Mit der Panzerlieferung an die Ukraine eskaliert Macron Frankreichs Beteiligung am Krieg gegen Russland

Am Mittwoch kündigte der französische Präsident Emmanuel Macron die Lieferung von leichten französischen Panzern des Typs AMX-10 RC an das ukrainische Militär an. Es ist das erste Mal, dass Panzer westlicher Bauart an die ukrainischen Streitkräfte geliefert werden. Damit wird das französische Engagement in diesem Krieg erheblich ausgeweitet.

Am Mittwoch, den 4. Januar, hat Frankreich nach einem nachmittäglichen Telefonat zwischen den Präsidenten Emmanuel Macron und Wolodymyr Selenskyj die Lieferung von leichten Panzern des Typs AMX-10 RC aus französischer Produktion an die Ukraine angekündigt – die ersten Panzer aus einem westeuropäischen Land (AP Photo/Jeremy Bessat/Armee de Terre) [AP Photo/Jeremy Bessat/Armee de Terre]

Bei der Bekanntgabe des Deals auf Twitter erklärte Macron: Bis zum Sieg, bis der Frieden nach Europa zurückkehrt, werden wir mit unserer Unterstützung für die Ukraine nicht nachlassen. Ich habe Präsident Selenskyj bestätigt, dass Frankreich leichte Kampfpanzer liefern wird.“ Es ist zwar nicht bekannt, wie viele AMX-10 RC geliefert werden sollen, allerdings stammen sie vom französischen Militär, das momentan 248 Stück besitzt. Ersetzt werden sie durch Fahrzeuge des Typs EBRC Jaguar, die fünf Millionen Euro pro Stück kosten.

In Gesprächen mit dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj versprach Macron außerdem, die Ukraine mit weiteren Luftabwehrwaffen zu unterstützen. Frankreich hat bereits Luftabwehrbatterien vom Typ Crotale geliefert und weitere Caesar-Artilleriegeschütze zugesagt, von denen es im Jahr 2022 bereits 18 geliefert hat. Le Monde schrieb, Macron verhandle derzeit mit Italien über die Lieferung von SAMP/T-Mamba-Raketenbatterien an die Ukraine, einem moderneren Boden-Luft-Raketensystem, das mit den Fähigkeiten der bereits gelieferten Patriot-Raketenwerfer aus amerikanischer Produktion vergleichbar ist.

Die Lieferung leichter Panzer bestätigt, dass sich der französische Imperialismus dem Nato-Krieg gegen Russland angeschlossen hat, obwohl er einen atomaren Flächenbrand riskiert.

Im Jahr 2019 hatte Macron in einem Interview mit dem Economist die Nato für „hirntot“ erklärt. Er fügte damals hinzu, die Politik der USA gegenüber Russland sei besinnungslos, und erklärte: „Wenn die USA sehr hart gegenüber Russland auftreten, ist das eine Form von staatlicher, politischer und historischer Hysterie.“

Als der Krieg zwischen der Nato und Russland letztes Jahr begann, war Macron etwas zögerlich, die Provokationen der Nato gegen Russland und die uneingeschränkte Ausweitung des Kriegs in der Ukraine offen zu unterstützen. Er behauptete, er wolle eine Waffenruhe zwischen Russland und der Ukraine aushandeln. Am 28. März schrieb die New York Times: „Niemand kann Präsident Emmanuel Macron vorwerfen, er würde sich nicht bemühen, Russlands Krieg in der Ukraine zu verhindern, zu entschärfen oder zu stoppen.“ Im Februar und März sprach er mit Selenskyj und Putin und behauptete, er wolle „einen Waffenstillstand und den vollständigen Rückzug der Truppen erreichen“.

Als der damalige britische Premierminister Boris Johnson im März Selenskyjs Forderung nach der Lieferung von Nato-Panzern an die Ukraine unterstützte, lehnte Macron dies ab. Er erklärte, dies sei eine „rote Linie“, deren Überschreitung die Nato-Mächte zu Beteiligten an dem Krieg machen würde. Jetzt, Anfang 2023, versucht Macron, den französischen Imperialismus als führenden europäischen Waffenlieferanten an die Ukraine zu positionieren.

Noch im Dezember hatte Macron erklärt, es gäbe für ihn zwei „rote Linien“ bei Waffenlieferungen: Sie dürften Frankreichs Fähigkeit zur Selbstverteidigung nicht einschränken, und Paris dürfe nicht zum Teilnehmer am Krieg werden.

Gemäß dem Völkerrecht ist Frankreich tatsächlich bereits am Krieg beteiligt, indem es gemeinsam mit anderen Nato-Mächten die Lieferung von Waffen und Munition koordiniert. Durch die Lieferung von Panzern, die für Offensivoperationen ausgelegt sind, hat Macron nur die wenigen verbliebenen Illusionen zerstört, Paris befinde sich nicht im Krieg gegen eine große Atommacht.

Dieser Kurswechsel hat sich im Verlauf des Jahres 2022 entwickelt, vor allem nach dem Bombenanschlag auf die Pipeline Nord Stream 2. Damit wurde jede Aussicht auf weitere Erdgasimporte aus Russland an Frankreich zerstört und der französische Imperialismus außenpolitisch auf eine Linie mit seinen Nato-Verbündeten gebracht.

Auf die Ankündigung Frankreichs, Panzer zu liefern, folgten bald die Zusagen Deutschlands und der USA für die Lieferung eigener Militärfahrzeuge. Doch hinter der Fassade einer vereinten Unterstützung der Ukraine verbergen sich zunehmend interimperialistische Spannungen. Macrons Entscheidung, als erster Panzer zu liefern, gilt unter Militär- und Politikanalysten als Versuch, Frankreich militärisch und geopolitisch aus dem Schatten seiner Rivalen zu lösen, vor allem Deutschlands.

Marc Chassillan, Ingenieur und Spezialist für militärische Ausrüstung von Landstreitkräften, erklärte gegenüber Le Monde: „Vom politischen Standpunkt ist diese Ankündigung ein Meilenstein. Frankreich wird das erste Land sein, das ein, wie es beim Militär heißt, Nahkampf-Fahrzeug liefert, d.h. ein gepanzertes Fahrzeug für den Nahkampf.“

Bezeichnenderweise hat die Entscheidung die Spannungen zwischen Paris und Berlin verschärft. Die Vorsitzende des Verteidigungsausschusses des Bundestags, Marie-Agnes Strack-Zimmermann (FDP), erklärte gegenüber AFP: „Frankreich übernimmt wieder einmal die Rolle, die von Deutschland erwartet wurde, und geht selbst voran... der Ball liegt jetzt in Berlin.“

Es ist kein Zufall, dass die Lieferung französischer Panzer nur wenige Tage nach Macrons Ankündigung bekannt gegeben wurde, 2023 solle das Jahr der Rentenreform werden. Genau wie bei allen Nato-Mächten soll auch in Frankreich die Arbeiterklasse die Kosten tragen für die milliardenschweren Waffenlieferungen an das ukrainische Militär bei gleichzeitigem Ausbau des Militärs.

Der französische Militäretat für 2023 liegt mit 49,3 Milliarden Euro auf einem Rekordniveau und ist im Vergleich zum Vorjahr so stark gestiegen wie seit 15 Jahren nicht mehr. Er umfasst eine zusätzliche Zuteilung von drei Milliarden Euro durch einen Zusatzartikel vom Oktober letzten Jahres, als sich die französische herrschende Klasse entschied, sich deutlicher hinter die Politik der Nato zu stellen. Der Militäretat ist nach den Bildungsausgaben der zweitgrößte Ausgabenposten.

In seiner Silvesteransprache kündigte Macron an, 2023 werde das Jahr der Rentenreform werden, die in seiner ersten und zweiten Amtszeit ein zentrales Ziel seiner Regierung war. Sein letzter Versuch im Dezember 2019, die Reform durchzupeitschen, löste massive Streiks im öffentlichen Dienst aus. Um die Mittel für eine massive Vergrößerung des Militärs aufzutreiben, plant Macron die Anhebung des Renteneintrittsalters und das Einfrieren der Rentenerhöhungen, was aufgrund der Inflation Rentenkürzungen bedeutet.

Im Jahr 2023 werden die Staatsausgaben in Frankreich insgesamt um 1,5 Prozent schrumpfen, angesichts der Inflation von sechs Prozent werden sie real jedoch noch weiter sinken. Ein Großteil dieser Einsparungen geht auf drastische Kürzungen im Gesundheitswesen zurück, das bereits unter immer neuen Wellen von Covid-19 und Personalmangel sowie dem Abbau der Corona-Test-Infrastruktur leidet.

Das Nato-Embargo auf russische Energieimporte hat vorrangig die ärmsten Haushalte getroffen. Die Energiepreise in Frankreich sind um 15 Prozent gestiegen, da die US-Erdgasexporteure angesichts des Embargos gegen Russland die Preise für den europäischen Markt erhöht haben. Die französische Bevölkerung muss immer noch damit rechnen, dass es im Winter zu Stromausfällen kommt. Aufgrund des für die Jahreszeit ungewöhnlich milden Wetters hat die Nachfrage allerdings die begrenzten Energiebestände bis jetzt nicht überschritten.

Macrons Panzerlieferung an die Ukraine zeigt, wie sein Kurs für das Jahr 2023 verlaufen wird: eine massive Verschärfung des Kriegs gegen Russland ohne Rücksicht auf die Gefahr einer Eskalation bis hin zu einem Atomkrieg, und brutale Sparmaßnahmen zu Lasten der Arbeiter.

Die immer stärkere Beteiligung Frankreichs und seiner imperialistischen Verbündeten am Nato-Krieg in der Ukraine zeigt, dass nur eine internationale Antikriegsbewegung der Arbeiter eine atomare Katastrophe verhindern und den Kurs der herrschenden Klasse auf den Dritten Weltkrieg beenden kann. Die International Youth and Students for Social Equality haben auf ihrem Webinar am 10. Dezember 2022 eine Initiative zum Aufbau dieser Bewegung ins Leben gerufen. Angesichts der endlosen Eskalation des Konflikts müssen Arbeiter und Jugendliche, die Krieg und Austerität in Frankreich und international ablehnen, die Entscheidung treffen, sich dieser Bewegung anzuschließen.

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