Am 7. Dezember sind acht Monate vergangen seit dem Tod des 63-jährigen Maschinenmechanikers Ronald Adams Sr. im Stellantis Dundee Engine Complex in Michigan. Adams wurde zerdrückt bei Wartungsarbeiten an einem Kran, der plötzlich ansprang. Über seinen Tod wird nach wie vor geschwiegen.
Die zuständige Arbeitsschutzbehörde, die Michigan Occupational Safety and Health Administration (MIOSHA), hat die Ergebnisse im Rahmen der Untersuchung des tödlichen Unfalls vom 7. April noch immer nicht veröffentlicht. Der Sprecher der MIOSHA Mike Krafcik teilte der WSWS am Montag per E-Mail mit, dass „die Untersuchung noch nicht abgeschlossen“ ist. Er lieferte keine Erklärung für die lange Verzögerung und erklärte lediglich, dass „Untersuchungen von Unfällen mit Todesfolge angesichts ihrer Komplexität viel Zeit in Anspruch nehmen können, aufgrund der Verfügbarkeit von Zeugenbefragungen, technischer und ingenieurtechnischer Überprüfungen, der Prüfung von Unterlagen und der erforderlichen rechtlichen Verfahren“.
Die Automobilarbeitergewerkschaft United Auto Workers ist weit davon entfernt, das Unternehmen zur Verantwortung zu ziehen und beteiligt sich die an der Unterdrückung der Fakten. Der UAW-Vorsitzende Shawn Fain und der Leiter der UAW-Stellantis-Abteilung Kevin Gotinsky unterstützten das Management bei der Wiederherstellung der vollen Produktionskapazität im Werk. Stellantis produziert Motoren für neue Stellantis-Modelle als ob nichts passiert wäre.
Diese kalte bürokratische Choreographie - die Vertuschung durch das Management, die Beschönigung durch die Gewerkschaft und die Verzögerungen durch die staatlichen Behörden – entspringt der Logik eines Systems, in dem das Leben der Arbeiter als entbehrlich gilt.
„Die Feiertage sind für unsere Familie besonders schwierig“, sagte Ronalds Witwe Shamenia Stewart-Adams gegenüber der WSWS. „Wir vermissen ihn auf eine Weise, für die ich keine Worte habe. Wir hatten keine Zeit, uns an den Gedanken zu gewöhnen. Es gab keine Krankheit. Eines Tages war er einfach weg.“
Sie sprach das Schweigen der Sicherheitsbeauftragten des Unternehmens, der UAW und des Bundesstaates an und sagte: „Wir haben von der Arbeitsschutzbehörde keine Antworten und nicht die Untersuchung, die wir brauchen. Unsere Familie will Antworten. Wir wollen Antworten, die wir nicht bekommen haben, und das ist wirklich sehr beunruhigend.“
Am 27. Juli hielt die International Workers Alliance of Rank-and-File Committees (IWA-RFC) eine öffentliche Anhörung in Detroit ab, bei der sie die ersten Ergebnisse ihrer unabhängigen Untersuchung des Todes von Ronald Adams Sr. vorstellte, Adams' Witwe hielt einen leidenschaftlichen Appell an seine Kollegen, sich zu melden und Informationen zu liefern, um die Wahrheit ans Licht zu bringen und alle Verantwortlichen zur Rechenschaft zu ziehen.
Jetzt unterstützt Shamenia die Familien und Kollegen von zwei Mitarbeitern des United States Postal Service (USPS), die im vergangenen Monat innerhalb einer Woche bei der Arbeit ihr Leben verloren haben. Am 8. November wurde der 36-jährige Wartungsmechaniker Nick Acker im Detroit Network Distribution Center in Allen Park, Michigan, von einer Postsortiermaschine erdrückt. Eine Woche später, am 15. November, stürzte der stellvertretende Postzusteller Russell Scruggs, Jr. (44), in einem Postbearbeitungszentrum in Palmetto, Georgia, und zog sich dabei eine schwere, letztlich tödliche Kopfverletzung zu.
Shamenia sagte:
Findet die Kraft und kämpft weiter dafür, dass die Arbeiter nicht nur wie eine Nummer behandelt werden, sondern wie ein menschliches Wesen, das den Lebensunterhalt für seine Familie verdienen möchte. Es sind nicht nur Zahlen, die geopfert werden, sondern es sind unsere Lieben, unsere Ehemänner, Väter, Brüder, Onkel und Großväter. Sie verdienen Respekt.
Viele dieser Unternehmen sind der Meinung, dass ihre Arbeiter nur Nummern sind, die keinen Wert haben. An diesem Punkt sind wir heute angelangt. Mein Mann ging zur Arbeit. Er hat seine Arbeit getan. Er hat es gut gemacht. Er hat in diesem Job mehrfach Leben gerettet, und ich habe das Gefühl, dass sein Leben entwertet wurde, und das tut weh. Kurz gesagt, unsere Familie will einfach nur Antworten.
Im Anschluss an die Untersuchung zum Tod von Ronald Adams hat das Postal Workers Rank‑und‑File Committee (PWRFC) einen offenen Brief veröffentlicht. Er fordert die Postbeschäftigten auf, eine unabhängige Untersuchung zum Tod der beiden Kollegen zu initiieren.
Postmitarbeiter berichten, dass Beschwerden über Sicherheitsverstöße - auch über genau die Postsortiermaschine, die Acker getötet hat - bei der American Postal Workers Union (APWU) eingereicht und ignoriert wurden. Sie sagen auch, dass Sicherheitsvorrichtungen deaktiviert worden waren, dass das zu wenig Wartungspersonal vorhanden war und dass das Management die Maschinen im Leerlauf ließ, anstatt sie für ordnungsgemäße Reparaturen abzuschalten. Was Russell Scruggs Jr. betrifft, so sagten die Arbeiter, dass es zu erheblichen Verzögerungen bei der potenziell lebensrettenden medizinischen Behandlung kam, weil es keinen Handyempfang und keinen Notfallplan gab.
Diese Gleichgültigkeit des Unternehmens und die Absprache mit den Gewerkschaften haben zu tödlichen Bedingungen im Stellantis Toledo Assembly Complex nördlich des Motorenwerks in Dundee geführt. Die Zahl der Verletzungen ist aufgrund der verlängerten Arbeitszeiten angestiegen. Diese wiederum wurden mit Zustimmung des UAW-Apparats eingeführt.
Unter Berufung auf Produktionsausfälle aufgrund von Unterbrechungen in der Lieferkette hat die Unternehmensleitung das Werk monatelang auf „Notbetrieb“ gesetzt. Die Beschäftigten arbeiten in Schichten von 9 bis 12 Stunden an 6 bis 7 Tagen in der Woche, und viele haben mehr als drei Wochen lang keinen freien Tag. Laut einem internen Sicherheitsvermerk, der im Werk ausgehängt wurde, entfielen 30 Prozent der Verletzungen in allen 75 Stellantis-Fabriken und -Vertriebszentren in Nordamerika seit dem 1. September auf das Werk.
Acht Monate vor Adams' Tod wurde Antonio Gaston, ein 53-jähriger Vater von vier Kindern, in der Fabrik in Toledo zu Tode gequetscht. Anwälte, die im Namen von Gastons Familie eine Klage wegen Tötung einreichten, sagen, dass Gaston, obwohl er ein Materialbearbeiter war, wegen Arbeitskräftemangels aufgrund einer früheren Massenentlassung an der Montagestraße eingesetzt wurde. Außerdem sollen an der Maschine, die ihn tötete, Sicherheitsvorrichtungen entfernt worden sein, um Verzögerungen in der Produktion zu vermeiden. Die Arbeitsschutzbehörde rügte das Unternehmen wegen fehlender Sicherheitsvorkehrungen, verhängte aber nur eine Geldstrafe von 16.000 Dollar für den Sicherheitsverstoß, der zum Tod von Gaston führte. Stellantis hat gegen das Strafgeld Widerspruch eingelegt.
Obwohl die internen Aufzeichnungen von Stellantis einen Anstieg der Verletzungen zeigen, berichtete die Tageszeitung Toledo Blade, dass „die Occupational Health & Safety Administration seit dem 21. August 2024, als Antonio Gaston bei der Arbeit in der Gladiator-Montage getötet wurde, keine Unfälle im Jeep-Werk verzeichnet hat. Und das, obwohl die OSHA von den Arbeitgebern verlangt, arbeitsbedingte Todesfälle innerhalb von acht Stunden zu melden und Unfälle, die zu stationären Krankenhausaufenthalten, Amputationen oder dem Verlust eines Auges führen, innerhalb von 24 Stunden“, wie die Zeitung schreibt.
Um die Meldung von Verletzungen mit Ausfallzeiten und die Zahlung von Entschädigungszahlungen zu vermeiden, zwingen die Arbeitgeber verletzte Arbeiter routinemäßig wieder zur Arbeit, wenn sie mit niederen Arbeiten betraut werden. Ein ehemaliger Mitarbeiter von Dundee beschrieb diese unmenschliche Praxis während seiner Zeugenaussage bei der IWA-RFC-Anhörung am 27. Juli.
Weitere Beweise während der Anhörung zeigten, wie die Unternehmensleitung routinemäßig Abstriche bei der Sicherheit machte, um die Umrüstung der Anlage abzuschließen, deren Wiedereröffnung sich um mehr als ein Jahr verzögert hatte. Dazu gehörte auch der Druck, Reparaturen zu überstürzen und Sperr- bzw. Kennzeichnungsverfahren zu umgehen - grundlegende Sicherheitsvorkehrungen, die verhindern, dass Maschinen unter Strom stehen, wenn sie repariert oder gewartet werden.
Nach dem Tod von Adams berichteten Beschäftigte, dass eine Versammlung im Auditorium angesetzt worden war und ihnen befohlen wurde, nicht öffentlich zu sprechen. Es wurden E-Mails verschickt, in denen die Beschäftigten aufgefordert wurden, „cheating keys“ zurückzugeben, die zur Umgehung von Verriegelungs-/Tagout-Systemen verwendet wurden. Denjenigen, die versuchten, mit der Familie von Adams zu sprechen oder die Zustände aufzudecken, wurde mit Entlassung gedroht. Ein ehemaliger Beschäftigter sagt, dass er verbal bedroht wurde, nachdem er sich zu Wort gemeldet hatte. Die Behörden haben indes keine gründliche Untersuchung durchgeführt. So wurde etwa der Dienstleister, der die Cinetic-Waschanlage und das Überkopfportal, das Adams tötete, programmiert hatte, von der OSHA, dem Unternehmen und der UAW nie befragt.
In seinem Bericht zur öffentlichen Anhörung bezeichnete Will Lehman, ein führender Vertreter der IWA-RFC, Adams als einen „Märtyrer im Krieg gegen die Arbeiterklasse“. Lehman erklärte, dass in den USA jeden Tag mindestens 15 Arbeiter bei der Arbeit getötet werden, d.h. etwa 450 Arbeiter pro Monat oder über 5.200 pro Jahr. Weltweit verloren fast 3 Millionen Arbeiter ihr Leben durch Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten, das sind durchschnittlich 8.000 Todesfälle pro Tag.
Lehman betrachtete auch den breiteren politischen Kontext hin. Die Trump-Regierung versucht alles, was von der OSHA übrig geblieben ist, zu entkernen und jegliche Beschränkung der Ausbeutung der Arbeiterklasse aufzuheben. So will sich die Oligarchie der Megamilliardäre weiter bereichern.
Die Arbeiter können sich nicht an die Demokratische Partei oder die Gewerkschaftsapparate wenden, um ihr Leben zu verteidigen, sagte Lehman, sondern müssen in jedem Betrieb Sicherheitskomitees gründen, „um für das Prinzip zu kämpfen, dass keine Arbeit getan wird, solange sie nicht sicher ist. Wir Arbeiter müssen in Absprache mit vertrauenswürdigen Sicherheitsexperten unserer Wahl die volle Befugnis haben, Sicherheitsstandards festzulegen und unsichere Operationen durch kollektive Maßnahmen zu beenden.“
Lehman sagte:
Unser Ziel ist es, die Kontrolle über die Sicherheit am Arbeitsplatz in die Hände der Arbeiterklasse selbst zu legen. Dies soll im Rahmen des allgemeinen Kampfes für die Kontrolle der Arbeiter über die Produktion geschehen. Solange die Produktion vom Profitstreben angetrieben und von den Konzernbesitzern kontrolliert wird, gilt das Leben von Arbeitern als verzichtbar.
Ronald Adams’ tragischer Tod darf nicht umsonst gewesen sein. Er symbolisiert eine globale Krise und steht für alle Arbeiter, die getötet oder verletzt wurden und unter dem Kapitalismus ausgebeutet oder misshandelt werden.
In dieser Anhörung werden wir unsere bisherigen Erkenntnisse zusammenfassen, aber dies ist nur der Anfang einer Bewegung, einer internationalen Bewegung, die darauf abzielt, das Massaker an den Industriearbeitsplätzen ein für alle Mal zu beenden. Wir rufen alle Anwesenden dazu auf, sich diesem Kampf anzuschließen.
