Facebook-Sperrung von Donald Trumps Account: Es geht nicht um Meinungsfreiheit

Am 5. Mai entschied Facebook, den Account von Donald Trump weiterhin zu sperren. Unabhängig davon sperrte Twitter einen neuen Blog des Ex-Präsidenten, mit dem dieser Kurznachrichten von seiner Website durch die Hintertür bei Twitter posten wollte. Trump darf Twitter weiterhin nicht nutzen.

Trump spricht bei einer Pressekonferenz (Quelle: AP Photo/Carolyn Kaster)

Am 6. Januar stachelte Trump, damals noch amtierender Präsident, einen Mob auf, das Kapitol zu stürmen. Seine Absicht war, die Bestätigung des Wahlergebnisses zu verhindern und einen Putsch zu organisieren. Trump-Gefolgsleute im Militär und in der Polizei verzögerten gleichzeitig den Einsatz der Sicherheitskräfte in Washington D.C., um die Operation zu erleichtern.

Um 13.10 Uhr schloss Trump eine Rede in der Nähe des Weißen Hauses mit der Aufforderung an seine Anhänger, zum Kapitol zu marschieren und „unser Land zurückzuholen“. In den folgenden 40 Minuten schlugen Randalierer Türen und Fenster des Kapitols ein.

Drei Stunden lang verwüsteten sie das Kapitol und versuchten, Abgeordnete aufzuspüren, sie gefangen zu nehmen oder zu töten, und griffen Polizisten an. Ihr erklärtes Ziel, „Mike Pence aufhängen“, verfehlten sie allerdings. Pence konnte an einen sicheren Ort entkommen, wo er um 16.05 Uhr eine Erklärung abgab und Trump aufforderte, „das Ende dieser Belagerung zu verlangen“.

Sobald bekannt war, dass die Aufrührer keine Abgeordneten in ihre Gewalt gebracht hatten, gab Trump eine Erklärung ab. Er äußerte seine Unterstützung für die Unruhestifter, forderte sie aber auf, sich vom Kapitol zurückzuziehen. Um 18.07 Uhr twitterte er, die Randalierer seien „große Patrioten, die sehr lange Zeit äußerst unfair behandelt wurden“. Diese Erklärung wurde auch auf seinem Facebook-Account gepostet.

Um 18.15 entfernte Facebook Trumps Post und sperrte seinen Account. Kurz danach, um 19.02 Uhr, sperrte auch Twitter Trumps Account.

Gegen Trumps Ausschluss von Facebook und Twitter protestierten nicht nur seine faschistischen Anhänger, sondern auch liberale Journalisten, unter ihnen John Pilger, Glenn Greenwald, Chris Hedges und Joe Lauria von Consortium News.

Sie versuchten gleichzeitig, Trumps Handeln zu bagatellisieren, und einige gingen sogar soweit, es zu rechtfertigen. Bewusst redeten sie die Ereignisse vom 6. Januar klein und taten sie als bedeutungslos ab, obwohl die Fakten klar das Gegenteil beweisen.

Der Journalist Glenn Greenwald meinte zu Facebooks Bestätigung der Sperrung von Trumps Account: „Die Tatsache, dass Facebook ein Aufsichtsgremium hat, das entscheidet, wer auf der Kommunikationsplattform monopolistischer Unternehmen gehört werden darf und wer nicht, ist Tyrannei. Es sei daran erinnert, dass führende Personen überall auf der Welt die Sperrung verurteilten, obwohl viele von ihnen Trump nicht mögen.“

Die World Socialist Web Site schrieb am 18. Januar über Twitters Vorgehen:

Eine klassenbewusste Analyse, die sich auf den Marxismus und die historische Erfahrung der internationalen sozialistischen Bewegung stützt, würde erklären, dass Twitters Maßnahme im Kontext einer akuten Krise innerhalb des bürgerlichen Staats stattfand. Eine hochgradig kompromittierte, von einem gewaltsamen Umsturz bedrohte, halbkonstitutionelle Fraktion versuchte damit, Trump an der Mobilisierung seiner faschistischen Anhänger zu hindern. Warum sollten linke Gegner des Putschversuchs die Unterbrechung von Trumps Kommunikation ablehnen? Hätte Twitter diese Aktion nicht unternommen, würden Sozialisten diese „Neutralität“ tatsächlich richtigerweise als offene Komplizenschaft mit den Verschwörern interpretieren.

Darüber hinaus würden Sozialisten als Teil ihrer eigenen unabhängigen Bemühungen, den Widerstand der Arbeiterklasse gegen Trumps Verschwörung zu mobilisieren, Mitarbeiter von Twitter und andere Arbeiter der Technologiebranche auffordern, seinen Zugang zu den sozialen Medien zu kappen und die Kommunikationsnetze seiner bewaffneten Anhänger zu stören. In der Tat gab es von Twitter-Mitarbeitern viele Forderungen nach derartigen Maßnahmen, was für Twitter ein wesentlicher Faktor war, Trumps Account zu sperren. Ein Artikel in Vanity Fair stellte Anfang letzter Woche fest: „Twitter hätte möglicherweise seinen eigenen Aufstand gehabt, wenn es Trump nicht fallengelassen hätte.“ Hält Hedges solche Forderungen von Arbeitern für eine unzulässige Verletzung der Meinungsfreiheit?

Die World Socialist Web Site steht einem erfolgreichen Sturz der US-Regierung durch Faschisten nicht gleichgültig gegenüber. Die Gefahr, die „Big Tech“ und die Demokratische Partei darstellen, wird nicht beseitigt, indem man die Errichtung eines autoritären Regimes, unter Führung von Trump und mit Unterstützung faschistischer Organisationen, geschehen lässt im Namen der bedingungslosen Verteidigung der Meinungsfreiheit. Wenn Faschisten das Kapitol stürmen, lautet unsere Parole nicht: „Hände weg von Hitler! Meinungsfreiheit für Trump!“

Alle seit dem Putschversuch an die Öffentlichkeit gelangten Informationen zeigen, dass diese Analyse nach wie vor zutrifft. Trump behauptet immer noch zu Unrecht, er habe die Wahl 2020 gewonnen, und mobilisiert weiterhin gewalttätige Rechtsextremisten. Hätte er die Möglichkeit, würde er schon morgen einen neuerlichen gewaltsamen Staatsstreich durchführen.

Seit dem 6. Januar haben zahlreiche Presseberichte die umfangreiche Planung und Organisation der Rechtsextremisten aufgezeigt. Sie hatten geheime Waffenlager, auf die sie im Erfolgsfall schnell hätten zugreifen können. Interne Dokumente von Kapitol-Polizei und Militär beweisen die Untätigkeit von Militär und Polizei, die den Aufrührern ihren Angriff ermöglichten.

Bei der Kontroverse um die Sperrung von Trumps Facebook-Account geht es nicht um die Meinungsfreiheit. Die Sperrung seiner Accounts war seinem Versuch geschuldet, die Bestätigung des neuen Präsidenten zu verhindern und sich selbst zum Diktator auszurufen.

Trump war zu diesem Zeitpunkt nicht Privatperson, sondern Oberbefehlshaber des US-Militärs. Er machte Gebrauch von den weitreichenden Befugnissen des Präsidenten, um die demokratischen Rechte in den USA auszuhebeln. Auch wenn der Putsch scheiterte, Trump bleibt der eigentliche Chef der Republikanischen Partei und kann den riesigen Apparat einer der ältesten politischen Maschinerien der Welt für seine Zwecke mobilisieren.

Die Entscheidung von Facebook und Twitter, Trumps Accounts zu schließen, erfolgte im Kontext eines erbitterten Kampfes innerhalb der herrschenden Klasse, bei dem sich pseudodemokratische und offen faschistische Fraktionen gegenüberstehen. Ihr Selbsterhaltungstrieb hat keine geringe Rolle gespielt: Wäre Trump Diktator geworden, dann hätte das Führungspersonal von Facebook und Twitter, wie auch Trumps Gegner in der Demokratischen Partei, sich schnell in einer Gefängniszelle widerfinden können.

Die Arbeiterklasse und ihre sozialistische Führung beteiligen sich nicht am Fraktionskampf im Innern des kapitalistischen Staats. Wir haben nie gefordert, dass private Unternehmen Trumps Kommunikationsmöglichkeiten einschränken, und wir haben niemals die Illusion verbreitet, dass sein Ausschluss aus diesen Medien die Gefahr des Faschismus beseitigen würde.

Aufgabe der marxistischen Bewegung ist es aber nicht, für Trump uneingeschränkten Zugang zu Twitter und Facebook zu fordern. Marxisten fordern nicht aktiv, dass den Faschisten Meinungsfreiheit gewährt wird, auch nicht, dass Maßnahmen, die die Kommunikation zwischen dem Führer eines rechten Putsches und seinen Anhängern behindern, unterlassen werden, weil dies die Meinungsfreiheit von faschistischen Verschwörern einschränken könnte.

Die Journalisten, die fordern, dass Trump wieder Zugang zu seinen Social Media-Accounts erhält, sind nicht einfach verwirrte Liberale. Da ist mehr im Spiel: Es ist in nicht geringem Maß eine Anpassung an die extreme Rechte.

Im Unterschied zu diesen wankelmütigen Journalisten, leistet die WSWS gegen die faschistische Rechte unbeugsamen Widerstand. Weil wir uns auf die Lehren der Geschichte stützen, wissen wir, dass die hinter Trump mobilisierten faschistischen Kräfte eine existenzielle Bedrohung für die Arbeiterklasse und ihre sozialistische Führung darstellen.

Appelle an den Unterdrückungsapparat des Staates oder an Unternehmen werden die Demokratie in den Vereinigten Staaten und anderswo nicht schützen. Der Kampf gegen den Faschismus kann nur siegreich sein, wenn er die Arbeiterklasse im Kampf für den Sozialismus mobilisiert. Die Forderung, gewalttätigen faschistischen Verschwörern, die die Errichtung einer Diktatur planen, alle Freiheiten der Kommunikation zu ermöglichen, kann nichts zum Aufbau einer solchen Bewegung beitragen.

Tatsache ist, dass die Zensur der sozialen Medien sich vor allem gegen die Linke richtet. Letztes Jahr räumte Google-Chef Sundar Pichai ein, dass das Unternehmen die World Socialist Web Site zensiert. Sucht man nach „Sozialismus“, „sozialistisch“, „Trotzkismus“ und „Klassenkampf“, wird die WSWS nicht aufgeführt, obwohl sie gemeinhin als unbestrittene Autorität in diesen Fragen gilt.

Monatelang boykottierte Facebook das Teilen eines WSWS-Artikels, der sich gegen die Verschwörungstheorie richtete, das Covid-19-Virus sei eine von China eingesetzte biologische Waffe. Wer den Artikel teilen wollte, wurde gewarnt, oder sein Account wurde gesperrt. Führende Mitglieder der WSWS-Redaktion, unter ihnen Niles Niemuth, Leiter der amerikanischen Redaktion, wurden grundlos von der Nutzung von Facebook ausgeschlossen.

Greenwald und Co. haben die Einschränkung von Trumps Meinungsfreiheit durch Facebook verurteilt, aber kein Wort über die anhaltende Zensur der World Socialist Web Site verloren. Im November, als ihn der Vorsitzende der internationalen Redaktion der WSWS, David North, aufforderte, sich gegen die Aussetzung des Twitter-Accounts der International Youth and Students for Social Equality (IYSSE) auszusprechen, lehnte Chris Hedges rundweg ab. Er sei zu beschäftigt, lautete seine Begründung.

Die World Socialist Web Site verteidigt verdienstvollere Menschen als den faschistischen Möchtegern-Diktator Donald Trump. Wir werden weiterhin die Zensurmaßnahmen gegen Websites und Organisationen aufdecken, die links, gegen Krieg und sozialistisch sind. Und wir werden auch weiterhin alles in unserer Macht Stehende tun, die Notlage inhaftierter Journalisten wie Julian Assange bekannt zu machen und drangsalierte Arbeiter und Wissenschaftler wie Rebekah Jones zu verteidigen, die unter Beschuss geraten, weil sie die mörderische Politik der kapitalistischen Regierungen bekämpfen.

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