Zehn Jahre Ägyptische Revolution
Demonstranten feiern auf dem Kairoer Tahrir-Platz die Ankündigung von Präsident Hosni Mubaraks Rücktritt

Vor zehn Jahren, zwischen dem 25. Januar und dem 11. Februar 2011, stürzte eine Revolution der ägyptischen Arbeiterklasse die von den USA unterstützte Diktatur von Hosni Mubarak, der das Land jahrzehntelang regiert hatte. Wochen zuvor, am 14. Januar, war der von den USA unterstützte tunesische Diktator Zine El Abidine Ben Ali ebenfalls durch eine Revolution zur Flucht gezwungen worden. Die Ereignisse in Tunesien und Ägypten waren der Höhepunkt einer revolutionären Entwicklung, die sich auf Nordafrika und den Nahen Osten konzentrierte und international ausbreitete.

Wie die WSWS in ihrer Perspektive vom 2. Februar 2011 feststellte, waren diese Ereignisse von „welthistorischer Bedeutung“. Sie läuteten den Wiedereintritt der Arbeiterklasse in das Zentrum der Geschichte ein. Sie widerlegten die bankrotten Argumente zahlloser Akademiker, Philosophen und pseudolinker Organisationen über das „Ende der Geschichte“ und die Behauptung, die Arbeiterklasse könne nicht länger als revolutionäre oder gar fortschrittliche soziale Kraft angesehen werden. „Jetzt meldet sich die Geschichte mit aller Macht zurück“, schrieb die WSWS.

Die Ereignisse von 2011 stellen eine entscheidende strategische Erfahrung für die internationale Arbeiterklasse dar. Zehn Jahre später sind brutale Diktaturen an der Macht, und soziale Ungleichheit und Armut haben sich weiter verschärft. Diese Erfahrung zeigt die historische Notwendigkeit des Aufbaus einer revolutionären marxistischen Führung in der Arbeiterklasse, als Voraussetzung für eine sozialistische Revolution. Auf dieser Seite finden sich wichtige Erklärungen und Analysen, die die WSWS im Zuge der revolutionären Ereignisse 2011 und in den Jahren danach, veröffentlicht hat.

Der Aufstand in Tunesien

Die massiven Proteste in Tunesien wurden durch die Selbstverbrennung von Mohamed Bouazizi ausgelöst, einem Gemüsehändler, dessen Waren willkürlich von der Polizei beschlagnahmt worden waren. Der verzweifelte Akt des Protests entflammte die schwelende soziale Wut über Massenarmut, Ungleichheit und das Fehlen demokratischer Rechte. Die Proteste breiteten sich sofort international aus, gerade weil in der Region und auf der ganzen Welt die gleichen Bedingungen herrschten – und nach wie vor herrschen.

Der tunesische Aufstand wurde von US-Außenpolitikern als die erste „Wikileaks-Revolution“ bezeichnet. Dies war eine Anspielung auf die Rolle von Wikileaks und seines seit langem verfolgten Gründers Julian Assange. Die Enthüllungsplattform hat geheime US-Diplomatenkabel aus Tunis veröffentlicht, die die Korruption des Regimes und die stillschweigende Unterstützung seiner Verbrechen durch US-Beamte aufdeckten.

Mehr Dazu
Die konterrevolutionäre Offensive des Imperialismus in Libyen und Syrien

Als Reaktion auf die revolutionären Umwälzungen im Nahen Osten begann der Imperialismus eine Gegenoffensive. In Libyen starteten die Obama-Regierung und ihre europäischen Verbündeten eine Bombenkampagne, um die Regierung von Muammar al-Gaddafi zu stürzen. Die Intervention in Libyen, das strategisch zentral zwischen Ägypten und Tunesien liegt, zielte darauf ab, einen Brückenkopf für konterrevolutionäre Operationen in der Region zu errichten und sich gleichzeitig eine direktere imperialistische Kontrolle über die Ölressourcen der Region zu sichern.

John Kerry meets with Syrian opposition representatives in 2013
Konterrevolution in Ägypten

Anfang 2013 stand Ägypten unter der Herrschaft der islamistischen Muslimbruderschaft, die durch die Wahlen 2012 an die Macht gekommen war. Eine am 30. Januar 2013 veröffentlichte WSWS-Perspektive warnte vor der zunehmend offenen Gewalt des Militärs gegen Arbeiter und Jugendliche und rief zur unabhängigen Mobilisierung der Arbeiterklasse für eine Arbeiterregierung auf – in Opposition zum Militär, der Muslimbruderschaft und der „liberalen“ Nationalen Heilsfront von Mohammed ElBaradei.

Die bürgerlich-liberalen Parteien schlossen sich in der sogenannten Tamarod (Rebellen)-Bewegung mit der Pseudolinken, einschließlich der Revolutionären Sozialisten, zu einer Kampagne gegen die Mursi-Regierung zusammen. Die Tamarod-Plattform, die von Überbleibseln des ehemaligen Mubarak-Regimes unterstützt wurde, bot keine Alternative zu Mursi. Sie diente dem Militär, angeführt von Verteidigungsminister Abdel Fateh el-Sisi, als Vehikel für die Vorbereitung eines Militärputsches, der am 3. Juli 2013 stattfand.

Der Putsch wurde von den Liberalen und den Pseudolinken begrüßt. Sowohl die RS als auch ihre internationalen Verbündeten behaupteten, das Militär handle unter dem Druck des Volkes. Innerhalb weniger Monate hatte sich das Militärregime durch ein Blutbad an Anhängern der Muslimbruderschaft und anderen Anti-Putsch-Demonstranten konsolidiert. Es organisierte Schauprozesse, in denen tausende von Menschen zum Tode verurteilt wurden, und exekutierte Hunderte. Zehntausende Menschen sind nach wie vor in den Gefängnissen des Regimes eingepfercht, während Sisi, der Schlächter von Kairo, in den Hauptstädten der Welt für seine Rolle bei der Unterdrückung der ägyptischen Revolution bejubelt wird.

Die Theorie der Permanenten Revolution

Zehn Jahre nach dem Arabischen Frühling sind die Bedingungen für neue revolutionäre Kämpfe mehr vorhanden denn je. Umso wichtiger ist es, dass die fortgeschrittensten Teile der Arbeiterklasse die Lehren aus dieser strategischen Erfahrung ziehen. Der Schlüssel dazu ist die Aneignung der trotzkistischen Theorie der Permanenten Revolution und der Aufbau einer neuen revolutionären Führung der Arbeiterklasse – Sektionen des Internationalen Komitees der Vierten Internationale – im Nahen Osten und in Afrika auf dieser Grundlage,

Die Theorie der Permanenten Revolution war die Perspektive, von der sich die bolschewistische Partei in Russland 1917 leiten ließ, als sie die Macht ergriff und den ersten Arbeiterstaat der Geschichte errichtete. Sie besagt, dass in Ländern mit einer verspäteten kapitalistischen Entwicklung, die vom Imperialismus unterdrückt werden, die Bourgeoisie keine fortschrittliche Rolle spielen kann. Auch ihre liberalen Vertreter haben haben weitaus mehr Angst vor der eigenen Arbeiterklasse haben als vor dem brutalsten kapitalistischen Regime. Die Aufgabe, die Revolution anzuführen, fällt der Arbeiterklasse zu. Sie muss hinter sich die Bauernschaft und die unterdrückten Massen im Kampf für den internationalen Sozialismus vereinen.

Leon Trotsky