewiesene Experten“.

Es ist klar, dass die europäische Kriegs- und Aufrüstungsoffensive auch die Spannungen zwischen den europäischen Mächten selbst verschärft. V.a. der deutsche Imperialismus schickt sich nach zwei gescheiterten Versuchen und unsäglichen Verbrechen im 20. Jahrhundert erneut an, Europa unter seiner Führung zu organisieren, um eine Weltmachtrolle zu spielen. „Auch für Deutschland selbst gilt: Europa ist das wichtigste nationale Interesse, das wir haben“, erklärte Scholz in Brüssel, und bekräftigte ebenfalls die Forderung nach höheren Militärausgaben und die Errichtung einer veritablen Kriegswirtschaft: „Wir brauchen eine konstante, große, gemeinsame Produktion, damit sichergestellt ist, dass wir die Produktion hochfahren können, wenn es darauf ankommt“.

Gleichzeitig erteilt er Plänen für gemeinsame europäische Schulden zur Finanzierung der Aufrüstung eine klare Absage und pries die jüngste Verschärfung der europäischen Asylpolitik, die die „Registrierung“ von Flüchtlingen, „besser geschützte“ Außengrenzen und mehr Deportationen ermögliche, als „gelungen“ und „auch sehr im deutschen Interesse“.

Das ist in doppelter Hinsicht eine Warnung. Wenn Scholz betont, dass die Aufrüstung ohne Schulden finanziert werden müsse, sagt er nichts anderes, als dass von den noch verbliebenen Sozialausgaben in Europa am Ende nichts mehr übrig sein wird. Und die ständige Hetze gegen Flüchtlinge, die im Zentrum des deutschen Wahlkampfs steht, zielt darauf ab, die Arbeiterklasse zu spalten, einen Polizeistaat im Inneren zu errichten und faschistische Kräfte zu stärken, die gebraucht werden, um die geplante Kriegsoffensive und die damit einhergehende soziale Konterrevolution gegen die wachsende Opposition in der Bevölkerung durchzusetzen.

Bezeichnenderweise griff Scholz den CDU-Kanzlerkandidaten Friedrich Merz, der offen mit der faschistischen AfD paktiert, in Brüssel von rechts an und warf ihm vor, „wichtige Gesetze zur Begrenzung der irregulären Migration im Rahmen der europäischen Regelungen“ und zur inneren Sicherheit zu blockieren. „Damit muss Schluss sein. Noch vor der Bundestagswahl müssen diese Gesetze zur Begrenzung der irregulären Migration und zur Verbesserung der inneren Sicherheit beschlossen werden,“ verlangte er.

Die Sozialistische Gleichheitspartei verurteilt die Faschisierung der deutschen und europäischen Politik genauso wie den Kriegswahnsinn, der die Gefahr eines dritten Weltkriegs heraufbeschwört. Die SGP „tritt zu den Bundestagswahlen an, um der Allparteienkoalition für Krieg und Sozialkürzungen entgegenzutreten. Zusammen mit unseren Schwesterparteien der Vierten Internationale auf der ganzen Welt bauen wir eine internationale Bewegung auf, um den Kriegswahnsinn, die Massenentlassungen und die Lohnkürzungen zu stoppen“, heißt es in ihrem Wahlaufruf. Und weiter:

Der Europäischen Union der Banken und Konzerne, des Massensterbens und des Kriegs setzen wir die Perspektive der Vereinigten Sozialistischen Staaten von Europa entgegen – die Einheit der europäischen Arbeiterklasse, um die Macht der Banken und Konzerne zu brechen. Russische und ukrainische Arbeiter rufen wir auf, anstatt aufeinander zu schießen, gemeinsam gegen die Kriegstreiber im eigenen Land zu kämpfen.

• Gegen die EU der Banken und Konzerne, des Massensterbens und des Kriegs! Für die Vereinigten Sozialistischen Staaten von Europa!

• Verteidigt die demokratischen Grundrechte!

• Gleiche Rechte für Migranten und Flüchtlinge!

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