Freiburger Schüler wegen Kritik an Bundeswehr verurteilt: Eine Warnung an die Jugend

Bundeswehr-Plakat: „Was zählt, wenn wir wieder Stärke zeigen müssen?“ Berlin, Mai 2023

Während sich die Bundeswehr mit der Wiedereinführung der Wehrpflicht auf einen umfassenden Krieg gegen Russland vorbereitet und sich bemüht, die gesamte Gesellschaft zu militarisieren, geht sie mit brutaler Härte gegen jeden vor, der sich dieser rechten Politik entgegenstellt. So wurde Mitte Dezember der 19-jährige ehemalige Freiburger Schüler Bentik wegen angeblicher Beleidigung eines Offiziers zu 15 Sozialstunden verurteilt.

Im Februar 2025 hatte der Jugendoffizier im Angell-Gymnasium in Freiburg einen Vortrag im Rahmen eines „Demokratie-Projekttages“ gehalten. Das Motto lautete: „Demokratie verteidigen – aber wie?“, wobei es um sogenannte „ausländische Bedrohungen“ ging.

Eine Woche später postete Bentik auf seinem Instagram-Konto zwei bearbeitete Bilder des Offiziers, die später von einer Schülerzeitung verbreitet wurden. Im ersten „Meme“ steht der Jugendoffizier vor einer Tafel mit dem Schriftzug: „Jugendliche an der Ostfront verheizen – aber wie?“ Darunter: „Also Kinder, wer von euch würde gerne an der Ostfront sterben?“ Im zweiten Meme ist zu sehen, wie der Jugendoffizier einen Anruf von einem sogenannten „SS-Siggi“ erhält.

Gegen Bentik wurde sehr aufwendig ermittelt. Aus den Akten geht hervor, dass die Polizei Daten beim US-Konzern Meta abgefragt hat, um den Nutzer des Instagram-Accounts ausfindig zu machen. Außerdem hat sich die Abteilung der Bundeswehr für militärische Sicherheit und Schutz mit dem Fall befasst. Normalerweise ist diese Abteilung verantwortlich für die Verteidigung und Sicherheit der Streitkräfte. Sie schützt vor verschiedenen Bedrohungen, Spionage, Sabotage und sichert militärische Anlagen und das Personal.

Die Schulleitung hat dem Schüler mit disziplinarischen Maßnahmen gedroht, einschließlich eines Schulverweises.

Das polizeistaatliche Vorgehen gegen einen 19-jährigen Schüler, dessen einziges „Verbrechen“ darin besteht, seine Meinung satirisch zu äußern, zeigt, wie nervös die herrschende Klasse auf die wachsende Bewegung gegen die Wehrpflicht und die Militarisierung der Bildung reagiert.

Bereits im Herbst 2024 hatte es einen Besuch der Bundeswehr gegeben, der für die Schüler eine Pflichtveranstaltung war. Bentik unterbrach damals den Vortrag mit einer antimilitaristischen Rede.

Danach wurde eine politische Schülerzeitung verdeckt verteilt, da vorherige politische Diskurse verboten wurden. Schon damals wurde Bentik mit einem Schulverweis gedroht, sollte die Zeitung weiter verteilt werden.

Kurz vor dem Vortrag 2025 wurde Bentik aus dem Unterricht genommen und gewarnt, dass er den Vortrag nicht stören solle – andernfalls hätte dies Konsequenzen.

Jugendliche und junge Volljährige können sich der militärischen Propaganda in den Schulen nicht entziehen. Sie dürfen keine Kritik äußern, ohne dem Risiko von Noten-, Ordnungs- oder sogar Strafmaßnahmen ausgesetzt zu sein, bis hin zur Konfrontation mit der Staatsanwaltschaft.

Das Gericht argumentierte, die bearbeiteten Bilder würden den Offizier persönlich in die Nähe der SS rücken. Außerdem würde dem Soldaten selbst eine „menschenverachtende Gesinnung“ unterstellt. Dies sei nicht mehr von der Meinungsfreiheit gedeckt. Die Verteidigung hielt dem entgegen, der Offizier trete öffentlich in Uniform auf und repräsentiere die Bundeswehr. Bei den bearbeiteten Bildern handele es sich um von der Meinungsfreiheit gedeckte Satire.

Bentik selbst weist die Begründung des Gerichts zurück. „Ich fand das Urteil teilweise inhaltlich falsch“, so der ehemalige Schüler gegenüber dem SWR. Ziel sei nicht gewesen, den Offizier persönlich, sondern die Bundeswehr als Institution zu kritisieren. So wies der 19-Jährige auf die zahlreichen Neonazi-Netzwerke innerhalb und im Umfeld der Bundeswehr hin.

Laut Medienberichten und Angaben der Bundeswehr halten Jugendoffiziere seit einigen Jahren mehrere tausend Vorträge an Schulen sowie an Hochschulen. 2022 wurden über 4.000 Vorträge gehalten, 2023 rund 3.600 allein an Schulen. Auch auf Berufsmessen finden sich vermehrt Stände der Bundeswehr.

Diese Propaganda- und Werbekampagne hat zum Ziel, den Umfang der Armee in den nächsten Jahren auf 480.000 Soldaten und Reservisten aufzustocken.

Dass die Bundeswehr juristisch gegen die satirische Kritik eines Schülers vorgeht verdeutlicht, mit welcher Härte sie auf den wachsenden Widerstand der Jugend gegen Militarismus und Wehrpflicht reagiert.

Umfragen zeigen, dass die große Mehrheit der 18- bis 26-Jährigen die Wehrpflicht ablehnt. Die Bundeswehr versucht, sie ihnen „schmackhafter“ zu machen, indem sie Jugendoffiziere als Identifikationsfigur einsetzt. Sie werden als neutrale Experten dargestellt, die die Sicherheit im Land und die Demokratie verteidigen wollen. Ihre Auftritte an Schulen sind jedoch Teil der systematischen Rekrutierungsstrategie. Eine derartige Manipulation hat bereits in der Vergangenheit dazu geführt, dass die Jugend als „Kanonenfutter“ starb.

Man fühlt sich an die berühmte Szene im Film „Im Westen nichts Neues“ von 1930 erinnert, in der der Lehrer die Klasse in einer patriotischen Rede aufruft, ihre „persönlichen Wünsche auf dem Altar des Vaterlands“ zu opfern und sich für die Front zu melden. Er lockt sie mit der Verheißung des Heldentums und verunglimpft Kriegsgegner als Angsthasen. Fast die gesamte Klasse lässt ihr Leben für die deutschen Großmachtinteressen.

Doch heute sind die Schrecken zweier Weltkriege tief im Bewusstsein verankert und die Ablehnung der Kriegspolitik weit verbreitet. Jugendliche gefährden mit ihrer Ablehnung und ihrem Protest das Vorhaben der Bundeswehr, sie erneut für die räuberischen Interessen des deutschen Imperialismus zu opfern. Um die Jugendlichen einzuschüchtern und gehorsam zu machen, reagiert der Staat mit Repression.

Schon im Oktober 2024 wurde ein 16-jähriger Schüler in Leipzig von der Schulleitung mit einem Schulverweis bedroht, nachdem er auf dem Schulhof einen „Die-In“-Protest veranstaltet hatte. Während des Protests sprach er gegen die Rekrutierung an Schulen durch die Bundeswehr und die dahinterstehenden Interessen.

Parallel dazu gibt es seit dem Genozid in Gaza vermehrte Pro-Palästina-Proteste von Schülern, auch durch das Tragen von Flaggen, Ketten oder Tüchern. Diese sind von der Schulleitung in vielen Fällen untersagt und unterdrückt worden – ganz im Sinne der Regierung, die Anti-Genozid-Aktivisten als Antisemiten denunziert. Gleichzeitig ist die symbolische Unterstützung der Kriegspolitik – etwa durch das Zeigen der Ukraine- oder Israel-Flagge – offiziell erwünscht.

An Orten der Bildung – wo junge Menschen eigentlich lernen sollen, Machtverhältnisse zu hinterfragen und historische Lehren aus der Geschichte zu ziehen – wird die Bundeswehr eingeladen und kritische Diskussionen werden unterdrückt.

Statt die Auseinandersetzung über Krieg und politische Geschichte zu fördern, werden die Schüler eingeschüchtert und Kritik bestraft und verboten. Der Geist des deutschen Militarismus soll einmal mehr Einzug in die Köpfe einer neuen Generation halten.

Während die herrschende Klasse aufrüstet wie seit Hitler nicht mehr und systematisch versucht, die ganze Gesellschaft der Aufrüstungs- und Kriegspolitik unterzuordnen, werden die Schulen, Hochschulen und Universitäten kaputtgespart. Allein die Berliner Hochschulen müssen im laufenden Jahr 145 Millionen einsparen. Damit müssen etwa 25.000 Studienplätze (10 Prozent) gestrichen werden, Professuren, die auslaufen, werden nicht mehr verlängert, und soziale Angebote für Studenten werden gestrichen.

Die materielle und personelle Krise der Bildungsinstitutionen nutzt die Bundeswehr gezielt aus, um besser an die Schüler heranzukommen. Die Bundeswehr finanziert Projekte, Praktika oder bezahlte Busfahrten zu Exkursionen – das sind Kooperationsabkommen, die es der Bundeswehr ermöglichen, in der politischen Bildung Fuß zu fassen. Auch die Besoldung soll Arbeiterkinder zur Bundeswehr locken, die in der zivilen Arbeitswelt dank jahrelanger Reallohnsenkungen zunehmend in die Armut getrieben werden.

Die Verurteilung Bentiks ist in diesem Kontext auch eine Botschaft an alle Jugendlichen. Wer sich öffentlich gegen Bundeswehrbesuche, Aufrüstung und mögliche Zwangsrekrutierung stellt, muss mit persönlichen Konsequenzen rechnen. Das Ausmaß der Bereitschaft von Schule, Polizei und Bundeswehr, auf die persönlichen Daten einer Person zuzugreifen, ist eine zusätzliche Warnung.

Doch davon dürfen wir uns nicht einschüchtern lassen. Ganz im Gegenteil beweisen uns Offiziere, Richter und Politiker mit ihrem Vorgehen nur, wir groß ihre Angst vor unserem Widerstand ist. Doch dieser kann nur erfolgreich sein, wenn er international ist und sich auf die Arbeiterklasse stützt. Die IYSSE schreiben in ihrem kürzlich veröffentlichten Statement „Wie weiter im Schulstreik gegen die Wehrpflicht?“:

Die Bewegung gegen die Wehrpflicht darf sich deshalb nicht auf die kapitalistischen Parteien und Gewerkschaften orientieren, sondern muss für die unabhängige Mobilisierung der Arbeiterklasse kämpfen. Die Streiks und Proteste von Schülern sind sehr wichtig, doch dort dürfen wir nicht stehen bleiben. Die Schulstreikbewegung muss ein Auftakt sein, um eine Streikbewegung in der gesamten Arbeiterklasse zu entfachen, die sich gegen Krieg und Kapitalismus richtet. Eine solche Bewegung muss auf folgenden Prinzipien beruhen:

-Sie muss international sein und dem wachsenden Nationalismus die internationale Einheit der Arbeiter entgegenstellen.

-Sie muss unabhängig von allen kapitalistischen Parteien und Gewerkschaften sein und sich auf die enorme Kraft der Arbeiterklasse stützen.

-Sie muss sozialistisch sein und sich gegen die Wurzel des Kriegs richten: den Kapitalismus.

Wir rufen alle Jugendlichen und Arbeiter auf, die gegen die Wehrpflicht und die Kriegsvorbereitungen aktiv werden wollen, am Donnerstag, den 8. Januar um 18:30 Uhr mit uns online über diese Perspektive zu diskutieren. Registriert euch jetzt, um daran teilzunehmen.

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