Syrizas Verantwortung für das tödliche Zugunglück in Tempi

„Für die arbeitende Bevölkerung wäre eine Syriza-Regierung kein Ausweg aus der Krise. Sie stellt im Gegenteil eine enorme Gefahr dar. Syriza ist, ungeachtet ihrer linken Fassade, keine Arbeiter-, sondern eine bürgerliche Partei, die sich auf wohlhabende Schichten der Mittelklasse stützt. Ihre Politik wird bestimmt von Gewerkschaftsbürokraten, Akademikern, Selbstständigen und Parlamentsfunktionären, die ihre Privilegien verteidigen wollen, indem sie die soziale Ordnung bewahren.“

Die Wahl in Griechenland und die Aufgaben der ArbeiterklasseWorld Socialist Web Site, 24. Januar 2015

„Nur vier Tage nachdem griechische Arbeiter und Jugendliche dem EU-Diktat mit überwältigender Mehrheit eine Absage erteilt hatten, legte die griechische Regierung der Eurogruppe Vorschläge für Sparmaßnahmen über dreizehn Milliarden Euro vor. Sie sollen an diesem Wochenende geprüft werden. Die griechische Regierung hofft im Gegenzug ein weiteres Kreditpaket über 53 Milliarden Euro zu erhalten.

Der Vorschlag, der am Freitagmorgen vom griechischen Parlament mit großer Mehrheit angenommen wurde, ist noch brutaler als das Neun-Milliarden-Paket, das die Wähler beim Referendum abgelehnt hatten.“

Syriza verrät die griechische Arbeiterklasse“, World Socialist Web Site, 11. Juli 2015.

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Millionen von Arbeitern und Jugendlichen in Griechenland haben seit dem vermeidbaren Tod von 57 Passagieren und Eisenbahnern bei dem Zugunglück in Tempi am 28. Februar an Demonstrationen und Streiks teilgenommen.

Die Opfer, überwiegend junge Studenten, die aus den Ferien zurückkamen, starben einen grauenhaften Tod, als ein Hochgeschwindigkeits-Intercity mit 350 Fahrgästen im Tempi-Tal auf der Strecke von Athen nach Thessaloniki frontal mit einem nach Süden fahrenden Güterzug zusammenstieß.

Feuerwehrleute und Rettungskräfte im Einsatz nach dem Zugunglück in Tempi, etwa 376 Kilometer nördlich von Athen nahe der Stadt Larissa am 1. März 2023 [AP Photo/Vaggelis Kousioras]

Die Teilnehmer an den Protesten wissen, dass die tödliche Katastrophe nicht als Unfall abgetan werden kann und dass sie nicht von einem einzelnen Bahnhofsvorsteher zu verantworten ist, wie es die Regierung unter der rechten Nea-Dimokratia (ND) behauptet hat. Es handelt sich um ein Verbrechen, dessen Ursache ein erschreckend unsicheres Eisenbahnnetz ist, entstanden durch jahrelange Kürzungen und die Privatisierung im Jahr 2017.

Syriza (Koalition der radikalen Linken) wirbt jetzt dafür, nach vier Jahren in der Opposition in den kommenden Parlamentswahlen als „progressive Regierung“ an die Macht zurückzukehren. Sie war abgewählt worden, weil sie eine brutale Sparoffensive umgesetzt hatte.

Dass ihre Selbstdarstellung einer „progressiven“ Alternative eine schmutzige Lüge ist, wissen die meisten sehr gut. Wir schreiben nicht mehr das Jahr 2015, sondern das Jahr 2023. Millionen Arbeiter in Griechenland haben dank Syriza ihren Arbeitsplatz verloren und verheerende Angriffe auf ihre Arbeitsbedingungen, Renten und ihren Lebensstandard erlebt.

Nach dem tödlichen Zugunglück besuchte Syriza-Parteichef Alexis Tsipras die Unfallstelle, vergoss Krokodilstränen und erklärte: „Die Tragödie ist kein Thema für parteipolitische Dispute, sondern ein kollektiver Disput zwischen der gesamten Gesellschaft und denjenigen, die die Wahrheit vertuschen wollen.“ Am 1. März twitterte er, er sei „erschüttert von der unaussprechlichen Tragödie in Tempi. Was geschehen ist, ist unvorstellbar.“

Tatsächlich ist es keineswegs unvorstellbar. Syriza hat eine wichtige Rolle bei den Ereignissen gespielt, die zu dem Zusammenstoß führten.

Der griechische Ministerpräsident Alexis Tsipras bei einer Parteiveranstaltung in Athen am 27. Mai 2019. Nach der schweren Niederlage von Syriza bei den Europawahlen hatte er vorgezogene Neuwahlen angesetzt [AP Photo/Yorgos Karahalis]

Die tödliche Katastrophe in Tempi ereignete sich zwar während der Amtszeit von Nea Dimokratia, doch Syriza trägt nicht weniger Verantwortung, da sie während der letzten 15 Jahre eine Massenbewegung der Arbeiterklasse verraten hat. Tempi war das Ergebnis der Politik der Tsipras-Regierung von 2015 bis 2019, die die beispiellose Sparoffensive gegen die Arbeiterklasse noch weiter verschärft hat.

Im Rahmen der Privatisierungsorgie während ihrer Amtszeit war Syriza für den Verkauf der griechischen Staatsbahn TrainOSE an den italienischen Eisenbahnbetreiber Ferrovie Dello Stato Italiane (FSI) zu einem Spottpreis von 45 Millionen Euro verantwortlich. Durch die Privatisierung wurde das gesamte Eisenbahnsystem unsicher, da sich die Eisenbahner auf veraltete Technik verlassen mussten, z. B. auf manuelle Signalsysteme.

Griechische Arbeiter und Jugendliche reagierten auf Twitter wütend auf Tsipras’ unaufrichtiges Händeringen:

„Klar bist du erschüttert, du Idiot. Du warst zwar Ministerpräsident, aber du hast nichts unternommen, damit die Sicherheitssysteme eingeführt werden. Du kannst mich mal.“

„Unvorstellbar ist, dass die OSE für 45 Millionen Euro verkauft wurde – soviel kostet ein Zug mit fünf Waggons. Unvorstellbar ist, dass es seit sechs Jahren kein Prüfverfahren mehr gibt, sondern nur noch Subventionen [an die neuen Eigentümer der Bahn].“

„Daran hätten Sie denken müssen, als Sie OSE verkauft haben, Alexis.“

„Ihr seid alle schuldig, Alexis. Die Bombe ist nur in den Händen eines anderen explodiert. Auch Sie sind verantwortlich.“

„Als Sie [die Eisenbahn] an den italienischen Monopolisten verkauft haben, war es damals nicht unvorstellbar? Ach so, tut mir leid, ‚jetzt ist nicht die Zeit für Schuldzuweisungen‘.“

Syriza: Die Partei der Sparmaßnahmen und der Privatisierung

Als Syriza im Januar 2015 durch einen Erdrutschsieg an die Macht kam, waren die Arbeiter in Griechenland bereits durch jahrelange Sparmaßnahmen ausgeblutet, die ihnen erst die sozialdemokratische Pasok und danach die konservative ND-Regierung aufgezwungen hatten. Syriza wurde gewählt, weil sie ein Ende der Spardiktate versprach, doch der erste Schritt von Tsipras und seinem Finanzminister Yanis Varoufakis bestand darin, deren Fortsetzung zu beschließen. Nur einen Monat nach der Regierungsübernahme einigte sich Syriza mit den Finanzministern der Eurozone darauf, „auf eine Rücknahme der Maßnahmen und auf unilaterale Änderungen der Politik und der Strukturreformen zu verzichten“. Syriza erklärte sich bereit, weitere „Reformmaßnahmen auf der Grundlage der derzeitigen Vereinbarung“ vorzubereiten, die in dem verhassten Memorandum festgelegt waren, dessen Ablehnung Tsipras zuvor versprochen hatte. Er setzte es buchstabengetreu um, was ihm den Hass von Millionen von Arbeitern einbrachte.

Der Präsident des Europäischen Rates, Donald Tusk (links), trifft sich mit dem griechischen Ministerpräsidenten Alexis Tsipras (rechts) und dem griechischen Finanzminister Yanis Varoufakis im Vorfeld der EU-Krisensitzung zu Griechenland im Gebäude des Europäischen Rats in Brüssel am 22. Juni 2015 [AP Photo/Eric Vidal/Pool Photo via AP]

Ein Jahr später stimmte das von Syriza dominierte Parlament dem „Superfonds“ zu, einer Privatisierungsbehörde, die zwar von Athen verwaltet, aber von der Europäischen Union (EU) beaufsichtigt wurde.

Im Superfonds (Hellenic Company of Assets and Participations), der 99 Jahre lang tätig sein soll, sind mehrere Unternehmen zusammengeschlossen, darunter auch die Privatisierungsbehörde TAIPED. Die Hälfte der Mittel aus dem Verkauf von Staatseigentum wurde für die Tilgung von Schulden bestimmt.

TAIPED, die 2011 gegründet wurde, hatte bereits 25 Privatisierungen abgeschlossen, darunter des Flughafengeländes in Elliniko, mehrere Hotelanlagen und große Landstücke, Strände und Staatsgrundstücke. Syrizas erste große Privatisierung waren 14 Regionalflughäfen, die von TAIPED für den Verkauf vorbereitet worden waren. Sie wurden im November 2015 für nur 1,23 Milliarden Euro an das deutsche Konsortium Fraport-Slentel verkauft und anfänglich für 40 Jahre gepachtet. Die restlichen 22 Flughäfen werden nun ebenfalls zum Verkauf vorbereitet.

Die nächste große Privatisierung von Syriza, die am 10. August 2016 abgeschlossen wurde, war der Verkauf des Hafens von Piräus, eines der wichtigsten Knotenpunkte in Europa, an das chinesische Schifffahrtsunternehmen Cosco. Cosco zahlte nur 280,5 Millionen für einen Mehrheitsanteil von 51 Prozent an Piräus.

Dies bildete die Grundlage für Syrizas Privatisierung des staatlichen Eisenbahnbetreibers TrainOSE im Jahr 2017 für 45 Millionen Euro, und der Firma für die Fahrzeuginstandhaltung im folgenden Jahr für nur 22 Millionen Euro. Damit endete ein Prozess, in dem Pasok, ND und Syriza dafür sorgten, dass TrainOSE bis zum Letzten ausgeblutet wurde, u.a. durch die Senkung der Personalkosten auf ein Niveau, das die Bevölkerung gefährden und sich als tödlich erweisen würde.

Im Jahr 2010 stellte die damalige Pasok-Regierung einen Plan vor, die Belegschaft von TrainOSE um nahezu 40 Prozent zu verkleinern, von mehr als 6.000 auf etwa 3.700. Die Fahrkartenpreise wurden um mehr als 60 Prozent erhöht und ein Großteil der Strecken stillgelegt.

In den folgenden zehn Jahren haben die Pasok-, Nea-Dimokratia- und Syriza-Regierungen bei TrainOSE noch weiter gekürzt. Laut einer Recherche der Website 2020mag vom 6. März war Tempi eine „vorherbestimmte nationale Tragödie“. Die Teilprivatisierung sei 2017 „nach fünf Jahren des Schrumpfens (Abbau von 55 Prozent des Personals und Gehaltskürzungen von 45 Prozent)“ durchgeführt worden. „Am 14. September 2017 verkaufte der Privatisierungsfonds 100 Prozent der Anteile des Unternehmens TrainOSE, das den gesamten Transport durchführt, für 45 Millionen Euro an die italienische FSI (Ferrovie dello Stato Italiane). Vier Jahre später, 2021, ist die Übergangszeit abgeschlossen und TrainOSE wird in Hellenic Train umbenannt.“

Tsipras erklärte Bahnprivatisierung zu großem Erfolg

Der Verkauf wurde von Syriza und Ferrovie Dello Stato Italiane bei einer aufwendigen Zeremonie auf der Insel Korfu bekannt gegeben, wo ihn Tsipras als großartigen Erfolg bezeichnete. Die Wirtschaftszeitung Naftemporiki berichtete: „Tsipras erklärte, die Bedeutung der Investition liegt in der Tatsache, dass dem Land eine große finanzielle Belastung erspart geblieben ist... was den Preis selbst angeht, aber auch den Umfang der Investition in die griechische Wirtschaft und die griechische Eisenbahn, die sich auf 500 Millionen Euro beläuft.“

Alexis Tsipras (hinten rechts) und sein italienischer Amtskollege Paolo Gentiloni (hinten links) sehen zu, wie die Vorsitzende des griechischen Privatisierungsfonds, Lila Tsitsogianopoulou (rechts), und der Vorstandschef des italienischen Eisenbahnkonzerns Ferrovie dello Stato Italiane, Renato Mazzoncini, das Abkommen über den Verkauf von TrainOSE unterzeichnen. Aufgenommen bei der griechisch-italienischen Regierungskonferenz im Museum für asiatische Kunst auf der Insel Korfu am 14. September 2017 [AP Photo/Petros Giannakouris]

Es gab keine Investitionen. Wie 2020mag feststellte: „Züge aus den 1990er Jahren wurden als neu präsentiert! Aber wir haben auch keine Verbesserungen beim Service gesehen. Und die technischen Probleme nehmen exponentiell zu. Alleine im Jahr 2023 (in weniger als 60 Tagen) gab es 25 Ausfallmeldungen bei Hellenic Train!“

Tausende von Bahnmitarbeitern wurden entlassen. Die WSWS schrieb in einem früheren Artikel: „Laut offiziellen Zahlen von TrainOSE beschäftigte das Unternehmen am 31. Dezember 2017 gerade einmal 637 Mitarbeiter im gesamten Schienennetz – also in dem Jahr, in dem Syriza das Unternehmen für nur 45 Millionen Euro an die Ferrovie Dello Stato Italiana, die staatliche italienische Eisenbahnholding, verkaufte. Die Neueinstellungen bei TrainOSE (93) überstiegen kaum die Zahl der Beschäftigten, die in diesem Jahr in den Ruhestand gingen (71). Das Unternehmen sollte so schlank und profitabel wie möglich für die neuen Eigentümer gemacht werden. Ferrovie musste so gut wie nichts ändern und brüstete sich mit massiven Gewinnen im Rahmen ihrer ,strategischen Expansionsoperation‘. Ein Jahr später beschäftigte die Eisenbahngesellschaft nur noch 659 Mitarbeiter.“

Zum Zeitpunkt des Zusammenstoßes hatte die griechische Eisenbahn nur 750 Arbeiter. Am Abend des Unglücks war der Bahnhofsvorsteher von Larissa – ein einzelner Arbeiter – 20 Minuten lang für die Zugsicherheit in ganz Zentralgriechenland verantwortlich!

Arbeits- und Sozialminister Kostis Hatzidakis, der auch Vizevorsitzender von ND ist, twitterte 2019 über die gemeinsame Operation von ND und Syriza: „OSE war das Unternehmen in Europa mit den meisten Schwierigkeiten. Wir haben einen Konsolidierungsplan umgesetzt, der hunderte Millionen eingespart und TrainOSE profitabel gemacht hat. Die anschließende Privatisierung des Unternehmens wurde dank unserer Interventionen ermöglicht.“

Mit der Privatisierung von TrainOSE setzte Syriza die Erklärung von Poul Thomsen vom Internationalen Währungsfonds, einem Vertreter der verhassten „Troika“ (IWF, EU, Europäische Zentralbank), von 2010 buchstabengetreu um. Dieser hatte damals einen Ordner mit den Konten der staatlichen Eisenbahnunternehmen zu Boden geworfen und gerufen: „Macht sie dicht!“

Eine Analyse des griechischen Privatisierungsprogramms durch die Eurobank vom Januar 2019 zeigt, dass Staatseigentum im Wert von mehr als sechs Milliarden Euro verkauft wurde, wovon mehr als drei Milliarden Euro auf die Amtszeit von Syriza entfallen:

  • 2011–2012: 1,17 Milliarden Euro – Pasok
  • 2013: 1,04 Milliarden Euro – Nea Dimokratia/Pasok
  • 2014: 419,6 Millionen Euro – Nea Dimokratia/Pasok
  • 2015: 289,2 Millionen Euro – Syriza
  • 2016: 498,3 Millionen Euro – Syriza
  • 2017: 1,38 Milliarden Euro – Syriza
  • 2018: 1,03 Milliarden Euro – Syriza
  • 2019: 1,21 Milliarden Euro (Syriza wurde im Juli 2019 abgewählt und durch Nea Dimokratia ersetzt)

Die Vertragsbedingungen des TrainOSE-Verkaufs wurden nie publik gemacht, weil sie offenbar den griechischen Staat belasten würden. Allerdings veröffentlichte die Website investigative-europe.eu im Februar 2022 wichtige Details. In ihrem Exposé hieß es: „Der Privatisierungsvertrag bleibt weiterhin geheim, doch mit den Bedingungen vertraute Personen wie der derzeitige [ND-]Vizeminister für Infrastruktur und Verkehr, Giorgos Karayannis, bezeichnen ihn als ,kolonial‘. Für eine konservative Regierung sind das ungewöhnlich starke Worte. Das griechische Verkehrsministerium hat zugestimmt, das italienische Unternehmen mit 50 Millionen Euro pro Jahr zu subventionieren, damit es bestimmte Strecken betreibt, wie es der Vertrag über verpflichtende öffentliche Dienstleistungen (PSO) vorsieht.“

Auch der PSO-Vertrag „bleibt geheim, obwohl oppositionelle Abgeordnete einen Antrag auf Einsicht nach den Bestimmungen der Informationsfreiheit gestellt haben. Deshalb können sich Fahrgäste in Griechenland nur darüber beschweren, dass subventionierte Strecken eingestellt oder vernachlässigt werden, aber keinen Bruch des Vertrags nachweisen. Inzwischen sind andere PSO-Dienstleistungsverträge zwischen Eisenbahnunternehmen und den meisten anderen EU-Regierungen, u.a. zwischen der italienischen Regierung und Ferrovie dello Stato, öffentlich einsehbar.“

Syriza sorgte dafür, dass Schulden in Höhe von 700 Millionen Euro aus der Bilanz des Staatsunternehmens gestrichen wurden, um es für die italienische Staatsbahn attraktiver zu machen. Diese Schulden wurden dem öffentlichen Haushalt übertragen.

Der Weg vorwärts für griechische Arbeiter und Jugendliche

Seit dem Zusammenstoß von Tempi brechen die Umfragewerte von Nea Dimokratia ein. Ein Hauptgrund ist die verbreitete Wut über die hohe Zahl der Todesopfer. Während ND zuvor bis zu zehn Punkte vor Syriza lag, war ihr letzter Vorsprung in den Umfragen noch immer bei etwa fünf Prozent. Die erste Runde der griechischen Parlamentswahl soll am 21. Mai stattfinden.

Dass Tsipras’ Umfragewerte gleich geblieben sind, bestätigt die Tatsache, dass Millionen von griechischen Arbeitern und Jugendlichen wissen, dass Syriza, ND und die anderen Austeritätsparteien eine wichtige Rolle dabei gespielt haben, die Voraussetzungen für das Zugunglück im Februar zu schaffen. Die jüngere Generation kennt nichts anderes als Armut und einen Mindestlohn von nur 700 Euro im Monat. Ihre Sympathie gehört den Eisenbahnern, und sie lehnt alle Versuche ab, die Beschäftigten für den enormen Verlust an Menschenleben verantwortlich zu machen.

Letzten Monat bezeichneten Arbeiter und Jugendliche bei Massendemonstrationen und zwei Generalstreiks die Todesfälle als „Mord“ und „Verbrechen“, forderten Gerechtigkeit und kündigten an, „für die Toten zu sprechen“.

Tsipras, der als vertrauenswürdiger Vertreter der herrschenden Elite die Bedrohung von unten sehr genau sieht, nannte die Massenbewegung nach Tempi einen „Aufstand“. Die Proteste in Griechenland finden vor dem Hintergrund eines Ausbruchs des Klassenkampfs in ganz Europa statt. Millionen Arbeiter wehren sich gegen ihre Regierungen der Reichen. Beispielhaft ist die Revolte in Frankreich gegen die Angriffe des Macron-Regimes auf die Renten.

Protestversammlung auf dem Syntagma-Platz in Athen am Sonntag, 5. März 2023. Landesweit protestierten Zehntausende [AP Photo/Yorgos Karahalis]

Aber wenn die griechischen Arbeiter und Jugendlichen Gerechtigkeit erreichen wollen, müssen sie ihre spontane Empörung in eine politisch bewusste Bewegung gegen das kapitalistische System und seine Parteien verwandeln.

Für die Katastrophe von Tempi gehört nicht ein einzelner Bahnhofsvorsteher auf die Anklagebank, sondern Tsipras und alle anderen politischen Verbrecher, deren Entscheidungen ein unsicheres Eisenbahnnetz geschaffen haben. Der Sieg der Gerechtigkeit erfordert außerdem eine politische Rebellion gegen die Gewerkschaftsbürokratie, auf die sich Syriza und alle folgenden griechischen Regierungen jahrzehntelang verlassen haben, um den Widerstand gegen die Sparpolitik zu unterdrücken.

Die einzige politische Tendenz, die Syriza von Anfang an von links bekämpft hat, war das Internationale Komitee der Vierten Internationale. Das IKVI hat mehrfach und rechtzeitig vor dem Klassencharakter von Syriza als Werkzeug des kapitalistischen Staates gewarnt, das die Befehle der Banken und Konzerne umsetzt.

Das IKVI schrieb in seiner Neujahrserklärung vom 3. Januar 2020, dass „mit dem neuen Jahr ein Jahrzehnt des verschärften Klassenkampfs und der sozialistischen Weltrevolution angebrochen ist“:

Das Wachstum der Arbeiterklasse und die Herausbildung des Klassenkampfs auf internationaler Ebene bilden die objektive Grundlage für die Revolution. Die spontanen Kämpfe der Arbeiter und ihr instinktives Streben nach Sozialismus an sich reichen jedoch nicht aus. Um zu einer bewussten Bewegung für den Sozialismus zu werden, braucht der Klassenkampf eine politische Führung.

Heute ist die entscheidende Frage für alle, die Gerechtigkeit für die Toten von Tempi fordern, der Aufbau einer neuen politischen Bewegung der Arbeiterklasse, unabhängig von allen Parteien der kapitalistischen herrschenden Elite. Dies erfordert die Gründung einer griechischen Sektion des IKVI.

Wir rufen Demonstranten und Arbeiter in ganz Griechenland auf, sich mit der WSWS in Verbindung zu setzen. Schreibt uns eure Meinung zu der tödlichen Katastrophe in Tempi und kontaktiert uns hier.

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