Frankreich: MBF-Metallarbeiter im Hungerstreik gegen drohende Werksschließung

Seit dem 18. Mai befinden sich vier Mitarbeiter der MBF-Aluminium-Gießerei in Saint-Claude im französischen Jura im Hungerstreik. Die Fabrik ist seit März nicht mehr in Betrieb, und die Arbeiter haben gedroht, die Fabrik zu sprengen, falls sie geschlossen würde. Mit der Schließung von MBF, dem größten Arbeitgeber am Ort, werden 280 Menschen, darunter 30 Leiharbeiter, auf die Straße geworfen.

MBF-Aluminiumwerk in Saint-Claude im Jura (Quelle: MBF Aluminium)

Am 25. Mai lehnte das Arbeitsgericht von Dijon das Angebot des einzigen Käufers, Michael Azoulay, ab, und entschied sich dafür, den MBF-Beschäftigten eine vorübergehende Gnadenfrist zu gewähren, indem die lokale Regierung die Möglichkeit erhält, das Projekt vorerst unter ihrer Kontrolle fortzusetzen. Grund für die Entscheidung, die Schließung des Werks zu verschieben, liegt in der Befürchtung, dass die Radikalisierung der MBF-Arbeiter auf Arbeiter anderer Gießereien in Frankreich, die ebenfalls in der Krise sind, übergreifen könnte.

Für den Auftragsrückgang, der die Metallfabrik in die Krise stürzte, wurden zwei Gründe angeführt: erstens der Rückgang bei den Dieselmotoren (bzw. das geplante Auslaufen von Verbrennungsmotoren in den nächsten 20 Jahren im Rahmen der Umstellung auf Elektroautos) und zweitens die internationale Wirtschaftskrise, die sich schon vor der weltweiten Pandemie abzeichnete.

Auch andere Standorte sind von Schließung bedroht: eine Gießerei in der Bretagne, die Renault beliefert (mit 340 Mitarbeitern), die Société Aveyronnaise de Métallurgie (365 Mitarbeiter), die Fonderie du Poitou und die ehemalige Française de roue (insgesamt 850 Mitarbeiter), letzter Hersteller von Aluminiumfelgen in Frankreich. Abhängig von Automobilherstellern wie Stellantis (Peugeot) und Renault sind diese Fabriken auf immer kleinere Aufträge angewiesen.

Der Renault-Konzern hat nach eigenen Angaben im Fall der zum Verkauf stehenden Fonderie de Bretagne Strafanzeige gegen Unbekannt erstattet, nachdem in den sozialen Medien ein Video auftauchte, das die Zerstörung einer Maschine und die Androhung weiterer Zerstörungen in der Fonderie gezeigt haben soll.

Bei MBF im Jura stellten Arbeiter ein paar Tage vor der Entscheidung des Arbeitsgerichts Dijon Gasflaschen auf und drohten damit, die Gießerei in die Luft zu sprengen. Mehrere Arbeiter traten in den Hungerstreik.

Nach drei Tagen ohne Essen warnte Isabel Alves Da Costa, eine 45-jährige Arbeiterin, vor der sozialen Katastrophe, die die Schließung der Gießerei bedeuten würde. „Es ist hart, körperlich und moralisch. Dabei haben wir so viele Demonstrationen abgehalten, aber sie hören nicht auf uns ... Sie müssen verstehen, dass die Situation ernst ist. Die Region Saint-Claude ist am Boden zerstört. Wenn MBF schließt, sind nicht nur 280 Mitarbeiter und ihre Familien betroffen, es ist eine Katastrophe für alle!“

Die Beschäftigten haben ihre Aktionen ausgeweitet, um vor der möglichen Werkschließung zu warnen und auf die Schwierigkeiten der ganzen Branche aufmerksam zu machen. Nach Angaben der Gewerkschaft sind Renault und PSA-Stellantis beinahe die einzigen verbliebenen Kunden von MBF Aluminium, und sie haben ihre Aufträge entgegen der Verträge reduziert.

Die Gewerkschaftsapparate isolieren die Arbeiter und blockieren eine einheitliche Mobilisierung von Arbeitern in ganz Frankreich und Europa. Dabei sind im Zuge der breiten globalen Umstrukturierung der Autoindustrie hunderttausende ebenfalls mit der Vernichtung ihrer Arbeitsplätze konfrontiert.

In einer Presseerklärung vom 9. Mai erklärten die Gewerkschaften: „Die französischen Hersteller haben beschlossen, MBF zu TÖTEN, weil sogar das Volumen der Zusagen, die sie bei den letzten Verträgen gemacht hatten, Ende letzter Woche nach unten korrigiert wurde, was das Überleben des Unternehmens weiter erschwert.“

Der Metallerverband der CGT schlug nichts vor, außer einem „Moratorium für die Umstrukturierung“ der Gießereien. Er ließ lediglich verlauten, er habe am 4. Mai bei einem Treffen in Paris seine Forderung nach einem runden Tisch des Automobilsektors „erneuert“. Dort sollten „alle Akteure“ der Branche zusammenkommen. Die Gewerkschaften haben die Regierung aufgefordert, finanzielle Garantien zu geben und Druck auf Renault und Stellantis (PSA) auszuüben, den Standort zu erhalten. Die bisherigen Unternehmerpläne taten die Gewerkschaftsführer und ihre Vertreter als „dummes Geschwafel“ (foutage de gueule) ab.

Am 13. April haben die Gewerkschaften Bruno Le Maire, den Finanzminister der Macron-Regierung, um einen runden Tisch mit den Autoherstellern gebeten. Dann beklagten sie, dass sie keine Antwort erhalten hätten: „Das wirft wirklich die Frage nach dem Engagement der Regierung auf, ob sie bereit sind, die Eigenständigkeit im Gießereisektor und insbesondere bei der MBF zu erhalten.“

Im Mai letzten Jahres betonte eine dem Elysée-Palast nahestehende Quelle, dass die Investition der Regierung in den Sektor „eine industrielle Frage, eine Frage der Arbeitsplätze und der Transformation des Sektors in Richtung des Übergangs und der Umstellung auf saubere Fahrzeuge“ seien. Sie zielten darauf ab, „die Wettbewerbsfähigkeit des Sektors zu erhalten“. Edouard Philippe, der damalige Premierminister, erklärte damals, dass die Regierung den Verlust von Arbeitsplätzen akzeptieren würde, wenn bloß die Montage-Standorte in Frankreich bleiben würden.

Die Gewerkschaften versuchen, die Wut der Arbeiter zu kontrollieren, indem sie die Illusion verbreiten, dass Arbeiter den Staat zwingen könnten, MBF zu retten, indem sie sich auf den Gewerkschaftsapparat verlassen.

Aber die Gewerkschaften führen schon seit Jahren Gespräche mit der Regierung und den Arbeitgebern. Sie sind in die Verhandlungen zur Umstrukturierung der Automobilindustrie involviert. Wie die Äußerungen von Le Maire deutlich machen, ist die gesamte Prämisse einer solchen „Umstrukturierung“ die Erhöhung der „Wettbewerbsfähigkeit“, d.h. die Senkung der Personalkosten und die Vernichtung von Werken, die als „nicht wettbewerbsfähig“ gelten.

Finanziert wird dies mit Hunderten Milliarden Euro an öffentlichen Geldern aus dem europäischen Konjunkturprogramm für die Pandemie. Die Gewerkschaften, allen voran die CGT, haben dieses Paket begrüßt. Da der Rettungsplan aus Steuermitteln finanziert wird, tragen die Gießereiarbeiter letztlich selbst dazu bei, die Vernichtung von Arbeitsplätzen sicherzustellen und die Unternehmensgewinne zu steigern. Die Gewerkschaften sind weit davon entfernt, eine groß angelegte Aktion zu organisieren, selbst wenn diese rein symbolischen Charakter hätte.

Die Gewerkschaften beteiligen sich am „sozialen Dialog“, um den französischen Kapitalismus und seine strategischen Sektoren konkurrenzfähig zu machen, zum Nachteil der Arbeiterrechte und Arbeitsplätze. Seit der Ankündigung des europäischen Rettungsplans haben die CGT und alle Gewerkschaften die Wiederaufnahme der Arbeit in den Fabriken von Renault und PSA trotz Pandemie erzwungen; sie haben akzeptiert, dass mehrere Urlaubstage gestrichen und die Arbeitszeit erhöht wird.

Der Kampf gegen die Schließung von MBF Aluminium und alle Auswirkungen der Industriekrise erfordert den Aufbau einer internationalen Arbeiterbewegung, die unabhängig vom Gewerkschaftsapparat handeln kann.

Das Internationale Komitee der Vierten Internationale hat zur Bildung der Internationalen Arbeiterallianz der Arbeiterkomitees (IWA-RFC) aufgerufen, um die Arbeiterklasse gemeinsam und international zu mobilisieren.

Um für den Lebensunterhalt der Arbeiter zu kämpfen, ist es in allen Ländern unabdingbar, dass die großen internationalen Konzerne, die mit Billionen Euro an öffentlichen Geldern überschwemmt werden, aus privater Hand in öffentliche Unternehmen umgewandelt werden, die unter der demokratischen Kontrolle der Arbeiterklasse stehen. Die von der Schließung bedrohten Fabriken, wie die MBF-Gießerei, müssen erhalten werden. Bereits geschlossene Fabriken müssen unter Arbeiterkontrolle wiedereröffnet und für den internationalen öffentlichen Bedarf weiter betrieben werden.

Angesichts der entschlossenen Feindseligkeit des kapitalistischen Staates gegenüber der Arbeiterklasse erfordert die Umsetzung dieser Perspektive einen Kampf für die Machtübernahme der Arbeiterklasse im internationalen Maßstab.

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